spielbar.com

SdJ-Gerate

Leider muss ich feststellen: Ich bin nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Vielleicht waren es die langen Pausen der Covid-Zeit und die hohen Stapel „liegen gebliebendes“, die dafür sorgen, dass ich kaum relevantes dieses Jahr gespielt habe. Zum Glück (für wen auch immer) hält mich das nicht davon ab, ein paar Prognosen zu wagen, vor allem basierend auf dem was ich so aus Jurykreisen so zu vernehmen glaube (meine eigenen Spiele lasse ich ebenso außen vor, ebenso wie Kinderspiele, weil ich mich da nicht auskenne).

Doch voarb: Das Spiel, was mich dieses Jahr bislang vielleicht am meisten beeindruckt hat war Nightmare: Das Thrillerspiel – und das wird sicherlich nicht nominiert, schon weil die Zielgruppe eng und das Spiel nur einmal spielbar ist. Ich erwarte es aber durchaus auf der Empfehlungsliste, eben weil es etwas besonderes ist.

Normalerweise beginne ich mit dem roten Pöppel, aber diesmal beginne ich lieber zwischen den Stühlen und Scout. Scout ist ein kleines Oink-Spiel und kombiniert asiatisches Tichu-ähnliches Stichspiel mit „Karten dürfen nicht umsortiert werden“. Die Dynamik des Stichspiels ist zudem ziemlich besonders, weil Stiche gleichzeitig gemacht und die Kartenhand verbessert wird. Scout kommt nun überraschend gut bei der Jury an (Für Udo Bartsch ist es etwa außerordentlich) insofern scheint eine Nominierung sicher… aber wo? Und wirklich? Stichspiel sind nicht unbedingt das Genre, dasman mit dem Preis in Verbindung bringt (das einzige Stichspiel, was etwas gewonnen hat, war The Crew und das war vor allem ein kooperatives Stichspiel-Trainingscamp). Vor allem eines, dass keinerlei thematische Einbindung hat und bei aller mechanischer Originalität, doch sehr klassisch daherkommt. Ich habe Probleme mir vorzustellen, dass eine SdJ-Familie mit Scout etwas anfangen kann – und ich mag Scout sehr! Es ist nur ein eher traditionelles Genre und diese Last schleppt es irgendwo mit sich. Ich kann mir dennoch aufgrund der wahrzunehmenden Begeisterung vorstellen, dass es nominiert wird, aber wo hängt vielleicht nicht zuletzt davon ab, in welcher Kategorie noch etwas frei ist.

Also schauen wir mal, wo eventuell ein Plätzchen frei wäre:

Bei Rot gibt es zwei relativ klare Kandidaten: Top Ten und Cascadia. Ersteres habe ich nicht gespielt, weil ich bereits mit Perfect Match glücklich bin und nicht unbedingt ein zweites Spiel mit dieser Grundidee brauche – aber die Jury ist von dem Spiel überwiegend sehr, sehr angetan und hält es für eine bedeutende Verbesserung. Tatsächlich würde ich Top Ten sogar die vielleicht größten Titelchancen einräumen. Von Perfect Match abgesehen ist die Idee originell und deckt eine weitere Fascette für Brettspiele ab. Es scheint auch keine wirkliche Opposition innerhalb der Jury dagegen zu geben – außerhalb gibt es natürlich immer noch das Publikum, dass sich wünscht es würde mal wieder „ein richtiges“ Spiel gewinnen.

Das könnte Cascadia sein – aber will man das wirklich? In einem stärkeren Spielejahrgang wäre Cascadia m.E. als solide designted Spiel ohne größere Ecken und Kanten vielleicht gar nicht in Erwägung gezogen worden. In diesem Jahr gilt es als Titelkandidat – Glück mit der Konkurrenz gehört eben dazu (Fragt mal Pandemie). Die Jury ist zum Teil doch recht begeistert, aber diese Begeisterung scheint nicht ganz so einhellig wie bei Top Ten, ein, zwei Jurymitgleider scheinen dieselbe Meinung von dem Spiel zu haben, wie ich. Dennoch: Solide Nominierung und auch der Titel wäre durchaus drin, die Fanbasis ist ja recht groß. Für mich wäre das zwar so wie das Villa Palletti unter den Legespiele (zusammengefasst: „Ja, aber warum das?“), aber ich bin ja, wie oben festgestellt, nicht mehr auf der Höhe des Zeitgeistes, sondern bestenfalls ein zynischer, alter Sack, mit wenig verbleibenden Regungen in sich drin.

Das sind 2/3 der roten Nomninierungen fix. Für die Jury bequem. Jetzt müssen sie sich nur einigen, ob Scout Nummer 3 wird oder vielleicht doch etwas anderes. Aber was? Mille Fiore schien mal recht beliebt, aber ähnlich wie Whatstone?? im letzten Jahr, ist das Spiel in Aufmachung, Pärsentation und Mechanik so nichtssagend, dass es vermutlich vergessen wird. Es wäre dennoch so meine Nummer 4, hinter dem absoluten Schuss ins Dunkel: 7 Wonder Architects. Auf dem Papier bringt Architects eigentlich alles mit, was eine gute Nominierung ausmacht: Man kann ohne Hürde einsteigen, es spielt sich flocker runter. Klein und Groß können gleichermaßen „sinnvoll“ spielen und das Spielgefühl ist durchweg positiv besetzt, ohne Frust- oder Ärgermomente. Allerdings ist die Rezeption des Spieles sehr gemixt zwischen himmelhochjauchzend und zutodegetrübt. Ich meine bislang nichts wirklich negatives von Jurymitgliedern gelesen zu haben, aber vielleicht habe ichs einfach übersehen. Und es scheint mir ein Spiel zu sein, dass, wenn man es ablehnt, es mit Händen und Füssen ablehnt.

Also: Top Ten, Cascadia, 7 Wonder Architects logge ich so mal ein. Unter Scout-Vorbehalt versteht sich.

Der Elefant bei den Kennerspielen steckt natürlich in der Schachtel von Ark Nova. Ark Nova  ist das Spiel, über das die Szene spricht, das diesjährige „Everybodys Darling*“ Die Frage ist: Ist es zu komplex? Die generelle Meinung scheint mir eher bei „Ja“ zu liegen (ich habs immer noch nicht gespielt). Terraforming Mars war bislang die wohl komplexeste Nominierung. Das ist aber wohl noch einen Ticken zugänglicher und vor allem auch noch etwas besser. Die Jury macht Ausnahmen (4 Stunden Spieldauer für die erste Partie Detective), aber nur wenn es sich wirklich lohnt. Ark Nova könnte wohl ohne Gesichtsverlust den Platz des komplexesten Spieles auf der Empfehlungsbank einnehmen. Das ist mein Tipp, außer man würde die drei Nominiertenplätze nicht voll bekommen.

Nun lag ich beim Kennerspiel schon sehr viel häufiger daneben als beim roten Pöppel, aber da ich dieses Jahr sowieso keine Ahnung habe, ist das egal. Auch potenziert wird Null ja nicht weniger als Null! Anders als beim Pöppel fehlen hier klare Kandidaten – das lässt die Chancen für Scout in diesem Bereich steigen. Aber was kann da sonst noch so sein?

Fans hoffen auf Planet X, das auch recht gute Kritiken bekommt. Aber Deduktion, insbesondere auch appunterstützt, ist schon Denksport und ob das zur Jury passt? Zudem läuft halt auch sehr viel über die App, es fehlt da vielleicht etwas das Brettspielerische. Ich glaube hier her an eine Empfehlung, als an eine Nominierung.

Die zwei Topkandidaten (basierend auf dem Buschfunk) sind vielleicht First Rat und Living Forest, zwei Spiele, man ahnt es schon, die ich noch nicht gespielt habe. Beide kommen gut an, sind sauber designet und schaffen Emotionen und haben auch einen interessanten Kniff. First Rat scheint mir etwas origineller zu sein und ist das, was ich mir eher selbst anschaffen würde (wenn ich nicht noch so viel ungespieltes hätte), aber basierend auf den Rezis kann ich mir beide Spiele gut als Kandidaten vorstellen. Wenn Nummer 3 nicht Scout ist (wenn das zwischen den Stühlen hängen bleiben sollte), könnte Khora noch den freien Platz einnehmen. Auch Khora wird -obwohl eher technisch-nüchtern daherkommend – durch die Bank sehr wohlwollend begutachtet und es würde das diesjährige Thema insofern komplettieren, als dass ich es zwar gespielt habe, es mich aber so gar nicht angesprochen hat. Aber um mich geht es ja nicht, ich bin ja eh nicht auf der Höhe der Zeit und hasse alle Spiele, die seit 1993 erschienen sind.

Meine Kennerspieltipps sind also: Living Forest, First Rat und Scout. Sollte es so kommen, wäre ich begeistert und extrem überrascht zugleich.

Ich bin Peer Sylvester und das war mein Senf dazu,

 

(* Except for Georgioses)

 

 

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)