Autor: Antonio Sousa Lara
Verlag: Pythagoras
für 1-4 Spieler*innen
ab 10 Jahren
Dauer: 60 Minuten (oder deutlich länger)
Eine der wichtigsten Aufgaben einer Spielkritik besteht darin das Potential eines Spiels zu umreißen. Es geht darum zu sagen was ein Spiel ermöglicht, wenn die Spielgruppe dem Design entgegenkommen kann und will. Mehr noch als an den persönlichen Vorlieben des Kritikers / der Kritikerin, sollte ein Spiel daran gemessen werden, ob es halten kann, was Aufmachung und Regeln versprechen.
Gods of Rome präsentiert sich als das was man in der Szene als Mehrheitenspiel bezeichnet. Darin setzt man die eigenen Spielfiguren auf unterschiedliche Gebiete des Spielbretts, um den Figuren der anderen Spieler*innen zahlenmäßig überlegen zu sein. Wenn das im richtigen Moment gelingt, holt man sich so Punkte und nach einigen Runden vielleicht sogar den Spielsieg. Konflikte sind in diesen Spielen entsprechend vorprogrammiert. Viele Spieler*innen schätzen die Spannung, die daraus entsteht und damit auch die emotionale Intensität sehr. Das Mehrheitenspiel ist – trotz seiner taktischen und strategischen Abstraktion – vor allem ein emotionales Spielgenre.
Darum hilft es, wenn die Regeln des Spiels diesen Emotionen nicht im Weg stehen. Dafür müssen sie Transparenz und Eleganz zusammenbringen. Es muss jederzeit klar sein, welche Konsequenzen und Risiken einzelne Entscheidungen mit sich bringen. Gleichzeitig müssen die Regeln so geschaffen sein, dass sie wie aus einem Guss wirken. So als würden sie einer inneren Logik folgen, welche man nutzen kann, sobald man sie verstanden hat. Gods of Rome gelingt leider nur einer dieser Punkte. Tragischerweise ist es der schwierigere der Beiden und so bleibt Gods of Rome hinter dem zurück was es sein könnte.

Die Regelstruktur von Gods of Rome ist elegant und daher einfach umrissen. Man hat im eigenen Zug fünf unterschiedliche Aktionen zur Auswahl. Eine ist die notwendige Vorbedingung, um Punkte zu erhalten. Die andere rechnet die eigene Präsenz auf dem Spielbrett in eben diese Punkte um. Die drei übrigen Aktionen verändern die Verteilung der Spielfiguren auf dem Spielbrett. Der erste clevere Designschritt erlaubt es diese drei Aktionen abzuwandeln und bietet damit effektiv sechs unterschiedliche Aktionen zur Beeinflussung der Figuren. Eine dieser Abwandlungen führt dazu, dass man diese Einzelaktionen für den Rest der Partie in zwei von einander unabhängige Aktionen aufwertet. Die überschaubare Zahl an Handlungsmöglichkeiten wird so während des Spiels vervielfacht. Das ist handwerklich so sauber arrangiert, dass es eine Freude macht sich damit zu beschäftigen und es auszuprobieren.
Im Laufe des Spiels wird durch die Spieler*innen drei Mal eine Siegpunktwertung ausgelöst (die sich von der regulären Punktewertung unterscheidet). Dadurch lässt sich Gods of Rome gut in drei einzelne Akte aufteilen. Im ersten Akt geht es darum die eigene Strategie vorzubereiten, im zweiten Akt beginnt man sie in die Praxis umzusetzen. Es ist jedoch der letzte Akt der Gods of Rome zum Verhängnis wird. Denn hier entlädt sich die unterschwellig eingeführte Komplexität des Spiels am Ehrgeiz der Spieler*innen.
Gods of Romes finaler Akt kreist um eine Pattsituation. Jeder Vorstoß der anderen will zunichte gemacht werden. Man will den anderen jeden Zugewinn verweigern. Was nach einem spannenden und elektrisierenden Wettkampf klingt, entpuppt sich genauso oft als lähmend und freudlos. Trotz der sauberen Regelstruktur, fällt es schwer die eigenen Möglichkeiten schnell zu erfassen und die Spielsituation gut zu analysieren. Das liegt zum einen an der Präsentation. Diese ist zwar farbenfroh und kontrastreich, aber gleichzeitig unruhig. Schnell entsteht das Gefühl, dass man durch das Übersehen eines Details den eigenen Sieg verschenkt. Also schaut man immer länger und genauer auf das Spielbrett, um einen solchen Fehler zu vermeiden. Das dehnt die letzten Spielzüge deutlich in die Länge. Hinzu kommt, dass auf dem eigenen Spieltableau nur ein Teil der notwendigen Regeln verzeichnet sind. Die Bedingungen und Einschränkungen, die mit jeder Aktion verbunden sind, muss man im Kopf halten. Gerade wenn das Spiel auf seinen dramatischen Höhepunkt zusteuert, verlangsamt es sich gefühlt zum Stillstand.

Dabei sind die Regeln so ausgelegt, dass ein tatsächlicher Stillstand unmöglich bleibt. Um verbrauchte Aktionen wieder verfügbar zu machen, muss eine Wertungsaktion ausgeführt werden. Diese löst einige festgefahrene Situationen auf dem Spielbrett auf. Auch das ist ein kluger Designschritt, um die mechanische Seite des Problems zu lösen. Aber der Spielverlauf wird dadurch nicht flüssiger. Im Gegenteil, manche Spieler*innen werden dadurch sogar ausgebremst, da eine einzelne Aktion jetzt noch wertvoller und sogar spielentscheidend sein kann.
Das Resultat ist, dass Gods of Rome mehr Zeit in Anspruch nimmt, als nötig ist. Es häufen sich die Punkte, die man beim Spielen beachten muss bzw. vermeiden will. Das anfänglich fröhliche Vorpreschen und Handeln schlägt schon bald in ein kratzbürstiges „Ärgern-und-geärgert-werden“ um, welches durch den Aufwand, den man dafür betreiben muss, schnell die Spielfreude dämpft.
Dennoch erinnert Gods of Rome in seinen stärksten Momenten an eines meiner persönlichen Lieblingsspiele: Eric Langs ‚Chaos in der Alten Welt‘. Auch dort ringt man um Mehrheiten, schließt sich im Laufe des Spiels neue Optionen frei und wird durch die einzelnen Wertungsschritte unweigerlich in Richtung Finale geführt. Jedoch fällt es dort leichter den Fokus auf den Bereich des Spiels zu richten, der in der aktuellen Spielphase entscheidend ist. Im Vergleich dazu muss man in Gods of Rome zu jeder Zeit auf alles achten. Es mag unscheinbar klingen, aber das besondere an gelungenem Spieldesign ist die Einfachheit mit der man sich auf das Spiel einlassen kann. Sowohl der entspannte Einstieg wie auch die unaufdringliche Einarbeitung in die anspruchsvolleren Facetten des Spiels sind die größten Herausforderungen des Spieldesigns.
Alles was Gods of Rome in Sachen Eleganz im Design gelingt wird leider durch unzureichende Transparenz abgewertet. Leidenschaftliche Fans des Mehrheitenspiels mögen hier dennoch genug Lohnenswertes finden. Andere sind vermutlich von Aufwand und Spielgeschwindigkeit eher abgeschreckt und greifen stattdessen zu vertrauteren Größen wie etwa Wolfgang Kramers und Richard Ulrichs ‚El Grande‘.
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