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Drachentanz Schachtel

Drachentanz

Autor: DuGuWei

Verlag: frechverlag

Für 2-6 Spielende ab 7 Jahren

Spieldauer: 15-30 Minuten

Neulich hatte ich verlautbaren lassen, dass „Gleichzeitig eine Karte aussuchen, spielen und hoffen dass ich nicht dasselbe denke, wie alle anderen“ nicht so mein Lieblingsmechanismus wäre. Das heißt aber nicht, dass ich dieser Spielegattung grundsätzlich negativ gegenüber eingestellt wäre: 6 Nimmt! ist eines meiner Lieblingsspiele, Edel, Stein & Reich mag ich alle drei sehr. Die Frage: Wann gefällt mir dieser Mechanismus und wann nicht? Die Frage ist durchaus relevant für die Besprechung von Drachentanz, denn – Überraschung! – alle spielen gleichzeitig eine Karte aus und hoffen, dass sie nicht dasselbe gedacht haben, wie alle anderen.

Ein Faktor ist die Einfachheit: Ich möchte mich schnell entscheiden können, ich möchte nicht erst alle möglichen anderen Karten der anderen abschätzen müssen und im Kopf ein großes Flussdiagramm entlangfahren. Ich möchte schnell und aus dem Bauch heraus eine Entscheidung treffen. Das ist bei Drachentanz schon deswegen der Fall, weil nur drei Karten zur Auswahl stehen – die Auswahl geht also flott.

Obwohl ich keine tiefgreifenden Analysen betreiben will,  möchte ich einigermaßen gezielt spielen; Karten einfach abzulegen ist auf Dauer eintönig, vor allem wenn die Auswahl mehr oder minder zufällig geschieht. In der von mir favorisierten 6 Nimmt – Variante, bei der die Karten, die im Spiel sind, bekannt sind, kann ich recht gut abschätzen, wie riskant eine bestimmte Karte ist: Liegt in der Auslage eine 22 als dritte Karte, so kann ich die 24 einigermaßen sicher spielen. Anders ausgedrückt: 6 Nimmt ist bei aller Unsicherheit und Zock transparent. Ähnliches lässt sich auch über Drachentanz sagen: Die gespielten Karten werden in aufsteigernder Reihenfolge unter die Punktekarten gelegt. Wird dann ein bestimmter Wert mit allen drunterliegenden Karten erreicht, gewinnt man die Punktekarte, sonst bleibt die Karte wirkungslos bis zur nächsten Runde liegen. Da die Handkarten Werte bis maximal 10 haben, sind die Spielräume überschaubar. Mit einer sehr niedrigen Karte, werde ich wahrscheinlich auf die erste Punktekarte zugreifen, mit einer sehr hohen auf die letzte. In der Mitte ist die Unschärfe naturgemäß größer. Da aber transparent ist, wie hoch die Karte sein muss, um die Punktekarte, wenn ich sie denn an die richtige Stelle legen darf, auch tatsächlich  zu bekommen, kann ich gezielt auf bestimmte Werte zocken oder die Auslage für diese Runde verloren geben und die versuchen die nächste Runde vorzubereiten.

Trotz aller Transparenz: Wenn in einem Spiel die Überraschungen fehlen, verflacht das Spielerlebnis bald und verkommt zur Routine. Bei 6 Nimmt haben wir einen kleinen Spielbruch, wenn plötzlich eine besonders niedrige Zahl gespielt wird und dadurch eine Reihe verschwindet, mit der niemand gerechnet hat. Das sorgt für Emotionen, Gegrummel und Gelächter am Tisch, weil eben etwas nicht vorhersehbares geschehen ist. Das Unvorhersehbare wirkt dabei aber nicht willkürlich, denn das Damoklesschwert der genommenen Reihe schwebt ja die ganze Zeit über einem. Man neigt nur dazu, es geflissentlich zu ignorieren.

Drachentanz hat ein ähnliches Element: Wer eine Zwei spielt, spielt die am Ende an eine beliebige Reihe. Da dadurch die anderen ihre Karten zuerst ausspielen, bleibt eine Punktekarte am Ende frei (es sind immer so viele Punktekarten wie Mitspielenden im Spiel). Eine sicher geglaubte Karte auf der letzten Position, oder ein sicheres überspringen einer bösen Vier (die Minuspunkte bringt, aber eben schon mit jeder Karte mit einem Wert über drei gewonnen wird) wird plötzlich zur selbst gestellten Stolperfalle. Diese taucht selten genug auf, dass es nicht willkürlich wirkt, aber oft genug, um zu unterhalten, um das Spiel pfiffig zu halten und Routine zu vermeiden.

Man sieht, dass Drachentanz durchaus zu den „gleichzeitig eine Karte spielen“ – Spielen gehört, die mir gefallen: Es hat die Einfachheit, die ein Absacker braucht, es hat die Transparenz und die Überraschungen, die nötig sind, um das Spiel fesselnd und nicht beliebig oder repetitiv werden zu lassen. Und man spielt mehrere Durchgänge, so dass sich auch vollkommen unpassende Kartenhände kompensieren lassen.

Anders ausgedrückt: Es ist ein gutes Design.

 

Peer Sylvester
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