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Schachtelcover Comet

Comet

Autor: Peter Prinz

Verlag: Funtails/HUCH!

Für 2-4 Spielende ab 12 Jahren (Spielerfahrende Zehnjährige können auch mitspielen, wenn sie mit multifunktionellen Karten klarkommen)

Spieldauer: 45-75 Minuten

Wenn Spielende meinen Sie hätten „nach zwei Partien alles gesehen“ dann meinen Sie damit, es gäbe keine Überraschungen im Spielverlauf. Meiner aktuellen Arbeitshypothese nach ist das vor allem ein Zeichen mangelnder Interaktivität am Spieltisch und nicht so sehr  ein Problem zu weniger möglicher Spielsituationen. Skull oder Kakerlakenpoker haben zum Beispiel ja gar nicht so viele unterschiedliche Ausgangslagen. Nun ist es ja ein Charakteristikum von Bluffspielen, das ein Großteil des Spielreizes aus der Frage entsteht, ob die handelnde Person diesmal anders handelt als letztes Mal. Aber auch andere Spielgattungen leben durchaus von der Unsicherheit, wie die anderen Personen am Tisch auf die Ausgangslage reagieren und der Möglichkeit dies zu antizipieren und im Vorfeld darauf zu reagieren.

Beeinflussen aber die anderen den eigenen Zug aber nur marginal oder gar nicht muss ein Spiel andere Faktoren aufwarten, um die Spielenden zu überraschen. Comet versucht dies  einerseits durch eine große Anzahl von Karten und andererseits durch eine Vielzahl an unterschiedlichen Rollen für die Spielenden, die mit kleinen individuellen Vorteilen und unterschiedlichen Bonuspunkten einhergehen. Durch letzteres wird eine kleine Asymmetrie geschaffen, die potentiell in jeder Partie anders ist und so kleinere Anpassungen in der Spielweise erfordern könnte.

Auf den ersten Blick ist es überraschend, dass diese Maßnahmen überhaupt nötig sind, denn Comet ist ein Rennspiel: Man versucht möglichst viele Tiere ins Ziel zu bringen. Rennspiele sind eigentlich hochinteraktiv und damit selten Ziel des Vorwurfes, überraschungsarm zu sein. Doch auf dem Spielbrett geht man weitestgehend seine eigenen Wege, nur gelegentlich läuft (haha) man sich über den Weg. Als Motor dienen dabei Karten, die gleich drei Funktionen aufweisen: Zum einen bewegen Sie die Steine über das Brett, zweitens können sie statt zur Bewegung auch als Tier gespielt werden: Die Tiere sind nämlich nicht von Anfang ans Spiel sondern werden quasi gespawnd, wie man in der Gamingszene sagt: Karte spielen und auf passendes Startfeld setzen. Bis zu drei Viecher kann man gleichzeitig im Rennen haben, neue sind gesperrt, bis man zumindest eines davon ins Ziel bringen konnte. Dort bieten die Tiere Vorteile und bei Spielende Siegpunkte. Welche Tiere man wann ins Ziel bringt ist also nicht egal: Siegpunktträchtige Tiere haben weitere Wege und schwächere Fähigkeiten, wenn sie denn angekommen sind. Andere Tiere haben nützliche Fähigkeiten, wie zusätzliche Bewegungen oder günstigere Startposition für zukünftige Tiere.

Karten, bei denen verschiedene Aspekte beim Ausspiel berücksichtigt werden können, sind eine gute Möglichkeit interessante Puzzlefragen zu stellen: In welcher Reihenfolge nutze ich die Karten? Welche möchte ich als Tiere spielen, welche für die Bewegung und sollte ich meine Hand komplett nutzen oder nutze ich lieber meine Pause-Aktion, um neue Karten zu bekommen? Potentiell interessante Fragen, aber nicht sehr interaktiv. Und auch nicht sehr überraschend – in der Bewegung unterscheiden sich die Karten eher marginal. Die Effekte sind nicht riesig unterschiedlich und vor allem ist die Frage, welche Tiere man zuerst spielen und ins Ziel bringen kann entscheidend – denn deren Effekte kann man ja fast das ganze Spiel über nutzen. Doch selbst größere Kombos sind für die anderen nicht überraschend – oder besser gesagt – nicht interessant: Auch wenn sich plötzlich ein einzelner Stein über das halbe Brett bewegt, beeinflusst das meinen eigenen Zug nicht. Es ist ja nicht einmal so, dass man wegen des gelungenen Zuges größere Sorgen bezüglich des Spielergebnis machen müsste, Punkte gezählt wird eh am Schluss, wo noch ggf. Bonuswertungen warten. Das Nachvollziehen von anderen Zügen ist daher eher mühsam denn interessant. Als Resultat bleibt vor allem das eigene Puzzle zu lösen, ein Puzzle, das durchaus knifflig sein kann (wenn man aus einer Bewegung das Optimum herausholen will), das sich von Zug zu Zug aber nur unwesentlich unterscheidet. Die Ausgangslage und die verfügbare Kartenmasse mögen unterschiedlich sein, die Überlegungen sind aber stets dieselben.

Größere Unterschiede können die unterschiedlichen Rollenkarten bieten, vor allem weil sie Bonuspunkte ermöglichen, wenn bestimmte Tiere ins Ziel gebracht werden. Das ist dann eine weitere Überlegung, die bei der Planung mit einfließt. Außerdem möchte man ja seine Fähigkeit möglichst effizient nutzen – Comet ist ein Effizienzrennspiel, bei dem jeder verlorene Zug de facto Punkte kostet. Daher ist es ein bisschen Schade, dass die Sonderfähigkeiten dieser Rollenkarten nur die Fähigkeiten der Karten spiegeln und sich in ihrem Einfluss auf das Spiel zudem doch sehr unterscheiden. Das wirkt nicht nur etwas unausbalanziert, es hat zur Folge, dass sich einige Rollen sehr ähnlich spielen (ihr Einfluss ist eher begrenzt oder sehr situativ), während andere sehr klare Strategien vorgeben. Auch fühlen sich die Punkteboni schlecht ausbalanziert und damit ungerecht an (sowohl untereinander als auch in Bezug auf die Sonderfähigkeit).  Den Riesenbiber haben wir mittlerweile wegen Extremstrategie verbannt (Ja, er ist davon abhängig, Biberkarten zu ziehen, aber wenn das gelingt ist er praktisch unschlagbar).

Hat man nach zwei Partien Comet alles gesehen? Mit Sicherheit nicht und das wäre auch nicht der Punkt. Dennoch ist das Spiel etwas überraschungsarm, die mangelnde Interaktion und die ähnlichen Effekte sorgen für Partien, die sich eher subtil voneinander unterscheiden und nur wenige Höhepunkte bieten. Zwar ist es ein tolles Gefühl, wenn es einem mit dem letzten Zug noch gelingt durch eine tolle Kombo die letzten beiden Tiere ins Ziel zu bringen, doch der Weg dorthin ist durch viel Routine geprägt. Noch nicht in der ersten Partie, wo man sich erst orientiert, aber spätestens ab der zweiten. Die Spielverläufe der weiteren Partien sind dann nicht mehr wesentlich anders, nur effizienter.

Peer Sylvester
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