Autor: Pedro Santos Silva
Verlag: MEBO / Heidelbär
für 2-4 Spieler*innen
ab 8 Jahren
Dauer: 45-60 Minuten
Es ist kein Geheimnis, dass ein Spiel aus vielen unterschiedlichen Elementen besteht, welche gut aufeinander abgestimmt sein müssen, um ein flüssiges und positives Spielerlebnis zu ermöglichen. Eine Kritik muss genau genommen alle diese Elemente im Auge haben und bewerten. Manche (z.B. die Präsentation) sind dabei auffälliger als andere (z.b. die Anleitung). Dabei ist neben der Lesbarkeit des Spielbretts gerade auch die Anleitung ein Zeichen für gutes Designhandwerk. In der Vergangenheit stachen die Anleitungen des Hauses MEBO nicht immer als Glanzlichter heraus. Umso beeindruckender dann der Quantensprung, der mit Lissabons Tram 28 hingelegt wurde.
Das mag vielleicht wie eine hintergründige Abwertung klingen, aber das ist ist nicht. Eine gute Spielanleitung ist eine Seltenheit in der Szene. Zu oft wird derart großer Wert auf Vollständigkeit und wasserdichte Formulierungen gelegt, dass die Lesbarkeit und damit auch die einfache Vermittlung komplexer Zusammenhänge auf der Strecke bleibt.
Die meisten Anleitungen sind mit hoher Sorgfalt formuliert, aber kaum eine ist auch derart klar und lesefreundlich strukturiert, dass sie das gesamte Spielerlebnis leicht zugänglich macht. Gute Designs zeichnen sich dadurch aus, dass sie erfundene Sinnzusammenhänge derart präsentieren, dass sie beinahe intuitiv verstanden werden. Die hohe Kunst des Spieldesigns besteht letztenendes darin das Komplizierte einfach erscheinen zu lassen.
Darum wirkt Lissabons Tram 28 wie ein einfaches Spiel. Mit einem Blick auf Seite 2 ist der Spielablauf klar, ein Blick auf Seite 3 macht den Spielaufbau deutlich. Was folgt sind die ausformulierten Beispiele der einzelnen Aktionen des Spiels. Ein Spiel welches thematisch auf das Tramnetzwerk der Stadt Lissabon verweist, ist entsprechend auch ein Spiel, in dem man Fahrgäste an Haltestellen einsammelt und an anderen Haltestellen wieder absetzt. Jedes Mal, wenn wir die richtigen Gäste an einer Haltestelle abgeliefert haben, erhalten wir Punkte. Gelegentlich können wir eine kleine Klingel nutzen, um im Weg befindliche Trams aus dem Weg zu schieben. Das verleiht der ansonsten eher trockenen und durch Kartenspiel getriebenen Routenplanung eine schöne verspielte Note. Lissabons Tram 28 fühlt sich zu keinem Zeitpunkt wie ein besonders komplexes Spiel an, was nicht zuletzt auch auf die saubere Regel zurückzuführen ist. Denn die Abläufe selbst sind zwar nicht trivial, erscheinen aber durch die Kombination aus Regelerklärung und Thema derart selbstverständlich, dass man kaum bemerkt wie viele Einzelschritte in jedem Zug auszuführen sind.
Ähnliches gilt auch für die Präsentation, die durch klare und übersichtliche Grafik immer angenehm nutzbar bleibt. Gerade für ein Familienspiel ist das Visuelle eine große Hilfe. Hier wird eine ruhige und wenig überwältigende Atmosphäre vermittelt, die vor allem Selten-Spieler*innen nicht abschreckt.
Lissabons Tram 28 ist – wenn nicht als solches konzipiert worden – zumindest in der Praxis ein hervorragendes Mitbringsel aus dem Lissabon-Urlaub. Gerade wenn man die Stadt selbst kennt, und am heimischen Spieltisch die wichtigen Sehenswürdigkeiten noch ein mal anfahren kann, sollte das Erinnerungen wecken, so diese vorhanden sind. Ein anderes Spiel, welches eine ähnliche Funktion erfüllt – Zoom in Barcelona – bewegt sich auf ähnlicher Wellenlänge. Wer die Stadt selbst kennt, kann hier auf ein deutlich thematischeres Erlebnis hoffen als jemand dessen Eindrücke von Lissabon vornehmlich über Google Maps stattgefunden haben.
Abseits dieser Zielgruppe jedoch, geht Lissabons Tram 28 spielerisch leider schnell die Luft aus. Die Abläufe sind sich von Runde zu Runde doch zu ähnlich. Auch kommt es zu selten zu überraschenden Situationen oder Momenten in denen etwas wichtiges auf dem Spiel steht. Lissabons Tram 28 ist ein sehr gemäßigtes Spielvergnügen, bei dem man ohne viel Eile durch die Straßen kurvt. Die Möglichkeiten die individuellen Aktionsmöglichkeiten zu verbessern sind gut in das Design eingeflochten. Leider ist ihre Wirkung auf das Spielerlebnis eher gering. Man bewegt sich etwas weiter, oder kann etwas mehr Passagiere aufnehmen. Das ist nützlich und erweitert die eigene Flexibilität, aber weder der Wettstreit mit den anderen Spielern wird dadurch intensiver, noch wird die spielerische Aufgabe dadurch interessanter. Man macht etwas mehr, aber man macht nicht unbedingt etwas interessanteres.
Lissabons Tram 28 bietet ein sehr gutes Regelheft, mit einem grundsoliden Spieldesign und einem etwas unspezifischem Thema. Es fehlen die Ecken und Kanten, um erfahrene Spieler*innen ohne Bezug zu Lissabon für das Spiel zu begeistern. Wer aber wahlweise Lissabon liebt, oder die eigene Liebe zu Brettspielen erst langsam entdeckt, kann hier zumindest ein Spiel finden, welches nichts falsch macht.
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