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Cascadia

Verlag: Kosmos
Autor: Randy Flynn
Spieleranzahl: 1-4
Alter: ab 10 Jahren (laut Schachtel, mit den Varianten für vereinfachte Wertungen auch schon ab 8 oder gar ab 6, wenn spielerfahren)
Spieldauer: 30-45 Minuten

2020 erschien Calico in den USA bei AEG und es hatte als einfaches, aber interessantes Legespiel mit schöner Graphik einen gewissen Hype. 2021 brachte Ravensburger das Spiel auch auf den deutschen Markt heraus, doch der Hype blieb hierzulande eher aus und das Spiel unterm Radar.

2021 erschien nun bei AEG ein weiteres einfaches Legespiel mit schöner Graphik und einem mit „C“ beginnenden und auf einen Vokal endenden Titel auf den Markt und der Hype um Cascadia übertraf sogar noch den des Vorjahrestitels. Das Spiel ist noch etwas frisch hier in Deutschland, um wirklich eine abschließende Aussage treffen zu können, aber zumindest in meiner Blase ist die Begisterung deutlich größer als es bei Calico der Fall war. Warum ist das so? Und ist der Hype gerechtfertigt?

Erst einmal ist der Vergleich der beiden nicht nur wegen der Verlagsgeschichte und der Graphikerin Beth Sobel, die für beide Spiele zeichnete, gerechtfertigt, auch spielerisch sieht man auf den ersten Blick deutliche Parallelen: Es sind relativ klare Legespiele ohne große Schnörkel: „Plättchen legen- Plättchen ziehen“ im Falle von Calico und „Kombination aus einem Plättchen und einem Tierstein ziehen und hoffentlich beides anlegen“ bei Cascadia. Beide Spiele arbeiten zudem mit einer individuellen Auslage, statt einer gemeinsamen. Interaktion beschränkt sich also auf das gelegentliche Wegnehmen eines begehrten Plättchens. Das Genre erfinden beide nicht neu, bei beiden würde ich zudem gerade weil jeder vor sich hin optimiert eine gewisse Verwandtschaft mit Roll and Writes sehen, wobei da die Bezugspunkte bei Calico eher größer sind, da hier die Auslage eine fest definierte Größe und Form hat, die lediglich ausgefüllt wird, während bei Cascadia keine diesbezüglichen Grenzen existieren.

Dafür erinnert mich die Kernidee Cascadias etwas an das Flip and write Welcome to…: Dort wird immer eine Kombination aus einer Zahl und einer Aktion gewählt und selten bekommt man eine Kombi angeboten, bei der beides stimmt. Hier ist es eine Kombination aus Plättchen und Tierstein. Das Plättchen muss angelegt werden und vergrößert hoffentlich die aufgedruckten Landschaften. Die Plättchen werden auf die Landschaftsteile gelegt, die alle Plätze für einen Tierstein bieten. Knifflig dabei: Auf den Plättchen sind Tiersymbole und ein Stein darf natürlich nur auf ein passendes Teil gelegt werden. Die in meiner Calico-Rezi angesprochenen gegenläufigen Wertungen sind hier durch diese zwei Elemente realisiert – oft braucht man die Symbole woanders als die Landschaften und die Steine passen nicht zu den Plättchen – Arrgh!

Den Erfolg der beiden C-Spiele ist für mich absolut nachvollziehbar. Wir hatten lange keine so grundsoliden, schnörkellosen Legespiele mehr (Spiele wie Azul 3 haben ihren Schwerpunkt woanders). Das Legen hat zudem so eine schöne meditative Grübelkomponente, wie sie auch bei vielen Roll and Writes erfolgreich zum Tragen kommt, aber mit mehr Haptik und schönerem Ergebnis (immerhin muss man selbst nichts malen und die Graphik ist schick). Was mir bei Calico besonders gefällt – die Eleganz der Aufgabenstellung – ist bei Cascadia allerdings nicht zu finden: Die Wertung Cascadias ist eher kleinteilig. Jede einzelne Landschaft (es gibt 5) wird gewertet, dasselbe dann noch einmal mit 5 unterschiedlichen Tiersteinen – die im Hauptspiel zudem alle unterschiedlich Punkte bringen (sowohl nach unterschiedlichen Regeln als auch unterschiedlich stark). Auch das kennt man von diversen R´n´Ws, ist aber nicht unbedingt der Teil, der mich an diesem Genre besonders reizt. In der Praxis ergeben sich durch die Tiersteinwertungen jetzt auch kein so großes Mehr an interessanten Entscheidungen gegenüber der „vereinfachten“ Wertung, bei Tiere analog der Landschaften gewertet werden. Dadurch wirkt die Wertung etwas wie ein Fremdkörper in einem ansonsten meditativ-einfachen Spiel. Hier fehlt mir die Eleganz und ehrlich gesagt auch die damit einhergehende Originalität in der Wertung.

Dass Cascadia nun begeisterter aufgenommen wird, als das von mir präferierte Calico liegt meiner Meinung nach an zwei Gründen: Der kleinere Grund ist das Thema, das einfach besser passt als Calicos Katzendecke und mehr verschleiert, dass es eigentlich eine abstrakte Punkteoptimierungsorgie ist. Vor allem aber bezieht Calico den Spielspaß auf der Spannung, ob die Pläne vielleicht am Ende doch noch aufgehen. Bei Cascadia dagegen werden praktisch gar keine langfristige Pläne geschmiedet – man lebt im Hier und Jetzt und macht das beste aus der Auslage. Da immer Punkte gemacht werden (nur eben unterschiedlich viele) ist das Spielgeschehen durchweg konstruktiv und das sich einstellende Gefühl positiv; alles geht irgendwie auf. Da die Wertung so diffizil ist, weiß zudem vor der Wertung keiner wo er eigentlich im Ranking steht – und dieses fällt damit aus dem Sichtfeld und erlaubt es die Landschaften und Tiergruppen zu bilden, die man gerne bilden möchte. Cascadia bleibt durchgängig meditativ ohne vor der Wertung zu einem Wettstreit zu werden. Das gefällt den Leuten in Zeiten wie diesen.

Cascadia kann übrigens online im Solomodus ausprobiert werden (meine bisherigen Versuche ergaben 100, 99, 100 und 100 Siegpunkte. Das mag Zufall sein. Oder „Groupthink“ falls man den Begriff in einem Solospiel verwenden kann. Wer bin ich und wenn ja wie viele?).

 

 

 

Peer Sylvester
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