spielbar.com

Circles

Autor: Thomas Sing

Verlag: Huch

Für 2-5 Spielende ab 7 Jahren (Zumindest wenn ein Mindestmaß an Ballkontrolle vorausgesetzt wird)

Spieldauer: 30 Minuten (Eher 15-20 Minuten für Western, 5 Minuten pro Person für Darts)

Die Schachtelgraphik ist insbesondere für Wenigspielende der erste Kontakt mit einem Spiel. Sie entscheidet oft bereits, ob man auf das Spiel im Internet klickt oder vor Ort aus dem Schrank zieht, um sich eventuell die Rückseite anzusehen. Dieser erste Kontakt muss also sitzen! Die Schachtelgraphik sollte neugierig auf das Spiel machen!

Oder zumindest kommunizieren, worum es geht .

Oder wer die Zielgruppe ist.

Und das  Cover von Circles? Meine erste Assoziation sind Kinderspiele á la Kackel-Dackel oder elaborierte Angelspiel-Versionen. Die Altersangabe wiederspricht dem allerdings erst einmal. Also meine zweite Assoziation: Diese Klick-Spiele, bei denen man gleiche Gegenstände zusammenschieben muss und die aus unerfindlichen Gründen eine Hintergrundgeschichte haben, bei der eine schwangere Frau von ihrem Mann verlassen wird und deswegen mit ihrem Baby in eine Ruine im Wald leben muss und erfriert, wenn man nicht schnell genug gleiche Gegenstände zusammenzieht (Ich weiß nicht wie groß dieses Marktsegment ist, aber basierend auf den Werbefilmchen, die ich so bekomme, ist es größer als ich je schätzen würde) (und ja, diese Filmchen haben etwas enervierendes und ich nutze den Platz einfach mal für einen kleinen Rant).

Was ich nicht unbedingt erwartet hätte: Ein Geschicklichkeitsspiel. Was ich (trotz oder wegen?) des Covers garantiert nicht erwartet hätte: Zwei Geschicklichkeitsspiele.

Beide Spiele basieren auf einem runden Spielplan, um die eine Stahlkugel herumgeschnipst wird. Das Feld, neben dem die Kugel landet, gilt. Roll&Move einmal anders interpretiert.

Alte Schachtelgraphik von Circles ohne thematische Einkleidung
Das provisorische Pressecover aus dem letzten Jahr zeigt den Spielverlauf recht gut und kommuniziert so klarer um was es geht. Ohne die thematische Einkleidung sieht das ganze nebenbei gediegener aus.

 

Das selbst ernannte „Anfängerspiel“ ist die Dartsvariante: Das Spielbrett ist eine Dartscheibe und hier trifft meine erste Assoziation eher zu als die zweite. Die Kugel muss mindestens eine halbe Umdrehung um das Brett machen, sonst ist der Schnipser ungültig. Und dadurch ist gezieltes Spielen kaum möglich, schon gar nicht für „Anfänger“ ohne Training. Das Problem ist dabei auch, dass eine Dartscheibe so gestaltet ist, dass sich hohe und niedrige Zahlen abwechseln und die Felder so klein sind, dass ein Treffer zur Glückssache wird. An „3x dasselbe Feld“ oder „drei nebenander liegende Felder“ zu treffen war nicht einmal zu denken. Stattdessen bietet diese Version aber elaborierte Kopfrechenaufgaben: Ich habe 23 Punkte und 18, 9, 11 und 4 getroffen – Wie viele Punkte habe ich jetzt? Antwort: ich zähle lieber die Punkte auf der Leiste runter, auch wenn die fummelig ist und ewig dauert. Abgesehen davon, dass das Ausrechnen der Punkte schwieriger und länger ist als das eigentliche Spiel: Warum Darts? Roulette hätte sich doch förmlich angeboten? Und aus den genannten Gründen nicht nur optisch („thematisch“ will ich das nicht nennen), sondern auch spielerisch, wenn man die Zahlen nach Größe sortiert und so keine kleinen Bereiche treffen muss. Es ist nicht die einzige merkwürdige Entscheidung bei die

Dartbrettsite
Das sieht… wie ein Dartbrett aus. Die Spirale in der Mitte ist die Punkteleiste

sem Spiel.

Beim nochmaligem Überlegen wäre eine Goldwäscherschüssel eine noch bessere thematische Einkleidung gewesen, dann gäbe es eine Verbindung zu Spiel 2 und das Cover hätte nicht zweigeteilt werden müssen.

 

Ich glaube es ist keine völlig hergeholte Hypothese, dass die Westernseite des Circles-Kreisplanes das „eigentliche“ Spiel darstellt. Hier darf man auch kleine Schnipser wagen – nur das Nachbarfeld ist tabu – und sein Zielfeld sogar mit „Tickets“ anpassen. Die Felder sind zudem mit unterschiedlichen Funktionen belegt und tatsächlich greift meine zweite Assoziation ein wenig: Mich erinnert diese Seite an kleine Klickspiele wo kleine „Spiele im Spiel“ dazu dienen, reich zu werden oder so (Hier ist es zufällig ebenfalls das Ziel reich zu werden , muss dann aber noch auf einem bestimmten Zielfeld landen. Das ist wieder sehr Roll&Move, aber mit den Tickets sogar recht bequem erreichbar).

Hier ist gezielteres Spiel möglich und man kann sich sogar einen kleinen Plan zurecht legen, z.B. gezielt zur Mine zu gehen oder im Saloon spielen und über Preisgeld gewinnen (wenn man gewinnt). Diverse Felder schütten Geld aus, z.T, sogar für alle, so dass das Spiel auch bei katastrophalem Schnipsen immer gegen ein Ende läuft. Das Spiel ist thematisch zumindest kohärent, auch wenn ein Mitspieler zu Recht meinte, dass außer dem Kugel-Geschnipse würde das Spiel nichts enthalten, was er nicht schon in seiner Kindheit in den 80ern gespielt hätte.

Wäre Circles ein normales Spiel, müsste ich mich jetzt über die komischen Entscheidungen, die in der Entwicklung getroffen wurden wundern, die ein bisschen den Eindruck erwecken, dass hier schnell ein Spiel für den Kugelmechanismus gesucht wurde: Das Cover (überhaupt das ganze Artwork) und die Darts/Roulette-Problematik habe ich bereits erwähnt. Aber auch in der Westernstatd finden sich merkwürdige Regeln: Die Bank scheint nur der Vollständigkeit (Es ist eine Westernstadt!) halber dabei zu sein, Geld dort aus Sicherheitsgründen zu lagern (und später wieder abzuholen) nimmt zwei Züge im Anspruch, die man mit deutlich konstruktiveren Füllen kann. Noch merkwürdiger: Man startet mit einem Lorenplättchen, dass einen den Zutritt zur Mine erlaubt. Nur: Man verliert es niemals! Die einzige Funktion des Plättchens: Beim Aufbau (!) steht „Wer will kann das Spiel etwas schwerer gestaltet und mit weniger Geld und/Oder ohne Lore beginnen.“ Ja, das kann man machen und ist vielleicht sogar sinnvoll – aber warum ist das nicht die Standardregel und man gibt das Lorenplättchen nur bei der ersten Partie – oder als Variante – dazu? Ist man sich der Zielgruppe zu unsicher? Auch dass ein Spiel im Saloon eine Partie u.U. fast sofort beenden kann, ist seltsam.

Doch das sind Nebenschauplätze. Das Spiel hier ist das Schnipsen der Kugel , der Rest ist Beiwerk, explizit dazu entwickelt, einen Grund die Kugel mehr (Westernstadt) oder weniger (Dartsbrett) gezielt zu bewegen. Und leider ist das zu wenig. Er bietet in den angebotenem Kontexten zu wenig, um interessante Spielverläufe oder Überlegungen zu erlauben. Für ein Gaudispiel ist das Scheitern zu häufig und zu folgenlos: Das schlimmste ist, dass man zeitlich 1-2 Schnipser zurückgeworfen wird. Die Einsätze sind hier zu niedrig. Aber vor allem: Wenn die Wichtigkeit des eigenen Schnipsens erst einmal als so gering eingestuft wird, dass die ersten Personen nur blind drauflos schnipsen und dadurch nicht wesentlich schlechter fahren, kippt die Stimmung und man lacht über das Spiel statt über sich selbst.

Und die Kinder? Auch meinen Kindern war das Geschehen am Tisch zu banal, zu langweilig. Die jüngere ist aber mit elf Jahren schon vier Jahre über dem Mindestalter. Die Regeln scheinen mir etwas zu fummelig für jüngere zu sein und auch wenn Sieben- und Achtjährigen vermutlich noch etwas mehr Freude am Wegnehmen von Krams oder an den Minispielen haben dürften, sind diese Geschehnisse ohne gute Schnipsfähigkeiten zu selten. Auch hier hängt sich Circles an Kleinigkeiten auf.

Da ist es schade um die nette Idee.

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)