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Updates zu Plagiatswatch und White Wolf – Charakterstudien

Vorweg ein paar kurze Updates zu den Einträgen von vor zwei Wochen: Crypto Cartel wurde erfolgreich abgeschlossen. Außerdem ist ein weiterer Bohnanza-Clon bei Kickstarter eingestellt wurden: Money Buns. Gab es bei Crypt Cartel noch ein paar Aktionskarten, so ist Money Buns regeltechnisch mit Bohnanza identisch (man beginnt allerdings mit drei „Bohnenfeldern“). Hier handelt es sich also ganz zweifelsfrei um ein echtes Plagiat. Kickstarter als Urheberrechtsfreie Zone.

Etwas bessere Neuigkeiten gibt es von White Wolf zu vermelden: Nicht nur haben sich die Macher entschuldigt, die kritischen Passagen wurden gestrichen und White Wolf wird in Zukunft sicht nicht mehr selbst kontrollieren, was diese Dinge betrifft, sondern die Firma Paradox als Kontrollorgan einschalten. Eine m.E. gute Entscheidung!

Und jetzt zum eigentlichen Thema: Andere Medien leben von Persönlichkeiten: Hamlet, Julia, Darth Vader, Sauroman, Elsa, Fluttershy, TOD, Seven of Nine, Dr. House, Black Widow, Ripley, Lara Croft, GlaDOS… Die Liste ist endlos.

Mir fallen nur sehr, sehr wenig Brettspielpersönlichkeiten (außerhalb von Lizenzprodukten versteht sich) ein: Bob aus Time Stories, ein paar Helden aus Sentinel of the Multiverse und die Abenteurer aus Lost Expedition. Warum ich die letzten kenne, sollte offensichtlich sein, aber was macht sonst einen Charakter zur Persönlichkeit? Und warum gibt es so verdammt wenige?

Ein kleines Problem ist sicherlich, dass wenig Spiele „World Building“ betreiben. Charaktere oder Bösewichte werden lieber aus fertigen Produkten genommen – aus einer IP wie Herr der Ringe oder aus Gemeingut wie Sherlock Holmes oder dem Lovecraft-Vermächtnis. Und selbst dann sind die Charaktere selten besonders gut ausgearbeitet. Bei welchem Lovecraftspiel hat man z.B. das Gefühl es wirklich mit einem interessanten Gegenspieler (im Form eines großen Alten) zu tun zu haben?

Das Hauptproblem ist schlicht, dass in Spielen selten bis nie eine Charakterisierung stattfindet, die über eine kurze Charakterbeschreibung hinausgeht. Spielercharaktere (also Helden) sind meistens identisch, vielleicht bis auf ein paar Werte. Und selbst Gegner in Kooperativen Spielen sind entweder gesichtslos (wie in Pandemic Legacy Season 2) oder auf Kampfwerte oder einen Mechanismus reduziert. Aber das macht einen interessanten Charakter nicht aus. Das Wort sagt es schon: Eine Person muss Charakter haben. Dazu müssen Handlungen von dieser Person identifizier- und nachvollziehbar sein. Die Spieler müssen die Meinungen und Motivationen nicht teilen (siehe Darth Vader), aber sie müssen einschätzen können, was diese Person antreibt.

Bob ist ein gutes Beispiel und das obwohl er ja eigentlich nur als Flavour Text existiert: Er wird selbst nicht beschrieben, aber seine Handlungen (also im Wesentlichen was er wann zu den Charakteren sagt) definieren seinen Charakter. Ebenso die Helden aus Sentinels: Jeder besteht aus einem Deck mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten. Selbst wenn man sich die Charakterbeschreibungen nicht durchliest, weiß man schnell, was für Typen hier dargestellt werden. Richtig tiefgreifend sind die Persönlichkeiten allerdings nicht, dazu wird in dem Spiel zu wenig Raum gegeben – es wird ja nur gekämpft.

Sicherlich sind Charakterisierungen in Spielen schwierig, da oft mit Regelaufwand verbunden, insbesondere wenn die Charaktere  „selbstständig“ handeln sollen. Aber andererseits sind Charaktere auch das Salz in einer narrativen Suppe. Mir fehlen gerade bei Storybasierten Spielen oft starke Charaktere, insbesondere interessante Gegenspieler, aber auch Nebenfiguren können eine Story zum Erlebnis machen. Ich wüsste keinen Bösewicht, der so interessant war, dass ich mir seinen Namen (oder seine Persönlichkeit) gemerkt hätte. Und was wäre Portal ohne GlaDOS?

Um es klar zu stellen: Mir ist natürlich bewusst, dass die meisten Spiele zu wenig Story haben, um Charaktere auszubilden. Aber selbst bei Storybasierten Spielen fehlen Charaktere. Die Stadt Lockholm aus den EscapeRoom-Spielen von Noris hat mehr Charakter als alle Figuren der Spiele (die Spieler spielen sich vermutlich eh selbst). Eine Reihe von Escape-Spielen um einen wiederkehrenden Bösewicht á la Saw würde sich aber anbieten. Auch kooperative Spiele könnten oft relativ problem problemlos ihren Gegenspielern mehr Gesicht geben. Wichtig ist halt: Show, dont tell! Ein Text alleine ist noch keine Story, ebenso wenig ein Charakter. Wenn sich der Text in den Handlungen wiederfindet, dann wird ein Charakter draus. Warum sollte das in einem Spiel nicht funktionieren?

 

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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