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Sky Team

Autor: Luc Rémond
Verlag: Scorpion Masqué / Kosmos
für 2 Spieler*innen
ab 10 Jahren
Dauer: 15 Minuten

Fliegen ist einfach. Landen ist schwer. Oder zumindest Teamarbeit. Im kooperativen Würfelspiel Sky Team müssen exakt zwei Spieler*innen zusammenarbeiten, um gemeinsam die Herausforderung des Spiels zu meistern. Wie auch bei einer realen Flugzeuglandung, sind es die Dinge, die im Hintergrund geschehen, die wirklich bemerkenswert sind. Sky Team zu spielen ist unerwartet einfach. Es gibt keine innovativen Würfel-Mechanismen, deren zielführende Anwendung man sich über mehrere Partien erarbeiten muss. Man würfelt hinter dem eigenen Schirm. Dann legt man abwechselnd Würfel auf vorgegebene Felder des gemeinsamen Spielbretts. Anschließend verschiebt man hier oder da ein paar Marker.

Es gibt auch keine ausgefallenen und neu gedachten Ansätze wie man die eigenen Handlungen miteinander koordiniert. Während einer Runde darf nicht kommuniziert werden. Zwischen den Runden darf man nur allgemeine Absprachen führen. Ohne viel Tamtam zeichnet sich die Herausforderung des Spiels ab. Wir müssen aus den Handlungen unseres Gegenübers ableiten, welche unserer Möglichkeiten am Sinnvollsten ist. Wir haben ein gemeinsames Ziel, aber um dieses zu erreichen, müssen wir erst verschiedene Hürden nehmen.

Spätestens hier zeigt Sky Team bereits, dass es aus kompetenten Händen stammt. Die Lesbarkeit der aktuellen Spielsituation steht an oberster Stelle. Ein Großteil der entscheidungsrelevanten Informationen lassen sich aus dem gemeinsamen Spielbrett ablesen. Der Rest wird in einfacher Sprache auf der Innenseite des eigenen Sichtschirms zusammengefasst. Das entlastet den Kopf. Wir können uns ganz auf unser Handeln und das Handeln unseres Teammitglieds konzentrieren.

Das Ergebnis ist ein Spielerlebnis, bei dem es schnell *klick* macht. Zugegeben, was Sky Team mechanisch anbietet, ist schwer als innovativ zu bezeichnen. Aber das zeigt vielmehr, dass das Gefühl etwas neues zu erleben eher ein Indiz für ein gelungenes Spiel ist. Es ist nur selten der Grund dafür. Auch ist der Regelumfang nicht so stark reduziert, dass man von der Eleganz des Designs verzaubert ist. Aber die Regeln sind thematisch gut geerdet und dank der visuellen Informationen auf dem Spielbrett schnell wieder ins Gedächtnis geholt. Die Präsentation ist jedoch nicht das Herausstellungsmerkmal des Spiels ist, auch wenn sie dennoch hochgradig kompetent gehandhabt wurde.

Sky Team brilliert, weil es eine sehr grundlegende Tugend des Spieldesigns befolgt: es bietet eine herausfordernde, aber schaffbare Aufgabe. Die bereits erwähnten Regeln wie auch die funktionsorientierte Präsentation arbeiten diesem Ziel zu. Das Spiel erscheint in seinen Grundzügen vertraut: sechs-seitige Würfel und klar erkennbare Orte, um sie zu platzieren. Aber Sky Team wirkt auch herausfordernd: Marker, Pfeile und Bereiche wecken Erinnerungen an die komplexe Armatur im Cockpit eines Passagierflugzeugs.

Im tatsächlichen Spiel wird diese Gedanke aufgegriffen und darauf aufgebaut. Wir haben unser Werkzeug (die Würfel) schnell im Griff; aber die Hürden die wir überwinden müssen, um das Spielziel zu erreichen, wirken auch auf das geübte Auge nicht trivial. Aber ganz egal ob unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt waren, wir versuchen es dennoch immer wieder gerne. Die Gründe weshalb Sky Team so packend und belohnend ist, gehen aber über Sky Team selbst hinaus.

Eine der relevantesten und wichtigsten Erkenntnisse, welche mit Hilfe eines Spiels vermittelt werden können, ist die Einsicht, dass wir alle von einander abhängig sind. Dass wir immer als Teil einer Gemeinschaft existieren und unser Handeln andere beeinflusst. Im gleichen Sinne ist unsere Freiheit zu wählen von den Entscheidungen anderer abhängig.

Es braucht nicht viel, um ein erfüllendes Spielerlebnis zu schaffen

Kompetitive Spiele betonen dabei immer und immer wieder die Notwendigkeit sich von anderen unabhängig zu machen. Gleichzeitig muss man aber genug Einfluss anzusammeln, um andere umgehend in ihren Bestrebungen einzuschränken. Nur so gelingt es am Ende das Spiels selbst zum Sieger gekürt zu werden. Es sind Spiele, die ein schmerzhaft pubertäres Verständnis von Selbst und Gemeinschaft bedienen: wir ärgern uns über unsere Mitstreiter, die uns unsere Freiräume aus Eigennutz wegnehmen. Es ist eine emotionale Tonlage, wie damals als unsere Eltern uns zwangen Hausarbeiten zu erledigen bevor wir Spaß haben durften.

Kurz gesagt: das kompetitive Spiel ist immer auch ein Rückschritt in das jugendliche Ringen nach mehr Selbstbestimmung. Im Spielen gegen andere greifen wir auf den emotionalen Rahmen eines Heranwachsenden zurück, der sich und anderen etwas beweisen muss. Entsprechend war das Aufkommen des kooperativen Spielgenres ein lange überfälliger Reifungsprozess des Mediums. Wir behaupten uns nicht mehr gegen andere, sondern erleben die Selbstwirksamkeit unserer Gemeinschaft. Unsere Identität als Gruppe entsteht nicht mehr dadurch, dass wir die Leiter aus Gewinner, Verlierer oder irgendwelchen Position dazwischen aushandeln. Stattdessen definieren wir uns über unsere gemeinsamen Ziele und Bemühungen. Der Schlüssel zu Kultur lautet immer Solidarität und diese wird durch unser kooperatives Spielen praktiziert.

Sky Team ist nicht darauf ausgelegt diese Unterschiede zu veranschaulichen. Aber es hilft sich diese Unterschiede zwischen den beiden Spielformen vor Augen zu halten, um zu verstehen, warum Sky Team eben so ein befriedigendes Erlebnis ist. Wir spielen Sky Team nicht „gegen“ eine Instanz wie einen automatisierten Gegenspieler. Man hat auch nicht das Gefühl man würde gegen die ausgeklügelten Herausforderungen des Designers antreten, wie es vielleicht bei einigen Escape-Spielen wirken kann. Die thematische Einkleidung von Sky Team lässt nicht ein mal eine Form eines „Gegners“ zu. Es gibt keinen Widersacher, der uns zu einer demütigen Niederlage zwingen will. Wie bereits erwähnt, ist Landen schwer. Weder der Flughafen, der Landeplatz, die anderen Flugzeuge oder das Wetter haben ein Interesse daran uns scheitern zu sehen. Alle am Tisch sind auf unserer Seite.

Es ist dieser Vertrauensvorschuss und die uneingeschränkte Unterstützung, die uns entgegengebracht wird, die das Spielerlebnis so erbaulich machen. Der Fokus liegt auf der Person, die uns gegenüber sitzt. Wir wollen sie genauso brillieren sehen, wie sie uns. Es ist dieses Hin und Her, das Sky Team so motivierend und erfüllend macht. Auch wenn Landen nicht immer einfach ist, sich gegenseitig zu unterstützen ist gar nicht so schwer.

Georgios Panagiotidis
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