Autor: Kosch
Verlag: Lookout /Asmodee
Für 2-5 Spielende ab 10 Jahren
Spieldauer: 40-60 Minuten
Wie jedes künstlerische Medium gibt es auch bei Brettspielen Trends. Nach den Arbeitereinsatz-orientierten komplexen Euros Post-Agricola geht dieser Trend jetzt verstärkt in die Richtung der großen Kartendecks mit vielen individuellen Karten, die sich mit ihren Spezialeffekten und/oder Wertungsmöglichkeiten aufeinander beziehen. Ursprünglich war der Einfluss der Roll&Writes und deren gegenläufige Wertungen spürbar, aber der Trend geht jetzt eher in die Richtung, dass mehr immer mehr ist, es bleibt nur die Frage „Wieviel mehr?“.
Der Vorteil dieses Ansatzes ist das Gefühl der Progression und der Belohnung. Ähnlich wie die Archievements bei vielen Computerspielen kann man nicht nichts erreichen. Die Spielenden werden also ständig belohnt, haben immer das Gefühl etwas zu erreichen. Das sorgt für ein positives Spielgefühl, zumal die Interaktion in der Regel eher indirekt ist, man sich also auf das befriedigende Puzzle der eigenen Auslage konzentrieren kann.
Doch eine weitere Kennzeichnung dieses Genres ist dass das Spielverhalten und -gefühl sich in den ersten Partien stark wandelt. Die ersten Partien sind durch starkes Experimentieren geprägt. Man hat noch keinerlei Erfahrungen und probiert erst einmal aus und erfreut sich an gefundenen Kartenkombinationen.
Mit steigender Erfahrung kristallisieren sich dann tatsächlich gezielte Strategien heraus, die stärker sind als „wildes Herumprobieren“. Die Frage nach dem Mehr rückt in den Vordergrund: Was lohnt sich? Was ist mit den aktuellen Karten möglich? Aus dem Experiment wird eine Effizienzaufgabe. Auch das kann reizvoll sein, viele Spiele beziehen ihren Reiz auf dem Effizienzpuzzle, insbesondere wenn Durchrechnen aufgrund des Zufallseinflusses nicht möglich ist. Doch das oben erwähnte potentielle Spielgefühl wird durch den Fluch der größeren Erfahrung konterkarert; wenn ich weiß, dass ich zwar viele Punkte hohle, aber nicht „viel genug“, dann kann das potentiell frustrieren. Eines der Vertreter des Genres, Tom Lehmanns The City, war dadurch gekennzeichnet, dass es (laut Autor) Zehn verschiedene prinzipielle Strategien gibt. Das Spiel war so transparent, dass man bereits mit der zweiten Partie mehr oder minder zufällig eine davon wählt (basierend auf den Karten, die man in den ersten zwei Runden bekommt) und dann nur noch hofft, dass die richtigen Karten dazukommen. Wenn Ja, hat man gute Gewinnchancen, wenn nein, ist es zu spät zum Umschwenken – die anderen sind enteilt. Dadurch fühlte sich das Spiel schnell uninteressant an.
Moderne Spiele versuchen die möglichen Strategien vielfältiger oder weniger transparent zu gestalten, aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es diese grundsätzlichen Strategien gibt. Auch bei Mischwald wird man bald feststellen, dass es effizienter ist, sich zu spezialisieren als auf allen Hochzeiten zu tanzen.
Die große Stärke von Mischwald auf dieser Ebene liegt an der Geradlinigkeit des Designs. Verglichen mit anderen Vertretern des Genres wie Ark Nova oder Erde ist Mischwald bemerkenswert schlank. Der Ablauf konzentriert sich auf das Ziehen oder das Spielen der Karten in die eigene Auslage, wobei bei letzterem Kosten in Form von Handkarten anfallen. Diese Handkarten bilden die offene Auslage und stehen so allen zur Verfügung.
Auch das Spielen der Karten ist klar und intuitiv gelöst: Einen Baum spielt man einfach so, alle anderen Karten sind zweigeteilt – Entweder links/rechts oder oben/unten. Diese Karten spielt man so an einen Baum, dass nur eine Seite zusehen ist. Graphisch unterstützt ist schnell zu sehen, was zu tun ist.
Die Effekte der Karten basieren auf diesem einfachen System und sind ähnlich schnell zu erfassen, sind aber belohnend genug, um zu motivieren. Es hilft, dass Mischwald kein Thema simulieren möchte, sondern es als Hilfe begreift, die Wechselwirkungen der Karten zu veranschaulichen: Ein Luchs im Wald braucht nun einmal auch Rotwild; daher punktet er auch nur, wenn eine entsprechende Karte zu finden ist.
Diese Schlankheit verhindert es nicht, dass Effizienz gnadenlos belohnt wird, aber man hat durch sie nicht das frustrierende Gefühl, zu viel Energie mit dem Pauken von Regelsystemen verbracht zu haben – man kann sich auf das Evaluieren der Karten konzentrieren und das ist der Teil, der Spaß macht. Gleichzeitig sorgt die allgemeine Ausnahme dafür, dass es – wie etwa bei The City‑ zu schnell zu einer Situation kommt, in der man der Exponentialfunktion der Punkteverteilung hoffnungslos hinterherläuft. Zu allermindest kann man immer hoffen, noch etwas brauchbares zu finden.
Mischwald ist kein Quantensprung in der Evolution der modernen Multifunktionskartenspiele; es macht nichts wirklich neu, genau genommen löst es nicht einmal die Probleme, für die dieses Genre bekannt ist (Wie Übersichtlichkeit, hoher Rechenaufwand oder eben der von nicht allen geliebte erwähnte Fokuswechsel). Aber es zeigt durch die Zugänglichkeit auf, wie viel überflüssiges Gepäck die anderen Spiele des Genres mit sich herumschleppen.
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