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Unheile Welten

Gibt es einen Messetrend? Wahrscheinlich interessiert das niemanden, aber ich habe in den Messelisten viele Spiele mit den Themen „Piraten“ und „Fantasy Monster bekämpfen in Variationen“ gesehen. Ich mag mich irren, aber ich glaube dies ist nicht die erste Messe, wo diese Themen dominieren.

Bevor jetzt jeder aufhört zu lesen: Ich will gar nicht die mangelnde Vielfalt an Spielethemen beklagen (das wurde hier und anderswo schon zu Genüge getan. Außerdem gibt es durchaus originelles zu finden, z.B. estische Geschichte oder ein Spiel zum Schneeballsystem von Ponzi). Mir ist etwas ganz anderes aufgefallen:

Von Zombies abgesehen gibt es keine Spiele über Dystopien oder Post-Apokalypsen (*). Das ist überraschend, denn in anderen Medien sind die geradezu omnipräsent. Gerade Dystopien sind im Moment schwer in Mode – man denke an Tribute von Panem, The Giver, Der Geschmack von Wasser und Divergent auf dem Buch (und z.T. auch Filmmarkt). Auch die Postapokalypse kommt immer gut, so z.B. Mad Max Fury Road im Kino oder Station eleven im (englischen) Buchmarkt. Der Spielemarkt ist davon gänzlich unbeeindruckt und dreht sich weiter um Piraten, Schlösser, Lovecraft, Raumschiffe und niedliche Tiere. Das ist natürlich völlig in Ordnung, aber warum ist das so? Man sollte zumindest ein paar Vertreter erwarten, sonst springt die Popkultur ja auch über. Man denke nur an die relativ große Anzahl an Superheldenspielen, die in den letzten Jahren im englischsprachigen Markt erschienen sind (In Deutschland sind Superhelden sehr unterrepräsentiert, vermutlich, weil auch die Comicszene hier eher klein ist).

Ich sehe zwei Hauptgründe:

Erstens erfordern Dystopien und postapokalyptische Szenarien eine Hintergrundegeschichte. Spiele wollen aber möglichst gespielt werden, ohne dass zusätzlich zu den Regeln auch noch viel Hintergrund erlernt werden muss. Daher sind Zombies so beliebt: Sie erfordern wenig an Erklärung. Dasselbe gilt für generische Fantasy- oder SF-Szenarien, in die man sich genauso  schnell hineinfindet wie in das italienische Mittelalter. Ein anderes Katatsrophenszenario oder eine elaboriertere Hintergrundgeschichte muss erst einmal vermittelt werden. Zumindest wenn Athmosphäre aufkommen soll (Das ist z.B. auch das Problem mit den Stefan Feld Spielen Aquasphäre oder Luna: Ohne Hintergrundwissen machen die Aktionen nicht allzu viel thematischen Sinn.)

Der zweite Grund ist, dass Eurogames naturgemäß wenig Platz für Thematik bieten. Gerade bei Dystopien geht es aber um eine Geschichte. Lässt man die weg, was bleibt dann noch? Den Aufbau einer Dystopie? Worin unterscheidet sich repressives Regime von einem Spieler, der den Meeples vorschreibt, wo sie ihre Kirche hinzubauen haben und ihre Arbeiter lebenslang ins Kloster stecken ohne zu fragen? Da ist spielerisch kein großer Unterschied. Diese Themen bieten sich eben eher für Spieler amerikanischer Tradition an. Was aber nicht erklärt, warum man die dort ebenfalls nicht findet.

Was mich interessiert ist, ob es funktionieren würde: Würde ein Verlag ein Spiel mit elaborierter Hintergrundgeschichte auf den Markt bringen? Gibt es da überhaupt einen Markt? Im Computerspielbereich werden Hintergrundgeschichten zum Teil ja sogar von Schriftstellern verfasst (z.B. Deus X oder IIRC Half Life). Nun sind Videospiele naturgemäßere Erzähler als Brettspiele, aber ich denke, es wäre einen Versuch wert. Allerdings nehme ich stark an, dass dieser Versuch am ehesten bei einem Kickstarterspiel zu finden sein wird.

ciao

peer

(Dieser Blogpost wurde ihnen präsentiert von Hideo Kojima)

(*) Gut, es gibt Euphoria, aber da ist die Hintergrundgeschichte letztlich völlig Banane.

 

Peer Sylvester
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