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Quo Vadis Asmodee?

2014 erwarb Eurazeo Asmodee und mit dem neuen Kapital wurde ordentlich eingekauft: Einige Verlage wurden gekauft (Mayfair, FFG), andere fusionierten mit Asmodee (Days of Wonder) und andere gingen feste Partnerschaften ein, blieben aber autonom. Die Brettspielwelt hatte ähnliches zuvor nicht gesehen (und auch abseits von Asmodee immer noch nicht) und man machte sich Sorgen, was mit den Verlage geschehen würde, wenn Eurazeo auf die Idee kommen würde, Asmodee und damit auch die einzelnen Studios aufzulösen. Immerhin hat Eurazeo nichts mit der Spieleszene am Hut, sondern ist nur daran interessiert den Marktwert zu steigern. Nun, das gelang jedenfalls. Einige Verlage (wie Heidelberger) sprangen wieder ab, oftmals auf Kosten von namhaften Marken, die bei Asmodee verblieben. Als Außenstehender ist das schwer zu beurteilen, aber die Bündelung an Verlagen hatte keine große Änderung im Output zur Folge.

2018 wurde Asmodee dann an PAI Partners weiterverkauft. Das war nichts persönliches, eine reine Geschäftsentscheidung, wie es in Mafia-Kreisen so schön heißt. PAI sah einfach mehr Wachstumspotential als Eurazeo. Kurzfristig war eine Änderung in der Strategie Asmodees wahrnehmbar: Es gab immer noch sehr viel, aber man konzentrierte sich mehr auf die großen Markennamen. Langfristig führte das aber wohl nicht zum gewünschten Erfolg – jedenfalls kehrte man zumindest ein wenig zu einem „breiten“ Portfolio zurück. Vielleicht lag es ein bisschen daran, dass mit Markenpflege keine Titel zu gewinnen sind und auch wenn sich große Marken nun einmal per Definition gut verkaufen, müssen zur Steigerung auch neue Marken hinzukommen. Und da sind in der Spieleszene Titel nicht unwichtig. Auch neue Partnerschaften wurden eingegangen. Ein Grund mag auch gewesen sein, dass die angestrebten alternativen Medien abgesehen von ein paar Büchern in den TIME Stories und Pandemie-Universen nicht verwirklicht werden konnten (Und ob die Bücher erfolgreich waren, weiß ich nicht)

2021 wurde der Staffelstab „Asmodee“ an  die schwedische Embracer-Group weitergegeben. Embracer ist eine Videospielfirma, die gerade auf großer Einkaufstour waren und insbesondere auch viele Marken kauften, z.B. Die Herr der Ringe IP, aber auch Computerspielewelten wie Deus X.  Ein bisschen war die Hoffnung in der Szene, dass jetzt zumindest ein Besitzer aus dem Spielebereich (wenn auch Videospiele) im Sattel sitzt, der die Nöte und Wünsche der Brettspielenden besser berücksichtigt. Umso ironischer ist, dass ausgerechnet Embracer jetzt ein großes Fragezeichen hinter die Zukunft von Asmodee setzt:

Embracer hat nach einer Reihe von Fehlkalkulationen (nicht zuletzt mit den erworbenen IPs) 1,4 Milliarden Dollar Schulden (entspricht dem BIP einiger Inselstaaten). Die Computerbranche allein hat satte  120Millionen Dollar Verlust eingefahren. Asmodee ist der einzige wirklich profitable Teil Ebracers: Mit 25% Wachstum und einem Gewinn von etwa 39 Millionen Dollar ist es mit Abstand das gesündeste Pferd im Stall. Nun wäre es sicherlich aus Geschäftssicht nicht ganz verkehrt ein winning Team nicht zu changen, aber Embracer ist – und das ist der Fachterminus – ziemlich verzweifelt. Nach vielen Entlassungen und dem Schließen und Abstoßen zahlreicher digitaler Entwicklungsstudios sollen jetzt auch „Umstrukturierungen“ bei Asmodee erfolgen. Was das bedeutet ist erst einmal offen. Ich sehe da einige Möglichkeiten:

1.) Man entlässt Leute, verkauft Studios etc. : Eine riskante Strategie. Asmodee ist für einen solchen großen Brettspielkoloss tatsächlich eher schlank organisiert (soweit man das als Außenstehender beurteilen kann). Viel wird sich nicht einsparen lassen, ohne dass der Verlag Schaden nimmt und an Marktwert verliert. Einen kleinen Vorgeschmack hat die deutsche „Content-Szene“ in Essen bekommen, wo ein neues (externes?) Team für die Pressearbeit zuständig war. Die Aufgabenverteilung zwischen Presseteam und der alten Presseabteilung schien aber unklar zu sein und der direkte Kontakt ist immer noch eher mit denselben Leuten wie vorher. Mmmh. Diese Strategie birgt das langfristige Risiko, dass sich die beteiligten Verlage von Asmodee abspalten, insbesondere wenn die Zusammenarbeit oder Autonomie nicht mehr funktioniert. Asmodee würde dann ausgerechnet die Kreativabteilungen verlieren und langfristig zu einer Art Vertrieb werden.

2.) Man konzentriert sich wieder auf kurzfristige Effekte und das heißt vor allem: Marken. Zug um Zug Legacy kommt daher zum richtigen Zeitpunkt (natürlich Zufall, so kurzfristig kann kein Legacy-Spiel entstehen). Bei Brettspielen sind glücklicherweise schnellere Strategiewechsel möglich als im Computerspielbereich, wo die Entwicklungszeiten länger und die die Kosten deutlich höher sind. Doch wie oben geschrieben: Langfristig funktioniert das im Brettspielbereich nicht. Ob kurzfristige Effekte ausreichen, um den Mutterkonzern wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen darf angesichts des Schuldenberges bezweifelt werden.

3.) Asmodee wird weiterverkauft. Angesichts der gesunden Zahlen und einiges an Marken (mehr noch als 2021) ist Asmodee sicherlich ein interessantes Paket- Dennoch ist es alles andere als klar ob sich ein Käufer finden würde, der auch nur die 2,75 Milliarden zu zahlen bereit wäre, die Embracer für Asmodee ausgegeben hat (und trotz aller Erfolge noch nicht eingespielt sind). Wenn ja, wäre Embracer mit einem Verkauf auf einen Schlag alle Schulden los UND hätte mit Asmodee sogar zumindest einen kurzzeitigen Gewinn erzielt. Was das für Asmodee bedeuten würde, bleibt offen, denn das hängt vom Käufer ab. Doch die Umstrukturierungen lassen dieses Szenario erst einmal unwahrscheinlich wirken – außer Embracer will noch schönere Zahlen produzieren, bevor ein Käufer gesucht wird. Vermutlich hat Embracer aber wohl noch was mit Asmodee vor, immerhin ist es der Teil, der läuft.

Was das für Asmodee oder die Brettspielszene bedeutet ist völlig offen. Ich persönlich bin wenig optimistisch. Die Befürchtungen von 2014 sind zurückgekehrt; Wenn ein Konglomerat wie Asmodee scheitert, bleibt das nicht ohne Folgen. Natürlich sind die ersten Leidtragenden die direkt angeschlossenen Verlage, die dann vermutlich erst einmal geschlossen würden bzw. ohne Kapital und/oder Personal dastehen. Aber auch die Partnerverlage müssen sich dann neu aufstellen, da zumindest Vertrieb, Presse und Lokalisation für andere Länder wieder selbst organisiert werden müssen. Ggf. müssen Stückzahlen neu kalkuliert werden, wenn es doof läuft sind mehr Spiele produziert worden, als jetzt verkauft werden können und das bringt dann auch Partnerverlage schnell in finanzielle Schieflagen. Und das ist nur Deutschland. An Asmodee hängt ja noch deutlich mehr dran: Da sind ganze Abteilungen für Forschung (Asmodee Research hat einen Vortrag auf der Educators Fair in Essen gehalten) und Markenpflege in anderen Medien beschäftigt, Asmodee USA hat ein eigenes Entwicklungsstudio. Hier wird sicherlich so oder so der Rotstift von Embracer angesetzt (Was brauchen wir Forschung?), aber es sind eine große Anzahl an Arbeitsplätze gefährdet. Für den Kunden werden viele Titel nicht mehr so ohne weiteres verfügbar sein und auch für die Spieleschaffenden wird es unangenehm, wenn ggf die Rechtelage unklarer wird oder Titel nicht produziert oder zumindest nicht weiter beworben sondern nur abverkauft werden.  Das Beben wäre vergleichbar mit dem Verlagssterben Ende der 90er Jahre. Ich sagte ja, dass ich pessimistisch bin.

ciao

peer

Für die Zahlen danke ich Mike von Boardgamewire @boardgamewire.bsky.social

 

 

Peer Sylvester
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