spielbar.com

Investoren gefällt das

Die zweitwichtigste Nachricht der letzten Wochen war, dass Asmodee in Verhandlungen mit der Embracer Group ist, die Asmodee für 2,75 MIlliarden $ kaufen wollen, also in etwa dem Preis der Spielbar-Domain (In der Pressemail war von „Verhandlungen“ die Rede, wobei m.E. die Bedingungen gemeint sind). Die Embracer Group ist immerhin eine Dach-Firma für diverse Spielesoftware-Ebtwicklungsstudios und so ist ein wenig die Hoffnung in der Spielewelt, dass Asmodee nicht mehr primär als IP-Wertobjekt in der Portfolioszene umhergereicht wird – den bisherigen Besitzern war es ja relativ egal, was Asmodee produziert, hauptsache der Wert steigt. Ein Spieleverlag als Investitionsobjekt. Ich glaube allerdings nicht, dass sich daran viel ändert, Asmodee operiert weiterhin autonom. Wenn überhaupt sehe ich eher die Gefahr, dass Embracer Studios/Tochterfirmen zusammenlegt, was eine komplette Ausrichtungsverschiebung bedeuten würde. Aber im Moment stehe ich dem ganzen neutral gegenüber.

Die wichtigste Nachricht aber war eine Ankündigung, auf die alle schon lange gewartet haben. Ja, ihr habt richtig gelesen! Endlich ist es soweit! Trommelwirbel….

KICKSTARTER STELLT AUF BLOCKCHAIN UM!!1!

Juchu!

...Ihr freut euch ja gar nicht?

Das ist nicht die Reaktion die Kickstarter erwartet hat. Liest man die Pressemitteilung, so sprüht die Ankündigung vor Buzzwords und ganz klar wird: „Alles wird besser!“. Was nicht klar wird: Warum wird Kickstarter auf Blockchain umgestellt? Wo genau liegen die Vorteile? Wie hilft Blockchain Kickstarter zu verbessern? Erst einmal herrschte entsprechend breite Skepsis in der Szene. Zahlreiche -auch nahmhafte- Verlage und „Creators“ haben Skepsis geäußert und suchen nach Alternativen. Restoration Games z.B. haben klar gesagt, dass sie nach Beendigung des aktuellen Projekts vermutlich auf Gamefound wechseln werden, wenn Kickstarter tatsächlcih Kurs hält. Das fast durchgehend negative Feedback hat dazu geführt, dass die Pressemitteilung um das FAQ ergänzt wurde, dass aber ebenfalls nicht erklärt, warum eigentlich gewechselt werden soll. Vorteile des Wechsels werden schlicht nicht genannt. Alles wird besser und moderner – das muss als Info anscheinend reichen.

Gut, wir wissen also nicht genau, warum der Wechsel gut ist. Aber warum könnte er denn schlecht sein? Ich gebe zu: Ich bin zu wenig in der Materie drin, um jetzt die tiefen programmiertechnischen Aspekte ausloten zu können. Allerdings gibt dieser Artikel einen Überblick: Blockchain kann demnach nur eine Sache gut: Cryptoverschlüsselungen. Das wird mit aber mit einem hohen Rechenaufwand, großer Bandbreite und der Speicherung zahlreicher Daten erkauft. Das sind durchaus Sorgen, die sich auch in der Kritik an Kickstarter wiederspiegeln (insbesondere, ob hier vielleicht Daten abgegraben werden sollen). Die Hauptgründe für das negative Backlash sind aber vermutlich (mein Eindruck, ohne eine Umfrage gestartet zu haben): Zugang zu Cryptowährungen und NFTs sowie der Umweltaspekt (Wie hoch der Rechenaufwand ist, hängt natürlich von der konkreten Aufgabe ab -aber wenn man das nutzt, was Blockchain kann, dann ist er vergleichsweise hoch. Und wenn nicht, braucht man Blockchain nicht, sondern kann eine andere Lösung wählen. Weder Kickstarter noch Celo stellen übrigens fest, dass ihre Rechenoperationen energieärmer sind, als andere Blockchain-Anwendungen).

In dem FAQ wird explizit geschrieben, dass auch in Zukunft mit normalen Zahlungsmitteln bezahlt werden kann. Das schließt eine Zahlung per Cryptowährung nicht aus. Cryptowährungen sind aber -vorsichtig formuliert – zumindest umstritten: Die fehlende Regulierung sorgt selbst in den besten Fällen für wilde Kursmanipulationen, es sind aber auch waschechte Betrügereien, Schneeballsysteme und sogar Diebstähle (Userdaten wurden einfach wieder entzogen und der Kunde verlor das eingesetzte Geld) bekannt. Auch Geldwäsche und der Benutzung in illegalen Aktivitäten steht weit oben auf der Liste der Vorwürfe. HInzu kommt noch die durch den hohen Rechenbedarf enorme Umweltproblematik für etwas, was ja nun wirklich nicht gebraucht wird. Ich gehe hier in diesem Block etwas näher drauf ein.

Einschub zur Umweltproblematik: Verschlüsselung kostet enorme Rechenpower (die genaue Höhe hängt von der konkreten Anwendung ab) , die sich wiederrum in der Energiebilanz niederschlägt und daher wiederrum den CO2-Austoß erhöht. Die Energiemenge, die durch Cryptowährungen verbraucht wird entspricht mittlerweile dem einiger ganzer Länder (ich nenne keine Zahlen, weil sich das täglich ändert). Nun benutzt Kickstarter Celo und die behaupten, es wäre eine „CO2-negatives Blockchain“, würde also tatsächlich die Anzahl an CO2 verringern. Das ist natürlich so direkt nicht möglich – keine Rechenoperation kann Strom gewinnen, der dann Energie irgendwo anders einspart. Stattdessen haben sie die Selbstverpflichtung (sic) die verbrauchte (doppel-sic) CO2 wieder irgendwo anders einzusparen. Das tun sie, in dem sie Umweltprojekte fördern und Bäume pflanzen. Prinzipiell natürlich besser als nichts – aber diese Vorgehensweise sehe ich eher als sinnvoll bei CO2-Ausstößen an, die sich nicht vermeiden lassen – Etwa bei der Stahlherstellung oder Fernflügen. Eine Rechenoperation, die im Prinzip auch anders durchgeführt werden könnte und nichts sinnvolles produziert – wie Crypto und NFTs – sollte man lieber gleich sein lassen. Denn natürlich ist die Rechnung, wieviel CO2 jetzt genau verbraucht oder durch ein Projekt wieder eingespart wurde nicht wirklich leicht. Natürlich wird Celo nicht härteste Maßstäbe an sich selbst anlegen, denn dann würde sie einen anderen Weg wählen; entsprechend sind  konkrete Berechnungsgrundlagen auch nicht zu finden. Nehmen wir das Pflanzen von Bäumen: Wie wird deren CO2-Anteil berechnet? Und vor allem: Auf welchen Zeitraum? Wird gesagt „Ein Baum adsorbiert in seinem Leben x Tonnen CO2“ oder wird nur das erste Jahr berechnet? Was passiert, wenn der Baum eingeht? Wenn der Baum brennt? Was geschieht mit den Bäumen wenn sie ein gewissen Alter erreicht haben? Werden sie zu Möbeln verarbeitet? Zu Grillkohle? Fällt man sie und lässt sie verrotten (und ihr CO2 so wieder ausgeben?) Die Fragen kann Celo nicht beantworten, weil all diese Überlegungen nur in einem Durchschnittswert stecken, der irgendwie mit einem anderen Durchschnittswert verrechnet wird. Und das ist im Vergleich zur Berechnung wieviel CO2 eine ZUKUNFTStechnologie, in deren ENTWICKLUNG Celo investiert noch eine verhältnismäßig klare Rechnung. Hier wird mit genauen Werten verschleiert, dass diese ganze „CO2-Negativitöt“ nur eine grobe Schätzung darstellt, die zudem auf unbekannten Vorraussetzungen (wie der Vergleichbarkeit von Zeiträumen) beruht. Weiterhin sagt Celo selbst nicht, dass ihre Rechenoperationen energiesparend wären- Cryptowährungen sind sogar explizit im Portfolio – dieses Thema wird gar nicht angesprochen, da ja alles durch Projekte/Bäume ausgeglichen werden soll.

Tl;dR: Selbst wenn Celo die Selbstverpflichtung ernst nimmt und auch ernst nimmt, wenn keiner guckt und/oder es dem Unternehmen schlecht geht, ist die sogenannte CO2-Negativitöt ein Fall von Greenwashing. Es ist besser als nichts, aber es sollte klar sein: Nicht viel besser.

NFTs sind etwas schwerer zu erklären: Vielleicht ein Vergleich: Es gab eine Zeitlang die Möglichkeit einen Stern zu benennen. Man bekommt eine Urkunde mit der Position des Sternes und dann steht dort : „Peers Lieblingsstern (oder wie man den auch immer nennt) ist jetzt in der Sternendatenbank eingetragen“ Nur: Diese Datenbanken gelten nur für die Firma, welche die jeweilige Sternenurkunden verkauft hat. Astronomen nutzen die nicht, nicht einmal andere firmen interessieren sich in der Regel dafür; im Prinzip weiß also keiner, der die Urkunde nicht sieht, dass der blaue Stern dort oben jetzt mein Lieblingsstern ist. Man zahlt also eine größere Summe für eine Urkunde, die einem das Gefühl gibt, man besäße einen Stern. NFTs sind nun im Prinzip dasselbe, nur dass man für eine digitale Urkunde bezahlt, die das Recht an einer bestimmten digitalen Bildkopie (!) vergibt. Wohlgemerkt: Nicht das Recht am Bild selbst. Das kann beliebig weiterkopiert wird. NFTs sind daher nichts weiter als bestenfalls ein Spekulationsobjekt und schlechtestenfalls ein Betrug.

Die Assoziation mit Crypto und NFTs ist sicherlich der Grund für den Backlash, den Kickstarter erlebt. Es dürfte auch der Grund sein, warum Kickstarter diesen Weg geht – beides sind aus Investorensicht der “ heiße Scheiß“ und Kickstarter dürfte genau auf dieses Interesse abzielen. Das ist auch der Grund für die Pressemitteilung, die zeigen soll, dass Kickstarter ein tolles, modernes Unternehmen ist. Das umgekehrt diejenigen, die Kickstarter tatsächlich nutzen weniger begeistert sind, zeigt die Schwächen eines Wirtschaftssystems auf, bei dem der Inhalt weniger zählt als der Anschein – wie bei Asmodee, die als ihr eigenes Wertsteigerungsobjekt gehandelt werden. Es wird spannend sein zu sehen, ob Kickstarter den Weg konsequent weitergeht und ob tatsächlich die großen Macher abwandern und so eine echte Konkurrenz zu Kickstarter aufbauen, die dann auch von den kleineren Kreativen genutzt werden können, die bislang noch auf die Reichweite von Kickstarter angewiesen sind. Wenn Kickstarters Blockchain-Abenteuer tatsächlich zu mehr Konkurrenz auf dem Crowdfundingmarkt führt wäre das tatsächlich eine positive Entwicklung, die Kickstarter da angestoßen hat. Nur halt nicht so, wie sie dachten.

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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