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Es grünt so grün: Village Green

Sommerbetrieb auf der Spielbar: Wie in den letzten Jahren auch, bedeutet das ein etwas geringerer „Output“ an „Content“, wie das so schön in „Neudeutsch“ heißt. Dafür gebe ich dieses Jahr eine Vorschau auf meine „Essen“-Neuheiten. Ich beginne mit der kleinen Neuheit: Village Green von Osprey Games.

Der Designprozess war eine Ode an das Wegnehmen von Mechanismen…

Begonnen hat alles bereits 2007. Ich wollte ein Legespiel mit Gartenthema machen, weil ich a) Legespiele mag und b) meine Mutter sehr gerne mal ein vernünftiges Gartenspiel spielen wollte (Durchs Gartenjahr hatten wir, ist aber ein reines Kinderspiel). Ich hatte die tolle Idee drei Blumentypen zu benutzen (Rose, Tulpe, Nelke) und jede Blume in drei Farben (blau, rot gelb) anzubieten, sodass es 9 Kombinationsmöglichkeiten gab. Bernd Eisenstein war so nett mir eine passende Graphik zu basteln. Und dann habe ich schnell festgestellt, dass das Spiel, was mir vorschwebte absolut nicht funktionierte. Das einzig gute daran war der Titel: Beeten. Also habe ich das Projekt erst einmal auf Eis gelegt.

2015 hatte ich nach verschiedenen Fehlversuchen wieder einen vielversprechenden Ansatz: Man legt die Karten in ein eigenes 3×3 Raster. Karten zeigen eine der Blumen und orthogonal benachbarte Karten müssen in mindestens einem Element (Blume oder Farbe) übereinstimmen. Dieser Mechanismus ist und war der Kernmechanismus in allen Iterationen von Beeten. Um das Raster herum darf man nun Punktekarten legen, die bestimmen, wie (und ob) die entsprechende Reihe/Spalte gewertet wird. Um da ein paar mehr Möglichkeiten zu haben, zeigt jede Blumenkarte außer der Blume noch ein anderes Merkmal, z.B. eine Birke oder eine Statue, die weitere Punktmöglichkeiten erlaubt:

An diesem Kern hat sich insgesamt sehr wenig geändert. Natürlich haben sich die Karten ein bisschen verändert – verschiedene Kartenzahlen, verschiedene Systematiken was die Motivverteilung und -Anzahl betrifft und vor allem die Punktekarten wurden ständig verändert und angepasst (insbesondere ist jede Punktekarte einzigartig, so dass niemand dieselbe Karte zweimal in seinem Karten hat, was langweilig wäre).

Was sich massiv geändert hat ist, wie man diese Karten bekommt. Ganz ursprünglich wollte ich gemäß meines Credos „Jedes Spiel braucht mindestens 2 originelle Mechanismen“ einen Mechanismus haben, wo man entweder Karten ausspielt oder alle ausgespielten Karten für sich beansprucht. Dazu braucht es aber einen Mechanismus, der verhindert, dass jemand einfach immer nimmt und niemals gibt und… Jedenfalls war das zu kompliziert. Tatsächlich habe ich den „Nimm-Mechanismus“ immer weiter vereinfacht. Der Grund ist: So sehr ich auch gerne mit cleveren Ideen um mich werfen würde, so sehr muss man den Kern des Spieles im Auge behalten. Und der Kern von Village Green ist das Puzzlen des eigenen Gartens. Der Schwerpunkt liegt darin, Karten zu finden, die nebeneinanderpassen (weil ja immer die Blumen passen müssen) und Wertungskarten zu finden, die möglichst zur Auslage passen oder umgekehrt. Alles was von diesem Kern ablenkt muss weg. In der entscheidenden Designphase waren tatsächlich meine Eltern meine Haupttester (ich weiß, eine Todsünde ;-) ), denn die spielen ja gerne, aber wollen keine mechanischen Extravaganzen. Und letztlich sind sie auch Teil der Zielgruppe.

Am Ende ist das Kartennimmsystem praktisch Rommé: Karte nehmen, Karte ausspielen (entweder in die eigene Auslage oder abwerfen). Einmal im Spiel darf man eine Sonderaktion machen (da kommt der Vielspieler durch). Da das Spiel endet, wenn jemand seinen Garten voll hat oder einer der Nachziehstapel durch ist, muss man die Balance finden zwischen „Optimieren“ und „Überhaupt was zum werten haben“.

Osprey habe ich das während der Essener Spielemesse angeboten – nach einem stressigem Tag haben wir das zu dritt in der Hotellobby gespielt und der häufigste Kommentar war „Thats a very pleasant game!“ und ich glaube das beschreibt Village Green gut: Es ist unglaublich schön (nicht mein Verdienst, sondern der von Joanna Ross, der Graphikerin), es ist puzzlig, es ist entspannend und schnell gespielt, hat aber durchaus interessante Entscheidungen – die sind ja vielleicht mein Markenzeichen und das ist natürlich auch hier so.  Ich würde es mit Arboretum vergleichen, wobei ich eine weniger verquere Wertung benutze, was die Einstiegshürde senkt…. (und ich will letzteres nicht schlecht reden, ich hab das durchaus auch im Schrank stehen). Wer aber einen geistigen Wettkampf á la König von Siam /The king is dead sucht, sollte vielleicht eherr noch zwei Wochen warten, bis ich Polynesia vorstelle… Village Green ist vom Anspruch eher bei Lost Expedition– und wenn es ähnlich gut ankommt, bin ich glücklich.

ciao

peer

Peer Sylvester
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