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Werkstattbericht 2018

Die Ferien beginnen bald in Berlin und jetzt ist es schon fast kleine Tradition, dass ich einen kleinen Werkstattbericht des letzten Jahres schreibe. Hier ist übrigens der aus dem letzten Jahr.

Die letztes Mal angekündigten Lost Expedition, Big Cityz und 2+2 sind alle wie geplant erschienen. Schön, wenn etwas klappt! Lost Expedition hat sogar seine erste Auflage noch im Dezember abverkauft, erst seid Februar ist es wieder verfügbar. Tatsächlich ist ja für Essen eine Erweiterung angekündigt: The Fountain of Youth & Other adventures wird den realistischen Hintergrund zugunsten einer etwas „pulpigen“ Ausrichtung verlassen. Ein Grund dafür war dass im Prinzip fast alle realen Gefahren des Dschungels im Grundspiel schon enthalten waren (sieht man von ein paar Krankheiten wie Leischmaniose ab, die aber nicht sehr appetlich aussehen). Außerdem bietet der fiktionalere Hintergrund auch mechanisch einige Vorteile, aber da will ich nicht zu viel verraten. Das ganze wird aus mehreren Modulen bestehen, die kombiniert werden können, aber nicht müssen.

Einige Konzepte werden hier auch eingeführt, die sich dann in Judge Dredd wiederfinden. Judge Dredd basiert auf dem Lost-Expedition-System, spielt aber natürlich in der Comicwelt des Antihelden. An beiden Lost-Expedition-Kästen bin ich übrigens eher beratend beteiligt: Ich bringe eigene Ideen ein, aber sehr viele Konzepte kommen auch von den Redakteuren bei Osprey. Ich darf aber natürlich immer meinen Senf dazu geben. Das ist eine spannende Sache, denn andere Leute haben natürlich noch einmal eine andere Sichtweise! Vom Erfolg dieser Boxen hängt ab, wie es mit Lost Expedition weitergeht, eine Fortsetzung in einem anderen Setting habe ich durchaus auf dem Schreibtisch, obs dazu kommt muss das Publikum (mittels Geldbeutel) entscheiden.

Noch etwas schneller nämlich wohl im Juli erscheint mein Chiffre bei Gmeiner. Die Idee zu Chiffre hatte ich schon vor Jahren, als ich mit meiner Tochter zum Spielplatz ging: Im Prinzip (damals noch) Zahlen raten für zwei Personen, in dem man seine nicht benutzten Ziffern zum Raten nutzt – so grenzt man einerseits die gegnerischen Ziffern ein (weil er „höher“ oder „tiefer“ sagen muss – bei gleichen Zahlen darf man lügen), zeigt aber auch, welche Zahlen man selbst nicht benutzt hat. Problem 1: Bestimmte Zahlenkombis konnte man nicht logisch erschließen. Problem 2: Ein ähnliches Spiel kam bei einem Amerikanischen Verlag raus. Irgendwann hatte ich die Idee aus dem puren Zahlenraten ein Wörterraten zu machen. Es folgten ein paar entsprechende Änderungen und das Spiel funktionierte deutlich besser als das Urspiel! Es ist ein schnelles, kleines Wörterknobelspiel für zwei und macht genau was es soll. Nur: Welcher Verlag? Zweipersonenwörterspiele sind nicht gerade weit oben auf den Wunschlisten der Redakteure. Gmeiner macht Zweipersonendeduktionsspiele, aber sie müssen im Krimimilieau spielen. Also erfand ich eine passende Geschichte á la The Departed und anscheinend kam es beim Redakteur gut an. Doch es gab ein Materialproblem: Es waren zu wenig Karten! So wäre das Spiel nicht innerhalb der normalen Reihe produzierbar gewesen, also musste eine Variante her. Jetzt müssen die Codewörter aus einem bestimmten Bereich stammen. Funktioniert gut, kann man aber auch weglassen…

Das im letzten Werkstattbericht erwähnte Polynesia ist „verkauft“, d.h. ich habe einen Vertrag unterschrieben – aber erst für 2020. Das dauert also noch etwas. Bei Hilfe wir wollen alle sterben sieht es auch ganz gut aus, Verlag hat Interesse, unterschrieben ist nichts. Doors, Dodo und Brian Boru liegen bei Verlagen, Erstkontakt macht immer noch seine Runden. Knowledge kam gut an, aber der Verlag wollte lieber ein kooperatives Quizspiel (Kneipenquiz ist ja sehr erfolgreich), was aber kein Problem ist – das System lässt sich leicht entsprechend ändern.

Jetzt hatte ich ab so November die seltene Situation, dass ich alle größeren Langzeitprojekte abgeschlossen hatte und sozusagen wieder neue Projekte starten konnte. Leider ist November/Dezember die große Schulstresszeit und Anfang des Jahres hatte ich große Probleme mit einer kreativen Blockade – Ich habe nicht wirklich viel gebacken bekommen. Ein kleines Kartenspiel ist entstanden, dass aber in verschiedenen Runden sehr unterschiedlich ankommt. Außerdem hatte ich eine Mini-Idee für ein Kinderspiel, die sofort funktioniert hatte und jetzt bei einem Verlag liegt. Das klingt toll (ist es auch), aber ich habe nicht das machen können, was mir eigentlich vorgeschwebt hat. Ich hoffe es wird über die Sommermonate besser, aber sowas lässt sich ja nicht planen. Um mich ein bisschen einzugrooven, habe ich einen alten Prototypen wieder hervorgeholt und da ein bisschen rumgebastelt. Ob der wirklich besser geworden ist und nicht nur anders, müssen Testrunden zeigen. Sowas ist immer ganz gut, um nicht gleich ein Megaprojekt stemmen zu müssen. Als nächsten Schritt habe ich jetzt ein Spiel mit irre viel Bastelarbeit – hoffentlich ist die nicht umsonst! Immerhin kann ich jetzt Zeit an einem Spiel verbraten, ohne mich selbst unter Druck zu setzen, etwas produzieren zu müssen. Wenn ich damit fertig gespielt habe, habe ich hoffentlich wieder die Energie und den „Mind Set“ mich an die sehr schwierigen, aber hochinteressanten Projekte zu setzen (das wird auch davon abhängen, ob das Plkättchenspiel einigermaßen was taugt): Den „geistigen“ Wir sind das Volk-Nachfolger Aufbau Ost, das kooperative Zweipersonenspiel über den Nordirland-Konflikt, ein Mittelkomplexes Spiel über modernen Goldhandel und das Spiel über den Bau des Panamakanals, dass ich mittlerweile schon zweimal in die Tonne gekloppt habe. Das sind alles Projekte, wo sich mein eigener  Erwartungsdruck sich kontraproduktiv auf den kreativen Prozess auswirkt. Die gute Nachricht: Sollten die irgendwann tatsächlich was werden, dann werden sie gut. Mal sehen.

ciao

peer

Peer Sylvester
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