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Die Angebot und Nachfrage Problematik

Falls es aus meinen unterschiedlichen Kommentaren im Internet nicht schon ersichtlich war: ich bin ein großer Freund von starker Interaktion zwischen Spielern. Dabei geht es mir gar nicht darum, dass diese Interaktion aggressiv und zerstörerisch ist. Ich kann konfrontativen Angriffsspielen nur selten etwas abgewinnen, und begrüße es wenn sie schon nach kurzer Zeit vorbei sind. Ein Spiel wie Memoir ’44 etwa punktet bei mir vor allem wegen der kurzen Spieldauer. Mir gefällt bei Spielen vor allem die Interaktion zwischen Spielern und weniger zwischen Spielerrollen. Ich spiele, um mich mit meinem Gegenüber auseinanderzusetzen. Ich will mit der Person zu tun haben, mit der ich im Wettstreit bin; nicht mit ihrer Strategie.

Daher ist es durchaus überraschend, wie auch enttäuschend, dass ich den sogenannten Verhandlungsspielen wenig abgewinnen kann. Von den angeblichen Verhandlungselementen, die einige Spiele für sich in Anspruch nehmen, ganz zu schweigen. Nichts davon liefert mir das, was ich in solchen Spielen suche. Zumindest nicht in einer Form, die ich genießen kann.

Meine Schwierigkeit mit solchen Spielen, lässt sich am Besten an Hand der „Angebot und Nachfrage“-Dynamik erklären, die diesen Spielen zu Grunde liegen soll. Im weit verbreiteten Laienverständnis umschreibt man damit ein Verhältnis in dem ein Spieler etwas besitzt, was ein anderer Spieler gerne hätte. Wenn man nun dieses Verlangen bzw. diesen Mangel erstmal festgestellt hat, kann der Besitzende einen beliebigen (oft bis an die Grenze ausgereizten) Preis festsetzen, den der Mangelleidende zahlen muss. Alternativ verzichtet er auf darauf, und das Spiel muss ohne erfolgreichen Tausch weiter gehen.

So weit, so ausbeuterisch und von einer Vielzahl an Spielentwürfen legitimiert. Wer mehr hat, kann die auspressen, die weniger haben und dem Sieg immer näher rücken. Monopoly hat es uns allen vorgemacht und uns heimlich, still und leise davon überzeugt, dass es nicht nur gut, sondern auch rechtens ist, wenn der eigene Reichtum durch den Bankrott der Mitspieler erkauft wird.

Nicht Adam Smith

Selbst das von mir aus unterschiedlichen Gründen geschätzte (Die Siedler von) Catan, fällt in der Praxis öfter der Logik des Ausbeutenden zum Opfer, als dass der Tausch und Handel mit Rohstoffen eine gegenseitige Bereicherung darstellte, so wie es sich Adam Smith damals erträumt hat.

Nun mag man hier gern widersprechen, wenn man nur den unmittelbaren Vorteil zweier Spieler durch einen Tausch vergleicht. Wenn ein Spieler mit Holz noch einen Stein braucht, um eine Siedlung zu bauen und ein Spieler mit Stein noch ein Holz braucht, dann gewinnen durch einen solchen Tausch doch beide, oder nicht?

Es braucht keinen großen strategischen Weitblick, um den Fehler in diesem Gedankengang offen zu legen. Es braucht genau genommen nur die Erfahrung wie eine typische Catan-Runde zu Ende geht. Nämlich damit, dass sämtlicher Handel mit den Mitspielern eingestellt wird, sobald diese gefährlich nahe an die 10 Siegpunkte kommen, die ihnen zum Spielsieg fehlen. Denn der Tauschhandel bereichert eben doch nicht alle gleichermaßen. Er bereichert immer den, der durch die ertauschte Ressource direkt Punkte sammeln kann. Handelsspiele, die ähnlich wie Catan Ressourcen zum Tausch frei geben, tragen meistens die gleiche Problematik an den Tisch. Spieler ringen eigentlich alle um die gleiche, seltene und äußerst wertvolle Ressource: Siegpunkte.

Der einzige Kontext in dem sich Angebot und Nachfrage ideal entfalten kann, und ein Handel mit mehreren Nutznießern entsteht, setzt unterschiedliche Wertemaßstäbe bei den Handelnden voraus. Nur wenn beide Spieler tatsächlich unterschiedliche Werte haben bzw. komplementäre Ziele verfolgen, ist freier Handel die Folge.

In vielen Spielen soll „freies Handeln“ für verstärkte Interaktion zwischen den Spielenden sorgen. Oft nimmt sich der Spieldesigner selbstlos heraus den Bereich ganz unreglementiert zu lassen. Aber wie auch im echten Leben ist jeder Bereich, der ohne Regeln ausgestattet ist, nur im naivsten Sinne frei. In Wirklichkeit entsteht ein Vakuum in dem sich Machtgefälle etablieren können und Unterdrückung die Folge ist. Als Fallbeispiel verweise ich hier gerne auf die Diskussionskultur in unmoderierten Foren und anonymisierten Kommentarlisten.

Glücklicherweise kann so etwas im Rahmen einer Spielrunde nur in seltenen Extremfällen dermaßen ausarten. Die selbstverständlichen Grenzen des sozialen Miteinanders verbieten hier, dass jemand über die Strenge schlägt. Stattdessen liefern diese Spiele einen Rahmen in dem man seine Mitspieler versucht übers Ohr zu hauen. Meist passiert das, indem man seinen eigenen Vorteil herunterspielt, oder den Zugewinn des Handelspartners deutlich betont. In manchen Fällen wird auch zu anspruchsvolleren Taktiken wie Nörgeln, Zutexten oder (in manchen Kriegsspielen) sogar Einschüchtern gegriffen.

Alles dies sind Vorgehensweisen, die von Spielen eher selten reglementiert werden. In meinen Augen führt aber genau das zu einem unschönen Handelsspiel und wenig bereichernden Spielerlebnis. Der Reiz sich im sicheren Umfeld eines Spiels wie ein gewiefter

Einer der Punkte, die mich von Donald Trump unterscheiden

Schwindler, raffinierter Halsabschneider oder ausgefuchster Betrüger aufzuführen, lässt sich natürlich kaum von der Hand weisen. Eskapismus ist und bleibt eine absolut legitime Facette dieses Hobbies. Allerdings vertrete ich die augenscheinlich radikale These, dass Handel kein Null-Summen-Spiel ist.

Ich bin der Ansicht, dass ein Spiel Handel derart umsetzen kann und sollte, um die Bereicherung darin zum Vorschein treten zu lassen. Ein Spiel, welches erste, zögerliche Schritte in diese Richtung unternimmt, ist das von WizKids vertriebene Sidereal Confluence: Trading and Negotiation in the Elysian Quadrant. Zwar ringen auch hier Spieler um Siegpunkte, jedoch erlangen sie diese auf leicht unterschiedliche Wege. Hinzu kommt, dass der genau Stande der Siegpunkte erst am Ende des Spiels aufgelöst wird. Erfahrene bzw. vorgeschädigte Handelsspieler achten jedoch schon ab der ersten Runde darauf wer besonders produktiv aus einer Runde geht. Meistens mit der Folge, dass Handelsbeziehungen mit diesem Spieler in der Folgerunde unterbunden werden, um so den eigenen Sieg nicht zu erschweren.

Womit wir uns wieder am Anfang meiner Unzufriedenheit befinden. Die auf so starke Interaktion ausgelegten Verhandlungsspiele münden unweigerlich in der Verweigerung dieser Interaktion, eben weil sie der eigentlichen Zielsetzung des Spiels zuwiderlaufen.

Vielleicht gibt es ja den einen oder anderen angehenden Spieleentwickler, der sich dieses Gordischen Knotens annehmen möchte?

Georgios

P.S. – Eine ausführlichere Besprechung von Sidereal Confluence: Trading and Negotiation in the Elysian Quadrant kündige ich hier schon mal an. Wann sie genau fertig ist, kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen. Aber ich behaupte mal, dass es passiert bevor Trump das Weiße Haus verlässt. Aus verschiedenen Gründen bleibt daher zu hoffen, dass das recht bald passieren wird.

Der vielleicht zweit-dümmste Spielname der Welt

 

 

Georgios Panagiotidis
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