Das Internet ist so groß geworden, dass ich mich manchmal darin verlaufe. Jedenfalls weiß ich nicht mehr wo, aber ich bin irgendwo über eine Diskussion gestolpert, in der sich ein Buchautor darüber beschwerte, dass er sich mühen muss, um über die Runden zu kommen, während ein Buch wie 50 shades of grey, das „dahingeschriebener Schlunz“ ist, zum weltweiten Bestseller wird, der sogar verfilmt wurde. Nun der Mann hat seinen Beruf nicht verstanden – wie sagte Dieter Bohlen schon: „Man darf nicht erwarten, dass das Musikbusiness gerecht ist“. Und das gilt für alle künstlerischen Berufe.
Auch ich werde gelegentlich gefragt, ob mich Erfolge von so manchem Spiel nicht befremden. Überraschenderweise lautet die Antwort: Nein! Mir ist bewusst, dass ein großer Erfolg zu nicht unerheblichen Teil auch Glückssache ist. Umgekehrt gibt es auch viele Gründe, warum Spiele, die ich als Rezensent ablehnen würde, kommerziell erfolgreich sind. Das ärgert mich nicht (mich ärgert eher ein durchschnittlich-mäßiges Spiel ohne originelle Ideen, dass dennoch veröffentlicht wurde, während meine tollen, super-originellen Megaspiele abgelehnt werden ;-)). Ich bin aber auch in der komfortablen Lage, dass ich nicht vom Spiele erfinden leben muss und daher machen kann, was mir gefällt – auch wenn es vielleicht geringe Aussicht auf Veröffentlichung oder gar Erfolg hat (was nicht bedeutet, dass ich was dagegen hätte, einen Hit zu landen ;-) )
Ich dachte aber mal, ich schreibe ein paar Zeilen über ein paar kommerziell m.W. sehr erfolgreiche Spiele, die einen schlechten Ruf unter Spielern haben und beschreibe was der Connaisseur ablehnt und warum das Spiel dennoch ein Erfolg ist. Nicht beachten werde ich Lizenzprodukte, die sich in erster Linie über den Namen verkaufen (wie die Legospiele). Auch die Klassiker sind schnell abgehakt: Die werden eben viel gekauft, weil sie bekannt sind und überall zu haben.
Black Stories: Bis ich vor kurzem über eine Rezension darüber gestolpert bin, war mir nicht bewusst, dass diese Spiele einen Autoren haben (Holger Bösch), denn diese Rätselgeschichten gibt es schon seit mindestens 30 Jahren, also viel länger als die Black Stories (die älteste mir bekannte Quelle stammt aus den 80er Jahren, aber ich denke es gibt sie schon viel länger). Als „Laterale“ sind sie in der Literatur bekannt (insbesondere seien die Bücher von Paul Sloane erwähnt) – einige Rätsel tauchten auch in dem Spiel Mindtrap auf. Mit anderen Worten: Wir haben es hier mit einem klassischen Traditional zu tun. Und das bezieht sich nicht nur auf die Struktur (Nur Ja/Nein – Fragen erlaubt, Rätsel oft verblüffend und/oder abstrus), sondern auch auf viele Fälle. Der Autor hat diese Rätsel also im Prinzip nur gesammelt und sich ein paar neue ausgedacht (so steht das im Prinzip auch im Regelheft bei moses). Insofern ist der Erfolg der Black Stories nicht überraschend: Die Spiele hätten sich als traditional nicht so lange halten können, wenn sie nicht irgendwie was taugen würden. Es ist natürlich eine ganz spezielle Zielgruppe – im Prinzip sind die Spiele ja eher Rätsel, die gemeinsam gelöst werden – und für die sind die Spiele gut. Ich persönlich kenne eigentlich so ziemlich jede Geschichte aus der ersten Schachtel, aber das macht das Spiel ja nicht schlecht. Was den Wenigspieler hier fesselt, sind die Simpel-Regeln und die Kommunikation – man erzählt sich zusammen eine Geschichte und kann jederzeit aufhören oder über etwas anderen reden. Und man hat den Drang ein Rätsel zu lösen und dieser Drang ist doch recht groß. Was man jetzt daraus ableiten kann: Man sollte sich die traditionellen Spiele ansehen! Tatsächlich ist das aber keine neue Erkenntnis: Werwölfe oder Stille Post Extrem sind auch aus Traditionals entstanden und zumindest ersterem ist auch größerer Erfolg beschiehen.
Munchkin: Ich habe mir damals die Amerikanische Erstaufgabe gekauft, sobald die in Deutschland verfügbar war. Ich habe früher viele Rollenspiele gespielt und mit uns ehemaligen Rollenspielern hatten wir viel Spaß an den ersten ein, zwei Partien. Allerdings kann ich kaum nachvollziehen, was daran reizt, mehr als diese zwei Partien zu spielen – denn der Spielreiz speist sich in erster Linie eben aus den Klischees und Rollenspielwitzen, die das Spiel bereithält. Wer sich alle Karten durchliest hat einen vergnüglichen Abend gehabt – und den größten Teil des Spielwitzes verbraucht. Tatsächlich gibt es aber viele Rollenspielrunden, die immer wieder Munchkin spielen – und eben diesen Reiz mittels den zahllosen Erweiterungen aufrecht erhalten. Auch hier ist das Spiel eher Vehikel für gemeinsames Blödeln, das der Kommunikation zwischen den Spielern nicht im Weg steht.
Cards against Humanity: Ich habe schon viel über CaH geschrieben: Einmal über den Verlag und einmal (Im Rahmen des Plagiatswatches) über die Wurzeln des Spieles und die Verwandschaft zu Apple to apples und Wie ich die Welt sehe. Im Prinzip ist CaH einfach eine Lückentextversion von Apple to Apple, allerdings eine, die von sehr krassen Antworten und Fragen lebt. Ich muss gestehen, mir war lange nicht klar, wie krass die Antworten sind – „provozierend“ ist das doch stark untertrieben. Am besten schaut man sich Wil Wheatons Tabletop-Episode an, um einen Eindruck zu bekommen. Auch hier ist das Spiel eher Vehikel für gemeinsames Rumblödeln. Es bildet sich durchaus ein Muster heraus. Bei CaH kommt aber noch ein weiterer Faktor hinzu: Es erlaubt den Spielern ungestraft Un-PC zu sein und Tabus zu brechen. Das kann man durchaus positiv sehen. Ich habe aber ein ganz anderes Problem mit dem Spiel: Mir ist das nicht nur unangenehm, mir gibt das Spiel auch noch das Gefühl, das wäre etwas schlechtes. Ich darf kurz ausholen: Ich habe kein Problem mit Guillotine oder auch mit Fuck You Motherfucker (bei dem man Schimpfworte legen muss). Ich halte den Humor von CaH aber für doch sehr infantil (Oho, er hat „Sperma“ gesagt) und vor allem zu 90% rein darauf begrenzt zu provozieren. Das ist nicht mein Humor. Und ja, ich finde es auch nicht super z.B. „Schwarze Schwänze“ in einen Bezug mit dem Holocaust zu setzen. Aber gut, jeder zieht seine Grenzen anders. Was ich Cards against Humanity nicht vorwerfe ist, dass es solche krassen Aussagen erlaubt oder dass andere daran Spaß haben. Was ich dem Spiel vorwerfe, ist dass es mir nicht erlaubt, so etwas doof zu finden. Ich kann nicht anders als solche Karten zu spielen und wenn ich das nicht mag, bin ich ein humorloser Spielverderber, der alles zu ernst nimmt und nicht mal abschalten kann. Ein Spiel muss aber auch erlauben, dass man es nicht mag. Und daher gehört Cards against Humanity tatsächlich zu den paar Spielen, die ich niemals mehr anfassen möchte. Zum Glück ist es hier nicht sehr verbreitet (Bäm kenne ich nicht aus eigener Anschauung, weiß daher nicht wie viele Provokationen die Umarbeitung überlebt haben)
Fluxx: Nach Munchkin ein weiteres Spiel, dass ich im Original gekauft habe und für ganz witzig befunden habe, was ich aber nicht wirklich spielen muss. Und ein weiteres Spiel, dass eben erfolgreich ist, weil es witzig ist und viele, viele Reinkarnationen mit neuen Witzen (und z.T. auch spielerischen Neuerungen) erlebt hat. Wie Munchkin ist es ein reines Glücksspiel, bei dem Karten irgendwelche unvorhersehbarenb Effekte auslösen, wobei Fluxx noch deutlich weniger Struktur hat als Munchkin. Beim vierten Beispiel sollte klar geworden sein, was diese Spiele gemein haben: Sie sorgen für Spaß und Kommunikation, wobei die Spiele selbst eher Eisbrecher sind und der gemeinsamen Zeit zwischen den Spielern nicht im Weg stehen. Und das ist genau der Unterschied zwischen diesen Vieren und den Spielen, die Vielspieler bevorzugen: Vielspieler wollen Spielen und stellen das Spiel in den Mittelpunkt – die Regeln, die Entscheidungen, der Wettstreit. Zumindest bei diesen vier Spielen geht es nicht um das Spiel, sondern um das gemeinsame. Man lacht zusammen, man macht etwas zusammen und streng genommen ist es egal was. Das Spiel sorgt für Kommunikation und ist der Ausgangspunkt für eigene Anekdoten, Geschichten usw. Wer gewinnt ist dabei ziemlich egal. Und die Regeln prinzipiell auch.
Da das eine ganz andere Ausrichtung ist, als das was ich gerne mache und ich halte gerne erfinde, was ich gerne spiele, bin ich den Spielen nicht böse, dass es sie gibt. Ich bin den Autoren nicht neidisch. Diese Spiele decken eine andere Spähre ab, als meine Spiele, sie könnten genausogut ein anderes Medium sein. Warum sollte mich deren Erfolg daher ärgern?
ciao
peer
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[…] dieses Spiel zu empfehlen, denn der Autor ist Max Temkin, der Autor von Cards against Humanity. Und das mag ich gar nicht.Ich hatte daher auch gedacht: „Und jetzt provoziert er eben mit Hitler“. Aber […]