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6 sind 2 zu viel

Meine Spieleabenden erfreuen sich nie dagwesener Beliebtheit. Das ist schön. Was mir aber aufgefallen ist: Wenn ich Absacker, Filler und Kinderspiele abziehe, bleiben von meinen 20 Essenneuheiten gerade einmal 4 „Hauptgänge“ , die ich mit mehr als vier Leuten spielen kann: Isaribi, Panthalos, [Redacted] und Kingsport. Als Resultat spielen wir in letzter Zeit verstärkt wieder ältere Titel (zuletzt z.B. Das Amulett und Workshop of the World). Nun gab es es schon immer deutlich mehr „Vierer“ als „Fünfer“ aber so extrem ist mir das bislang nicht aufgefallen – daher habe ich mich gefragt: Ist das Zufall oder Trend?

Nun bin ich ein kleiner Spieleblogger, nicht die NY Times, also habe ich geschätzt: Ich habe bei Boardgamegeek für die Jahre 2015,  2014, 2013 und 2005, 2004, 2003 (10 Jahre früher) die Anzahl der Spiele ermittelt, die man mit höchstens vier Spielern spielen kann und die Anzahl der Spieler, die man auch mit 4 (aber auch mit mehr als 4)  Spielern spielen kann

(Anmerkung: dadurch verliere ich alle Spiele, für die man mindestens 5 Spieler braucht. Ich denke aber, dass der Anteil dieser Spieler eher gering ist – auch wenn Werwölfartige Spiele in den letzten Jahren zugenommen haben dürften).

Nun zeigt BGG leider keine Trefferanzahl an und ich habe mich dauernd verzählt. Ich habe daher das Ergebnis weiter vereinfacht, in dem ich einfach nur die Seiten gezählt habe. Es ging mir ja eh um einen etwaigen Trend – für eine genaue Untersuchung müsste man länger in die Daten eintauchen (es kommen ja noch Reprints dazu und ggf. Kinderspiele etc. raus).

Wie zu erwarten war, ist die Gesamtanzahl der Spiele der letzten zwei Jahre gegenüber 2003/4 stark gestiegen – die Anzahl hat sich knapp verdoppelt. Daher ist lediglich der relative Anteil interessant. Also: Von allen mit vier Spielern spielbaren Spielen, wie hoch ist der Anteil, der Spiele, die man nur (max.) zu viert spielen kann?

2003: ca. 38%

2004: ca. : 35%

2005: ca. 35%

2013: 40%

2014: 41%

2015: 40%, allerdings ist dies ja noch kein voller Jahrgang.

Offenbar hat sich der Anteil an Spielen, die höchstens zu viert spielbar sind, erhöht. Was könnte der Grund dafür sein?

Denkbar wäre ein wirtschaftlicher Grund: Es wird weniger in großen Gruppen gespielt als vor 10 Jahren und die Verlage reagieren darauf. Mal abgesehen davon, dass meine persönliche Beobachtung eine andere ist, wüsste ich nicht warum das der Fall sein sollte – es wird (weltweit gesehen) mehr gespielt. Ich glaube nicht, dass die Anzahl der Gruppen, die aus fünf oder mehr Spielern bestehen relativ zur Anzahl der Vierergruppen gesunken sind.

Spielerisch gibt es aber eine Reihe von Gründen, warum man eine Grenze bei 4 Spielern zieht:

Material: Jeder Spieler braucht sein eigenes Material. Auch das neutrale Material muss in der Regel erhöht werden; Bei Deckbauspielen etwa macht es oft sinn, wenn zu viert (oder zu fünft) mehr Karten zur Verfügung stehen, als zu zweit. Material will aber gespart werden. Spiele werden eher zu viert gespielt als zu fünft, daher spart man am fünften Spieler, insbesondere wenn das Material aufwendig ist. Ich vermute z.B. dass dies der Hauptgrund sein dürfte, dass Black Fleet auf vier Spieler beschränkt ist. Den umgekehrten Fall sieht man bei Caverna: Der Verlag ist hier das Risiko eingegangen gleich 7 Spieler zu unterstützen – Trotz Materialfülle und daraus resultierendem Preis von 70€. Das Risiko konnte der Verlag nur eingehen, weil das Spiel als „Rosenberg bei Lookout“-Spiel (und als Agricola-Nachfolger) auf eine zuverlässige Fanbasis zurückgreifen konnte. Doch das ist eine Ausnahme.

Nun ist die Materialqualität in den letzten zehn Jahren enorm gestiegen und damit auch der Preis. Jeder zusätzliche Spieler kostet den Verlag also richtig Geld (und damit wird das Spiel teurer). Das Material wird aber nicht der einzige Grund sein, denn sonst gäbe es deutlich mehr Erweiterungen auf 5-6 Spieler, als vor zehn Jahren. Das ist aber nicht der Fall (von meinen 16 Essenneuheiten, die nur zu viert gehen, ist m.W. gerade einmal eines – Rifugio – auf mehr als 5 Spieler erweiterbar). Selbst bei Kickstarter kommt „Material für ein zusätzlichen Spieler“ nur sehr selten bei den Stretch Goals vor, obwohl sich das gerade da anbieten würde. Also liegt es am…

Spieldesign: Jeder zusätzliche Spieler bringt zwei Dinge ein: Einen zusätzlichen Chaosfaktor (wenn das Spiel einigermaßen interaktiv ist) und zusätzliche Grübeldauer (wenn das Spiel nicht gerade gleichzeitig abläuft). Ein Spieler mehr bedeutet, es ist beim klassischen „Im Uhrzeigersinn Züge durchführen“ ein Spieler mehr an der Reihe. Das dauert, insbesondere wenn es etwas zu überlegen gibt. Und es tut sich mehr auf dem Spielbrett, bis ich wieder an der Reihe bin – das sorgt einerseits für noch mehr Überlegungspotential und verringert meinen Einfluss. Und das mögen Spieler nicht, zumal das eine das andere noch einmal verschlimmert (Spiele mit wenig Einfluss sollten eher kurz sein, während Spiele mit viel Einfluss auch mal länger dauern dürfen).

Hier liegt meines Erwachtens auch der Hase im Pfeffer: Der Trend bei den Eurogames ging in den letzten zehn Jahren zum komplexeren Spiel. Eine höhere Komplexität bedeutet: Mehr Verwaltung und mehr Grübelei. Da ist der Grübelfaktor (und damit die Spieldauer) schon bei vier Spielern hoch – weitere Spieler treiben die ins Unerträgliche. Auch gibt es oft gar nicht den Raum für so viel Interaktion – die Spiele sind ja meistens nicht auf direkte Konfrontation ausgerichtet und da bedarf es Platz – die Spieler müssen sich in mehr Richtungen ausbreiten können, ohne dass jemand abgeschnitten wird.  Auch das Ausbalanzieren für verschiedene Spielerzahlen ist bei komplexen Spielen aufwendiger als bei einfachen (es gibt mehr Stellschrauben) und auch das spricht gegen allzu viele Spieler. Ich erinnere mich an eine Partie Ecclipse zu neunt – durch die hohe Spielerzahl wuchsen die kleinen Ungerechtigkeiten durch den Zufallsfaktor „Plättchen blind ziehen“ exponential – Je mehr Spieler, desto größer die Chance das ein Spieler echt viel Pech (oder Glück) hat. Ohne Ausgleich sinkt da der Spielspaß.

Je mehr ich darüber nachdenke desto sicherer bin ich: Der Trend zum „komplexen Vielspielereuro“ sorgt für eine Verstärkung des Trendes „Spieleranzahl maximal zu viert“.

Ich hoffe, dass sich dieser Trend wieder etwas abschwächt – Im Interesse meiner Spielegruppe ;-)

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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5 Kommentare

  • Hallo!

    Es ärgert mich auch oft, wenn viele sehr gute Spiele bei 4 Leuten enden.
    Bei meinen Spielen war es mir immer wichtig, diese auch bis 5 Spielern möglich zu machen (bis auf PAX – denn hier sind die Wartezeiten zu lange, wenn die Spieler, das Spiel nicht so gut kennen).
    Sicher gibt es auch viele Spiele, bei denen die Wartezeit zu fünft exorbitant zunimmt. Die Gesamtspieldauer dagegen finde ich bei einem guten Spiel vernachlässigbar.
    Das Spielmaterial kann je nach Spiel dieses um sicher 5 – 8 € teurer machen.

    Viele Grüße
    Bernd

  • Mir war das nach der letzten Messe auch aufgefallen, ich hatte einen fünften Mann am Tisch und konnte gleich einen ganzen Stapel der ausgesuchten Spiele wieder weglegen. Aber objektiv betrachtet, ist eine Erhöhung von 35% auf 40% jetzt nicht so dramatisch.
    Als Spieler nerven mich die ganzen 4er-Spiele gewaltig, weil ich fast immer mehr Leute beim Spieleabend dabeihabe, insbesondere wenn es keine Spieler sind sondern Normalos. Diese Leute kann man ja auch nicht auf zwei Gruppen aufteilen.

  • Wobei die Erhöhung von 5% sich auf alle Spiele des Jahrgangs bezieht. Leider ist mir keine schnelle Methode eingefallen, wie man schnell die Absacker und kurzen Spiele herausfiltert. Da sehe ich nämlich keine Probleme.
    Man sagt ja, dass sich die Schere zwischen Viel- und Wenigspieler weiter öffnet. Eventuell öffnet sich auch die Mitspielerschere: Vielspielerspiele werden immer mehr auf 4 Spieler festgenagelt, alles Kleine (z.B. auch Werwolfvarianten) kann mit mehr Spielern gespielt werden.
    @Bernd: Ich habe mir jetzt auch vorgenommen, verstärkt auf eine 5-Spielertauglichkeit zu achten ;-)

  • Hallo zusammen,
    ersteinmal danke für den tollen Beitrag.

    Ich möchte auch einmal kurz etwas zum Thema sagen. Vor kurzem haben wir das Brettspiel „Donnerloch“ entwickelt – ist zwar keine Messeneuerscheinung in Essen gewesen ;) aber wir haben Wert darauf gelegt, dass man es auch mit 5 oder 6 Spieler spielen kann bzw. es war uns ganz besonders wichtig.

    Das Problem hierbei sehe ich wie Peer schreibt auch bei den Kosten – vielen sind ein paar Euro für ein 6-Spieler Game zuviel, wenn man z. B. von Anfang an weiß, dass man es max. zu Viert spielen wird.

    Wir haben daher überlegt und sind den Weg des Erweiterungs-Sets gegangen, in dem einfach weiteres Spielematerial beiliegt – das Spiel selbst ist für bis zu 6 Spieler bereits ausgelegt sowie Spielregeln, Auswertungstool etc.

    Ein weiteres Problem, das wir aber beim Entwickeln hatten war, dass die Spielregeln teilweise mehrmals geändert werden mussten, damit es auch für 5 oder 6 Spieler noch flüssig zu spielen ist, genauso wie Anfangskapital etc.
    Wir mussten aber gleichzeitig auch den Spagat schaffen, dass man es zu Zweit noch spielen kann, denn es soll mit 2-6 Spielern funktionieren.

    Die Proberunden mit 6 Spielern waren dafür viel unterhaltsamer als mit 4 Spielern ;) – in direktem Bezug auf unser Brettspiel kann man auch erkennen, dass das Spiel mit 5/6 Spielern viel kommunikativer war als zu Viert.
    Die Handelsphasen bei 4 Spielern sind oft nicht vorhanden, bei 6 Spielern wollte jeder feilschen um seine Position irgendwie möglich zu verbessern.
    Auch war es interessant Grüppchenbildungen feststellen zu können – man konnte sehen, dass einige sich irgendwie geistig verbündeten, während
    bei 4 Spielern nur Einzelkämpfer vorzufinden waren.

    Ich war in unserem Falle sehr überrascht, dass ein Spiel mit 4 und 6 Spielern vom Ablauf so unterschiedlich sein kann.

    Peer, danke noch einmal für diesen Blog hier und Deine wirklichen tollen
    Artikel, die Du schreibst!

  • […] großen“ Viererunden. Das hat mit Spieldynamiken und Spieldauer zu tun und ich habe bereits drüber geschrieben. Aber auch das „untere“ Ende der Spielerzahlen sind Sonderfälle: Zwar gibt es […]