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Restaurants sind für die Menschen der 80er das, was Theater in den 60ern war

Das Kino war am Anfang das Fernsehen. Es gab den Film, aber es gab auch die Nachrichten und alles. Als das Fernsehen in die Häuser kam, haben die Kinos alle den Untergang heraufbeschworen. Heute sind das Fernsehen und das Kino sehr funktionsfähig nebeneinander. Fernsehen ist nicht nur Film sondern auch Serie und Nachrichten und vieles mehr. Und Kino bietet ein Erlebnis mit Riesenleinwand und entsprechenden Boxen, was die wenigsten bei sich zu Hause am Fernseher nachbilden können. Die Eroberung des Wohnzimmers war für Filme ein Schritt in die Richtung weiter wachsen zu können, denn für Filme gab es eine Zweit- und Drittverwertung.

Kommen wir zu Spielen. Der wichtigste Unterschied zwischen einem Film und einem Spiel ist das ein Spiel nicht alleine konsumiert wird (Sprichwörtlich bestätigen Ausnahmen wie Freitag das). Man trifft sich mit Freunden und spielt gemeinsam. Das soziale Erlebnis steht im Vordergrund. Und doch interessanterweise kenne ich niemanden, der alleine ins Kino geht. Es ist auch ein soziales Ereignis, bei dem vorher geredet wird, nachher auch über den Film, und alle ihn einfach zusammen erleben wollen.

Und dennoch werden Spiele immer noch so produziert, dass sie für das Heimische Wohnzimmer gemacht werden. Eine andere Tatsache sagt mir dass es so nicht bleiben kann. Die Zahl der Spielewochenenden in Hotels oder Jugendheimen, wo die Leute nur Spielen, Schlafen, Spielen, Essen, Spielen und Spielen ist in den letzten Jahren gefühlt stark nach oben gegangen. Während ich früher nach Mitspielern manchmal suchen musste, ist es inzwischen oft so, das unser heimischer Mittwoch auch mal mit 12 Leuten etwas voller ist als ich unterbringen kann. Gleichzeitig gibt es Ein-Tages Spielefeste an mehreren Stellen in der Stadt über das ganze Jahr verteilt und die Zahl der öffentlichen Spielegruppen ist auch größer als ich es wahrnehmen könnte. Das nebenbei der Michael mit seinem Laden, der Spielwiese, oft am Limit oder drüber hantiert zeigt, dass die Leute dies als entsprechende Freizeitgestaltung wahrnehmen.

Aber was fehlt sind mehr Kinos. Oder genauer formuliert: mehr Läden. Ich unterscheide da nicht zwischen Ludotheken, Spielecafes, oder auch nur einfachen Verkaufsläden mit Spielfläche. Es gibt einfach zu wenige von ihnen in der Summe.

Meine beruflichen Wurzeln stecken in TCGs. Schon 1996 wurde erkannt, dass regelmäßiges Spielen die Leute an ein Produkt bindet. Wer sich mehr damit beschäftigt, ist auch bereit mehr Geld dafür auszugeben. Die Spanne die ein Mensch sich mit etwas beschäftigt steigt mit der Möglichkeit diese Investition auch in Spielzeit zurückzubekommen. Zusätzliche Preise sind nett aber nicht dringend notwendig. Wer nicht genug Freunde zum Spielen hat findet in den Läden, bei den Turnieren und den Ligen neue Freunde und häufig auch die Anerkennung, die er im alten Umfeld nicht bekommen hat.

Nun ist es so, dass bei Spielen keine langjährige Investition in derselben Form nötig ist, und dennoch kenne ich viele die, wenn sie Blut geleckt haben, anfangen mehr zu spielen und mehr Spiele zu kaufen. Das Verlage Ludotheken, Spielecafes und auch Spielevereine wie Ali Baba oder das Spielezentrum Herne unterstützen ist da nur ein logischer Schritt. Aber es gibt immer noch zu wenige. Ein Problem das Verlage selbst nicht wirklich in den Griff bekommen können.

Dabei wäre ein Schritt, dass mehr Läden neben der reinen Verkaufsfläche auch Spielfläche hätten. Deutschland hat ein so dichtes Netz an Spieleläden wie kein anderes Land der Welt, aber die wenigsten von ihnen bieten auch die Option an dort zu spielen. Wir brauchen eine größere Spielekultur außerhalb der Wohnzimmer. Die Spielwiese in Berlin ist auf Ihre Art ein Traumladen. Das Snakes and Lattes ist auch speziell. Aber wo sind die Flächendeckenden Läden wo jeder zum spielen gerne hingeht? Läden, die mal was anbieten können. Läden, die spezielle Themenabende machen können oder Extraaktionen.

Ich möchte das Spieleläden für die Menschen in den nächsten 100 Jahren das werden, was Kinos für die Menschen in den letzten 100 Jahren war. Und nicht nur der Oscar die Leute zum lange wachbleiben anregt, sondern die Spiel des Jahres Verleihung ebenso.

Matthias Nagy
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11 Kommentare

  • Solche „Spiele-Kinos“ gibt es schon – zumindest in Hannover. Dort hat der örtliche idee+spiel-Laden jeden Freitag einen Männerspieleabend eingeführt, der so erfolgreich war, dass nun auch weitere Abende dort gespielt wird: http://www.idee-spiel-hannover.de. Der Eintritt ist mit 30-40 Euro zwar happig, aber das scheint dem Erfolg keinen Abbruch zu tun. Erstaunlich, wenn man sonst Diskussionen über die Preise einzelnen Spiele ins Verhältnis zu einem einmaligen Kinobesuch setzt. Vielleicht macht das Beispiel ja Schule – es wurde gerade mit einem Service-Innovationspreis ausgezeichnet.

  • Diese „Männerspielabende“ sind da aber doch etwas anderes. Da geht es ja nicht um klassische Gesellschaftsspiele. Die spielen mit elektronischem Spielzeug und führen Geschicklichkeitsspiele durch. Und Pokern und Knobeln gehört auch noch dazu.
    Am Preis finde ich auch nichts happig. Wenn man 4 Stunden Billard spielen geht, dann zahlt man dafür auch schon 20-40 Euro für einen Tisch. Dort hat man noch eine ganze Menge mehr „Spielzeug“ zur Verfügung.

    Für Läden dürfte das mit der Spielfläche schwierig werden. Neben der reinen Fläche bräuchten die dann noch eine ganze Menge an Spielen, die sie nicht verkaufen werden. Das dürfte für die viele Läden keine Option sein, da das Geschäft auch so schon hart genug ist.
    Mit Kinos lässt sich sowas auch nicht wirklich vergleichen. Kinos bieten einen echten Mehrwert und das Filmerlebnis ist ein ganz anderes. Zudem erscheinen die Filme immer noch zuerst im Kino und die DVD/BluRays sind anfangs auch nicht wirklich günstig.
    Ein Spielecafé oder ähnliches ändert ja wenig am Spielerlebnis. Es wäre was anderes gäbe es dort spezielle Versionen der Spiele (edleres Material, bemalte Figuren oder was einem sonst so einfällt), aber so spielt man das gleiche Spiel an einem anderen Ort (und nicht selten wäre das heimische Wohnzimmer durchaus gemütlicher).
    Für solche Cafés sehe ich auch in der Zukunft nur einen Nischenplatz. Man erreicht damit auch keine neuen Leute.

    Spielwochenenden dagegen sind wieder was anderes, das ist ein Erlebnis für sich. Aber auch damit werden in erster Linie eingesessene Spieler erreicht.

  • @Christian:
    Das ist tatsächlich nett und geht definitiv in die richtige Richtung, aber hat mit unserem Hobby nur sehr am Rand was zu tun. Einzig Anno Domini ist mir als Gesellschaftsspiel aufgefallen.

    @Florian:
    Interessanterweise gibt es genügend Läden die dennoch Spiele öffnen und dem Kunden anbieten im Laden zu spielen. Das Spielbrett in Berlin (http://www.spielbrett-berlin.de) macht dies seit vielen Jahren und kann sich gut halten.

  • Ich denke, die Mischung macht’s. Wenn man alle möglichen Spielarten anbietet – und eben auch Brettspiele, dann kann man die Menschen sehr wohl neugierig machen und auch an „unsere“ Spiele heranführen. Man sollte den Begriff „Spiel“ m.E. nicht so begrenzt sehen. Auch werden da ja inzwischen nicht nur Männerabende angeboten. Diese Eventform ist in jedem Fall ausbaufähig.

  • Hallo Matthias,

    wenn Du mir sagen könntest, warum sich 40.000 Interessen für die Münchener Spielwies´n finden lassen, aber jahrelang nicht mehr als 50 Personen für einen Spieletag bei schönster Kulisse auf einem Chiemsee-Schiff – dann wäre mir sehr geholfen. :-)

    Wie? Du spielst mit Deinen vielen Freunden lieber auf beengtem Raum daheim?
    Wo doch die Clubs wie Pilze aus dem Boden sprießen?
    Wie kommt´s?

    Meine Brettspielgruppe hatte letztes Jahr mehr als 60 Veröffentlichungen in den regionalen Printmedien – mit einer rechnerischen Reichweite von 1,5 Mio Leserkontakten.
    Pressemappe http://www.facebook.com/media/set/?set=a.371345866271834.85142.225097240896698&type=1&l=9ca7d397f9
    Aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen, dass es der Brettspielgruppe nicht an Popularität fehlt.
    Aber sich NICHT daheim dem Gesellschaftsspiel widmen? Dafür fehlt vielen meiner Kontakten das Verständnis.

    Dass es den Clubs auch anders gehen kann, siehe ich bei Thoule, Karlsruhe – am zahlenden Vereinsmitgliederstand von 2.000. Aber dafür darf dann auch der Bürgermeister der Gemeinde ganz dicht hinter Dir stehen. Tja – und wenn nicht? Dann geht halt wenig…

    Liebe Grüße
    Nils

  • Hallo Nils,

    es klingt bei dir ein bischen so, als hättest du nicht soviel Verständnis dafür, dass man sich Gesellschaftsspielen lieber daheim widmet.

    Für mich ist das Tolle an den Gesellschaftsspielen eben die Tatsache, dass man sie wunderbar ohne irgendwelche Zwänge zu Hause spielen kann. Ich bin ständig Abends noch irgendwo weg: Training, Tanzen, Kino, Geburtstags- oder auch andere Feiern, Verpflichtungen wie Elternabende. Und bei allem hat man einen gewissen Zeitdruck, da es zu einem bestimmten Zeitpunkt losgeht.

    Trifft man sich Abends bei sich oder auch bei Freunden zu Hause, dann ist das ganze wesentlich lockerer. Es ist nicht schlimm, wenn man zu spät kommt, da der Gastgeber eh zu Hause ist und man zu Hause immer irgendwas machen kann. Und es müssen nie alle rumfahren, da irgendwer ja der Gastgeber ist. Auf Spieletreffs ist es schon deutlich blöder, wenn man später kommt.
    Ich muss auch schon 2-3 mal pro Woche Abends oder Nachmittags eine Betreuung für meine Kinder organisieren, damit wir gemeinsam Tanzen oder zum Training gehen können. Wieso sollte ich mir das für Brettspiele auch noch antun?

    Man muss eben nicht alles in Events und Clubs verpacken. Das macht man heutzutage eh schon mit allem und ich denke mal, dass ich nicht der einzige bin, der auch einfach mal gerne zu Hause oder bei Freunden etwas macht. Nichts gegen einen Spieletag in schönster Kulisse auf dem Chiemsee, aber ich kann verstehen dass solche Events nicht viel Zulauf finden.

    Liebe Grüße
    Florian

  • Sorry Nils, aber 50 Spieler sind doch eine Menge. Da ist die kritische Masse überwunden. Aber ein Schiff ist auch nicht die Kulisse die jeder gerne sehen will, auch wenn es mich faszinieren würde. Andere würden auch nicht zu einem Schiff gehen um dort einen Film zu sehen.
    Und Niemand sagt, das man nicht mehr zu Hause spielen soll. Da fühle mich etwas missverstanden. Vermutlich habe ich meine Aussage echt schlecht rübergebracht. Es ist nicht meine Absicht die Leute alle zu solchen Veranstaltungen oder in entsprechende Spielecafes zu zerren. Ich gehe auch so gut wie nie ins Kino, weil ich kein Problem habe mir einen Film mit einem halben Jahr Verspätung zu Hause auf der Leinwand anzusehen. Aber die Menge der menschen die dennoch ins Kino gehen zeigt dass jeder andere Wünsche hat. Ich werde auch weiterhin zu Hause spielen und dies mit Freunden gepflegt schätzen.
    Was ich sage ist das es neue Spieler in der das Hobby ziehen kann, wenn sie nicht nur zu Hause angezielt werden. Ein Blick auf die Spielwiese in Berlin zeigt, aber dass solch ein Spielecafe neue Spieler erzeugen kann. Ich kenne welche die zu Hause nicht auf die Idee kommen würden zu spielen, aber es sehr genießen ins Cafe zu gehen und dort mit ein paar Freunden oder auch Fremden ein Spiel zu spielen. Zum Teil egal welches.
    Allen Verlagen ist bewusst das die Zahl der aktiven Spieler in Deutschland zwar hoch ist aber deutlich niedriger als Anhänger anderer Freizeitbeschäftigungen. Eine Ausrichtung auf einen neuen Typus von Laden, kann der Branche nur helfen. Und ansonsten hat Christian recht: Die Mischung machts auch in der Form des Angebots. Daher kann eine größere Mischung doch nicht schaden.
    Nils, bring mal bitte in Erfahrung wie viele von den 50 regelmäßigen Spielern nicht spielen würden, wenn sie den Spieletreff nicht hätten.

  • Mir war schon klar, was du geschrieben hast. Ich hab nur versucht aus meiner Sicht zu schildern, wieso ich nicht glaube dass solche Läden und Events viel Erfolg haben werden.
    Ich bin ein leidenschaftlicher Spieler und spiele von Brettspielen über Pen&Paper RPGs, Tabletops und Videospielen eigentlich alles. Genau wie meine Frau und etliche unserer Bekannten. Trotzdem übt es wirklich keinerlei Reiz auf uns aus, Abends zu Spieletreffs zu gehen oder ganze Spieletage zu besuchen. Und das liegt einfach nur an Zeit und Stress. Man kann einfach nicht jedes Hobby mit auswärtigen Events verbinden. Manche muss man (zu Hause tanzen ist doof und Jiu Jitsu Training macht da auch wenig Sinn) und andere eben nicht (z.B. Gesellschaftsspiele).

    Gesellschaftsspiele sind für viele einfach ein Hobby, das man zu Hause betreibt. Und dort konkurriert es mit anderen Hobbies, die deutlich wenig Aufwand erfordern. Für Gesellschaftsspiele muss man sich trotzdem noch mit anderen verabreden und dann ist das noch die Regelerklärung. Will man wirklich mehr Menschen erreichen, dann muss der Spieleinstieg noch deutlicher einfacher werden (Regeln, Spielauf- und abbau, Spielverwaltung …).
    Da helfen auch keine Läden in denen man spielen kann, da auch dort die Regelerklärung nicht spannender wird.

  • Hallo Florian,
    >> es klingt bei dir ein bisschen so, als hättest du nicht so viel Verständnis dafür, dass man sich Gesellschaftsspielen lieber daheim widmet.

    Ich persönlich mag Spielertreffen. Aber meiner Erfahrung nach kann man das für Gesellschaftsspieler nicht generalisieren. Das ist mein Beitrag zu dem Thema, mit Matthias Aufforderung, Energie in Events zu investieren.

    Hallo Matthias,

    nun das Chiemsee Event war eine Orga-Aufwand von 14 Tage ehrenamtlicher Leistung. Meine persönliche Erwartung war, dass Schiff zwei Tage mit ca. á 400 Personen zu füllen. Im Vergleich zur Münchener Spielwies´n war es ein sehr ähnliches Konzept (Angebot/Kosten) aber bei schönerem Ambiente. Aber trotzdem konnte es nur „wenige“ zur Teilnahme motivieren.

    Und ähnlich sehe ich es mit Events in Ladengeschäften, um mal wieder zum Thema zu kommen. Jeder Meter kostet mindestens eine kalkularische Miete und muss Erlöse schaffen. Die Fläche für einen Spieltisch muss sich zu einem Faktor entwickeln, der die verbliebenen Regelmeter aufwertet. Und darin hätte ich eben wenig vertrauen, dass sich das rechnet.
    Ein Spielwarenabteilungsleiter vom Kaufhof hat mich mal aufgefordert, im Geschäft Turniere mit Gesellschaftsspiele zu organisieren. Der ist aber in der Anlaufphase des Projekts von Niederlassungsleiter gleich wieder eingebremst worden.
    (Ich weiß, dass diese Turniere in Berlin stattfinden.)

    Wenn die Teilnehmer bereit wären, 40€ für die Veranstaltung zu zahlen, sieht das Ganze schon wieder anders aus. Aber ich glaub´, ich träum´…

    Liebe Grüße
    Nils

  • Leider gibt es immer noch Läden die Stur an Regalmetern festhalten. Der alleinige Glaube mit mehr Ware würde auch der Umsatz steigen, will mir nicht mehr in den Kopf. Ich kenne einige Läden die genau wissen, dass sie mehr Umsatz fahren können, mit größerer Verweildauer der Kunden. Veranstaltungsfläche kann genau dies bringen. Wenn ich länger im Laden bin, lasse ich eher Geld da.

    Ich hatte in beispielsweise in 2007/08 ein Aktion mit Saturn gefahren, welche einen wöchentlichen Spielenachmittag vorgesehen hat. Beim ersten mal waren es 10 Kunden. Beim zehnten mal waren es 40 Kunden. Nach einem knappen Jahr hatte der Filialleiter es beendet, weil der Laden übervoll mit Kunden war. Trotz einer Teilnahmegebühr von 10 Euro (die als Warengutschein zurückgegeben wurde) und einer maximalen Dauer von zwei Stunden.

    Bei Karstadt hatte ich ähnliche Erfahrungen. Es kamen so viele Kunden, dass sie in die Kantine verlegt wurden. Da waren aber aber alle von der Leitung zufrieden nur die Mitarbeiter in der Abteilung waren darüber nicht erfreut.