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What I do? Please!

Mein Sohn hat mich neulich gefragt, was ich eigentlich mache. Mein Job war zu abstrakt für ihn. Zwischen seiner romantischen Vorstellung, was ein Verleger macht, und dem, was er von mir zu Hause mitbekommt, scheinen große Unterschiede zu sein. Er ist 14 Jahre alt und in dem Alter hätte ich das auch nicht begreifen können. Sage ich: „Ich verlege Spiele.“, fragt er, was das bedeutet. Ich sitze halt 10 Stunden am Tag am Computer oder bin verreist. Oder war es vor der Corona-Zeit zumindest dauernd.

Es brachte mich zum Überlegen, wie ich es ihm erkläre. Ich schätze an meinen Job, dass er so vielseitig ist. Es fallen viele Kleinigkeiten an: Planung, Abrechnung, etliche Entscheidungen. Vor allem telefoniere ich viel. Mit Kollegen, mit Druckereien, mit Autoren, mit Ämtern, mit Partnern. Und ein Schlüsselelement in der Kommunikation sind Verträge.

Die Spieleautorenzunft (SAZ) hat vor ein paar Wochen ihren Mustervertrag online gestellt. Als Verlag habe ich ihn durchgelesen, das allermeiste als logisch abgestellt und ihn jetzt nicht ganz so als den großen Wurf gesehen. Er unterscheidet sich zu 95% nicht von denen, die ich sonst oft kenne. Aber an einem Paragraphen bin ich hängengeblieben. Dieser eine Paragraph lässt mich den gesamten Vertrag ablehnen, denn der funktioniert in der Praxis nicht. Als Interessenvertretung der Autoren ist es vielleicht die Aufgabe der SAZ, an diesem Paragraphen festzuhalten, aber selbst da bin ich mir nicht sicher. Als Verlag jedoch ist dieser Paragraph utopisch.

4.1 […] Inhaltliche Veränderungen der Spielregeln inklusive des Themas sowie wesentlicher ursprünglicher Ausstattungsteile bedürfen jedoch der vorherigen schriftlichen Zustimmung durch den Autor; dies gilt auch für die finale Freigabe der Spielregel – eine E-Mail ist ausreichend. Diese gilt als erteilt, wenn innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Nachricht keine Rückmeldung seitens des Autors erfolgt. Diese Zustimmung darf nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen verweigert werden. […]

Die größte Problematik ist das Wort wesentlich. Was ist denn wesentlich? Wer bestimmt, ob das Ändern einer Würfelfarbe schon wesentlich ist? Das Verändern von Karten zu Plättchen? Das Verkleinern der Kartengröße? Das Hinzufügen einer weiteren Fraktion? An Beispielen entlang des gesamten Spektrums dürfte es nicht mangeln. Aber auch die anderen Punkte sind nicht besser. In Gesprächen mit Autoren ist es genau dieser Passus, der immer wieder für Konflikte sorgt. „Es ist doch mein Spiel!“, „Ihr könnt doch mein Baby nicht einfach verändern!“, „Ich habe da das Urheberrecht drauf!“, „Das ist ja dadurch ein ganz anderes Spiel!“.

Ich habe in meiner Zeit, in der ich in diesem Business arbeite (seit 2002), so gut wie noch kein einziges Spiel gesehen, bei dem nur die Grafik draufgekleistert werden muss und das Spiel so raus kann. Ich finde, Kickstarter macht immer wieder deutlich, dass wirklich gute Spiele mit etwas redaktionellem Feinschliff nochmal so viel besser sein könnten. Da würde ich selbst ein Gloomhaven nicht von ausnehmen, denn ein Pranken des Löwen zeigt, wie mit nur ein paar kleinen Veränderungen ein gefühlt runderes Paket entsteht. Die meisten Spiele ohne redaktionelle Bearbeitung auf Kickstarter sind aber Eintagsfliegen, die entweder nicht aus dem Boden kommen, oder sich auf Grund anderer Feinheiten verkaufen. Auch gibt es genug Spiele, für die man das Wort Plagiatsvorwurf ruhig verwenden darf, obwohl es ein anderes Thema hat, und nur ein paar Fachbegriffe ausgetauscht wurden. Auch diese gibt es bei Kickstarter.

Und möchte man es ehrlich betrachten, sind Prototypen genau das: Prototypen – und keine fertigen Produkte. Wenn eine Redaktion einen Rohdiamanten sieht und ihn schleifen möchte, dann sollte man sie auch daran schleifen lassen. In keiner mir bekannten Redaktion geschieht das ohne Austausch mit den Autoren. Das Zusammenarbeiten ist ein Bestandteil des Vertrages. Aber wie bei jeder Zusammenarbeit muss jemand das letzte Wort haben, wenn man sich uneins ist. Und in meinen Augen sollte das der Verlag und nicht der Autor sein. Denn bei all dem sollte man eins nicht vergessen: Die Verlage tragen das finanzielle Risiko. Wer Angst hat, sein Underwater Cities verkommt zu einem Memory, sollte sich Gedanken machen, ob er damit überhaupt beim richtigen Verlag vorstellig geworden ist. Denn was eine begründete Ablehnung der Zustimmung an Änderungen ist, ist auch nicht geklärt.

Die SAZ betont, es gehe ihr um faire Verträge. Scheinbar werden manche Autoren mit unfairen Verträgen abgespeist. Im Unterton schwirrt jedoch mit, dass die Verträge, die es derzeit gibt, nicht fair wären.

Solche Paragraphen sind sehr schwer sauber zu formulieren, wenn man als Autor immer nur Angst um seine „Leistung“ hat. Angst, die dadurch entsteht, dass da ein Schreckgespenst an die Wand geworfen wird, wenn auch nur unterschwellig. Die großen Autoren wissen alle, dass der Verlag das Spiel auch verbessern möchte. Da wird sich über Erfahrungen ausgetauscht. Da wird ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Das Schreckensgespenst jedoch ist etwas Unnötiges. Auch wenn die SAZ das vielleicht nicht bewusst macht, so scheint sie es billigend in Kauf zu nehmen.

Die größte Errungenschaft der SAZ war es, dass der Autor prominent auf der Schachtel steht. Wer sich mit Brettspielen beschäftigt, kennt die Namen vieler Autoren und kann sie auch zuordnen. Da ist ein Spiel von den Brands, der neue Feld oder auch neue Spiele von Frau Hargrave und anderen Autorinnen und Autoren, die etwas aussagen. Ich fände es toll, wenn die SAZ etwas dafür tun würde, dass solche Namen nicht nur den Spielern, sondern auch den Massen etwas sagen. Dass man bei einem Spiel des Jahres auch den Autoren besser kennt. Denn nur weil er auf der Schachtel steht, sieht das nicht jeder Kunde. Dafür wäre eine Zusammenarbeit mit den Verlagen doch sinnvoller, oder?

Die Verlage scheinen für die SAZ, oder zumindest für einige ihrer Mitglieder, die nach außen agieren, jedoch immer noch eine Black Box zu sein – wie für meinen Sohn. Ein Etwas, das mit Spielen Etwas macht und am Ende Etwas rauswirft. Die Verlage werden schon was machen. Aber was? Vielleicht mehr als nur 10 Stunden am Tag vor dem Computer hocken.

Matthias Nagy
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