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Kaputt

Selbst bei vermeintlich klaren Fällen gibt es Grauzonen. Zum Beispiel sollte man meinen, dass es klar ist, wenn ein Spiel nicht funktioniert. Anscheinend ist „broken“ aber ein ebenso dehnbarer Begriff wie „einzigartig“.

Was bedeutet es eigentlich, wenn ein Spiel kaputt ist? Einige Möglichkeiten auf die man sich einigen kann sind wohl: Es funktioniert nicht, weil die Regeln unklar/wiedersprüchlig sind. Oder das Spiel kann sich „aufhängen“, kann also zu einem Punkt kommen, von dem das Spiel nicht mehr regelgerecht fortgesetzt werden kann. Oder ein Spieler kann erzwingen, dass alle verlieren oder dass es unentschieden endet. Oder es gibt eine absolute Gewinnstrategie.

Sind die beiden letzten Möglichkeiten wirklich ein Zeichen für ein Nichtfunktionieren? Immerhin kann das Spiel ja normal gespielt werden – „kaputt“ in dem Sinne ist es also nicht. Aber natürlich macht es Sinn, diese Möglichkeiten einzuschließen, denn ein Spiel, bei dem man nicht gewinnen kann (wenn die Gewinnstrategie  einen anderen Spieler bevorzugt) und das immer gleich endet, ist kaum im Sinne des Erfinders.

Aber hier fangen die Grauzonen schon an. Tic-Tac-Toe ist nach dieser Definition klar „kaputt“ – zwar spielen es meine Schüler gerne, aber nur bis sie die Strategie herausfinden, mit der man ein Unentschieden erzwingen kann. Dann enden alle Spiele gleich.

Dasselbe gilt aber auch für A few acres of Snow von Martin Wallace. Dort gibt es eine (so wie ich sie verstehe) ziemlich unintuitive Strategie namens Hallifax-Hammer, mit denen eine Seite immer gewinnen kann. Auf den ersten Blick sicherlich dasselbe wie bei Tic-Tac-Toe, aber es gibt einen entscheidenen Unterschied: Ohne das Internet wüssten wohl 99% aller Acres-Spieler nicht dass es sie gäbe. Die Chance dass der durchschnittliche Spieler die Strategie entdeckt ist gering. Ist das Spiel kaputt?

Beim klassischen 4 gewinnt (da wo man die Scheiben oben einwirft) gibt es ebenfalls eine absolute Gewinnstrategie. Die ist aber so komplex, dass nur ein Computer sie durchführen kann. Ist das Spiel kaputt?

Ballon Cup ist davon abhängig, dass bestimmte Holzwürfel gespielt werden. Gewertet wird wenn eine bestimmte Anzahl davon sich ansammelt. Rein theoretisch kann es passieren, dass eine Farbe sich so ungünstig verteilt, dass sie nicht  mehr ins Spiel kommen kann (weil noch keine Wertung ausgelöst wird, aber auch keine Würfel nachkommen). Das ist mir aber noch untergekommen. Rein zufällig dürfte das nur alle paar Tausend Partien dazu kommen.   Ist das Spiel kaputt?

Ich glaube niemand hat Probleme mit einer theoretische Gewinnstrategie, wie sie im Falle 4 gewinnt auftritt. Ein Gewinnstrategie muss praktisch anwendbar sein, um zu stören. Allerdings verhindert eine solche Gewinnstrategie Turniere per Email o.ä. aber das ist eine kleine Einschränkung.

Bei Ballon Cup würde ich eher dazu tendieren: Ärgerlich, dass es diese Möglichkeit gibt, praktisch ist sie vernachlässigbar. Allerdings wäre der Fall, dass der potentiell schwächere Spieler (oder wer sich dafür hält) gezielt auf ein solches Aufhängen spielen kann, schon ein Fall von „broken“. Zum Glück aber einer, der sich mit einer Hilfsregel für den Ausnahmefall beheben liesse. So wie es ist sehe ich keine Probleme. Allerdings lässt es sich hier diskutieren: Braucht man eine weitere Regel um einen Fall abzudecken, der faktisch nicht vorkommt?

Acres of Snow ist aber echte Grauzone. Wer die Strategie kennt muss absichtlich anders spielen und das ist immer ein schlechtes Zeichen. Anders herum tendiert der Fall aber in Richtung 4 gewinnt: Wer sich die Strategie nicht extra anliest, wird sie kaum entdecken und dann gibt es keine Probleme.

Kaputt ist ein Spiel nämlich nur dann, wenn sich eine Gewinn/Unentschiedenstrategie tatsächlich praktisch anwenden lässt. „Theoretisch kaputt“ gibt es schließlich ebensowenig wie „theoretisch schwanger“….

ciao

peer

 

 

Peer Sylvester
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2 Kommentare

  • Ein Spiel ist für mich persönlich kaputt oder defekt, wenn der Spielablauf klar erkennbar nicht funktioniert. Sind statt dessen erfahrene Spieler nötig, um eine Gewinnstrategie zu finden, hat das Spiel einen Fehler, der oft durch eine zusätzliche Regel repariert werden kann.

  • Bin gerade bei deinem Artikel haengen geblieben, bei AFAOS it meiner Meinung nach das Problem, dass es auf Yucata.de zu Tode gespielt wurde. Der Hammer wurde entdeckt und Martin Wallcae hat darauf reagiert, ABER das Problem des Hammers ist trotz der Ueberarbeitung nicht geloest. Da verstehe ich Martin nicht, dass er die selbe Plattform nicht zum Loesen des Problms verwendet, sprich die Top-Spieler erst mal meine Neue Version testen lasse. Somit ist AFAOS ein ganz grosser Griff ins Klo, trotz des genialen Ansatzes und des aussergewoehnlichen Themas. Bei Stone Age war es haarscharf, dass es die Hungerstrategie doch mehr bestraft wird, als anfangs geplant .. Deswegen bewundere ich Vlaadas Spiele, da er sie erst mal programmiert und zu Tode spielen laesst, bevor er es zum Druck gibt. Genial Einfach zu machen, wenn auch wahrscheinlich langweilig fuer seine Testspieler