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Der Fluch des Internets

Das Internet ist eine großartige Erfindung. Daran besteht kaum ein Zweifel. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass es ohne das Internet deutlich schlechter um die Spieleszene bestellt wäre:

– Kleinverlage haben es deutlich einfacher ihre Spiele an ihre Zielgruppe zu bringen. Dadurch ist es jetzt auch für Kleinverlage möglich Spiele ohne größere Verluste zu vertreiben. Das sorgt für mehr Variabilität am Spielemarkt.

– Dasselbe gilt für ausländische Spiele. In meiner Sammlung finden sich Spiele aus Frankreich, Polen, den USA, Philippinen, Australien, Großbritannien, Irland, Kanada, Spanien, Tschechien, Italien, Schweden, Finnland, Japan… (An Neuseeland und Taiwan arbeite ich gerade) – das wäre vor 10 Jahren noch nicht möglich gewesen!

– Spiele können miteinander verglichen werden, dadurch steigt generell die  Qualiät des Materials und der Regeln. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass auch immer mal wieder Spiele „übersehen“ werden, aber das war zu internetlosen Zeiten noch extremer (siehe Kleinverlage)

– Spieler aus aller Welt können sich untereinander austauschen, Tipps geben, helfen, Regelfragen beantworten und sogar (via Brettspielwelt, Zillions of Games & Co) miteinander spielen. Das sorgt nebenbei für eine weitere Internationalisierung des Hobbys.

Ohne das Internet hätte die Siedler-initiierte Spielerevolution so nicht stattfinden können und Brettspiele wären wohl immer noch mehr oder minder auf dem Stand der frühen 90er Jahre.

Doch es gibt natürlich auch Kehrseiten. Da wäre zum einen die übersteigerten Ansprüche einiger Spieler verbunden mit dem Möglichkeit seinem Ärger sinnlos Luft zu machen.

Doch es gibt einen wenig bekannten Fluch des Internets und ich wurde dieses Jahr gleich zweimal davon getroffen… :

Anfang des Jahres kam mir die Idee (ausgelöst durch die Geldverbrennung des von der FDP so hoch gelobten freien Marktes) den schwarzen Freitag 1927 spielerisch abzubilden. Also besorgte ich mir etwas Literatur fing an zu lesen und mir ein paar Mechanismen zu überlegen: Ein Aktienspiel sollte es sein, aber eines bei dem der Crash vorherbestimmt ist und bei dem man rechtzeitig auf ein anderes Gut wechseln sollte, um das Geld zu retten. Naja und dann las ich über Friedemann Frieses (übrigens sehr cooles) Freitags-Projekt. Seine Idee? Ein Spiel über den schwarzen Freitag, bei dem der Aktiencrash kommt und man rechtzeitig auf ein anderes Gut wechseln sollte… Grund genug das Projekt einzustellen. Gerade wenn ein Projekt ausführlich im Internet beschrieben wird, kann man als Autor eigentlich kein ähnliches Projekt mehr anfangen – es würde immer der Vorwurf des Abkupferns im Raum hängen. Und besonders bei einem solchen Spiel sind die Einzelmechanismen vielleicht verschieden, aber im Großen und Ganzen wird das Spielgefühl doch recht ähnlich sein. Das liegt einfach in der Natur des Themas (Karatespiele auf dem C64 benutzten auch alle mehr oder minder dieselben Bewegungen). Ähnliches ist mir dann mit Martin Wallace Spiel „Automobile“ passiert, dass dafür sorgte dass mein halbfertiges „Auto GmbH“ erstmal wieder auf Eis gelegt wurde.

Natürlich ist das nur ein kleiner Nachteil – ärgerlicher wäre es gewesen, wenn das Spiel bereits fertig gewesen wäre und dann Friedemann sein Spiel herausgebracht hätte – aber die Geschichte wirft eine interessante Frage auf: Was macht man denn, wenn man liest, dass jemand im Interbet dieselbe Idee hatte wie man selbst? Ignorieren? Den anderen anmailen und Bescheid sagen (Das habe ich übrigens auch schon gemacht)? Das Projekt einstellen? Wo ist die Grenze? Was wenn ich lese, dass ein amerikanischer Kleinverlag ein Spiel mit einem ähnlichen Mechanismus wie ein eigenes herausgebracht hat? Das bemerkt doch gar keiner hier? Und: Sollte ich mir das Spiel irgendwie besorgen um zu sehen, wie ähnlich die Spiele wirklich sind? Ab welcher „Ähnlichkeit“ mache ich was?

Alles Fragen, die das Internet aufwirft – aber auch Fragen, die es helfen könnte, zu beantworten…

ciao

peer

Peer Sylvester
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6 Kommentare

  • Ich finde es zum Beispiel nett dafür, um zu gucken, ob der Name, den ich für ein Spiel im Auge habe, schon verwendet wurde. Das fiel mir neulich auf dem Autorentreffen in Göttingen wieder auf, dass eine Reihe Prototypen Namen trugen, die schon mal für ein Spiel verwendet wurden. Und das kann man zwar auch mit dem Internet nicht völlig ausschließen, aber die Gefahr doch minimieren.

  • Du schreibst „Grund genug das Projekt einzustellen“.
    Ich würde dran bleiben, wenn das Spiel Spaß macht und das gewisse Etwas hat. Oder hast du wirklich geglaubt, du wärst der allereinzigste, dem gerade jetzt die Idee eines Börsen(crash)spiels kommt? Wie wär’s mit einem anderen Thema? Etwa die Tulpenmanie im 17. Jahrhundert? Das ist allerdings – glaube ich – auch schon spielerisch umgesetzt, nur halt noch nicht so ausgereizt. Völker/Reiche, die sich entwickeln und dem Untergang bevorstehen?

    Viele Spiele tragen einen ähnlichen Mechanismus. Dennoch sind es „Kleinigkeiten“, die das eine oder andere Spiel herausheben. Oder anders gesagt, manchen fehlen vielleicht diese Kleinigkeiten. Wie würde sich Siedler von Catan spielen, fehlten die Räuber, gäbe es dafür aber irgendwelche (dubiose) Ereigniskarten? Welches Spielgefühl käme bei Pandemie auf, kämen nicht zwangsläufig immer die gleichen Karten zurück ins Spiel?

    Wie ist das eigentlich in der Musik? Jetzt wird schon seit Jahrhunderten komponiert und noch immer gibt’s Neues. Mit dem gleichen Ausgangsmaterial … neue Melodien, nicht zwangsläufig konstruierte oder verkomplizierte. Aber Musiker fragen sich das gleiche, was ist eigentlich, wenn jemand dieselbe Idee hat?

    Johannes

  • Ja wenn das Spiel schon sehr weit fortgeschritten gewesen wäre, hätte ich wohl auch weitergemacht. Oder auch nicht…(ich habe zum Glück recht viele Projekte im Moment ;-) Aber das Spiel zu entwickeln, wenn ein anderes, ähnliches bereits fertig ist, intreressiert mich erstmal nicht. Ich mache Spiele auch, um Spiele bereitszustellen, die ich gerne spielen würde, die es aber noch nicht gibt – diese Motivation fällt dann weg…

  • Tja, wenn zwei Autoren sich des selben Themas annehmen, muss zwangsläufig das selbe Spiel bei herauskommen. Das ist ja bei Filmen und Büchern genauso. Wer einen Dracula-Film mit Christopher Lee gesehen hat, schaut sich dann auch nicht mehr ‚Tanz der Vampire‘ an. :)

    Ich kann duchaus verstehen, dass die Motivation darunter leidet, wenn es etwas Ähnliches schon zu geben scheint, weil man gern etwas Neues macht. Aber ich habe es schon häufiger erlebt, dass nach Regelstudium sehr ähnliche Spiele sich dann doch ganz anders spielen.

    Problematisch finde ich folgende These:
    „Gerade wenn ein Projekt ausführlich im Internet beschrieben wird, kann man als Autor eigentlich kein ähnliches Projekt mehr anfangen – es würde immer der Vorwurf des Abkupferns im Raum hängen.“

    Davon sollte man sich nicht einschränken lassen. Natürlich, wenn einem ein verwandtes Spiel als besser erscheint als das eigene, sollte man es lassen. Ansonsten kann man auch in Kenntnis eines solchen Spiels eigene Wege finden, vielleicht auch unter bewusster Vermeidung von bestimmten Elementen im anderen Spiel.

    Die individuelle Schöpfung drückt sich eben nicht (nur) in der Idee aus sondern in erster Linie in der Umsetzung. Erscheinen bestimmte Antworten auf bestimmte Probleme zwangsläufig, gibt es keine Alternativen, dann handelt es sich dabei eher nicht um eine individuelle Schöpfung des ersten Urhebers – oder um Mangel an Fantasie des ‚Abkupferers‘.

  • Das Stimmt, es hängt aber eben auch stark vom Thema ab: „Vampire“ läßt viel Spielraum, während z.B. bei „Race the Wind“ viele Elemente genau so gesteuert werden wie bei „Regatta“ (einfach der Umsetzung des Themas geschuldet). Und aktuell im Spielerforum bezeichnet jemand einen Prototyp als „kalter Kaffee“, weil die Idee von Dungeon Keeper (einem PC-Spiel!) „geklaut“ ist (seine Worte, nicht meine). Mir selbst wurde schon vorgeworfen, dass ich für King of Siam hemmungslos bei El Grande geklaut hätte (sind ja auch beides Mehrheitenspiele mit Karten, da liegt das nah) – Wahrnehmung und Wirklichkeit liegen also selbst bei doch eher weit entfernten Themen auseinander. Insofern ist die ganze Angelegenheit doch differenzierter als man auf den ersten Blick sieht.

    Es läuft auch wieder auf die Frage hinaus ab wann ein Mechanismus „klein genug“ ist um als Werkzeug zu gelten und ab wann er zu groß wird, um übernommen zu werden.