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A Rant

Bill Waterson ist der Zeichner der Calvin & Hobbes-Comics und anders als andere Comiczeichner wehrte er sich immer gegen die Vermarktung von Calvin & Hobbes auf anderen Produkten (Tassen, Autoaufklebern etc.), ja trat deswegen sogar einmal in einen Streik. Daher sind alle Artikel, die man mit den C&H-Motiven bekommt, ohne Erlaubnis des Autoren  entstanden (und vermutlich bekommt Waterson entsprechend auch keine Lizenzgebühren dafür). Die Legitimiation dahinter stammt ironischerweise ausgerechnet von seinen Fans, die sagen: „Wir wollen solche Produkte, wenn sie uns der dumme Waterson nicht geben will, müssen wir sie uns eben holen!“.

Wer jetzt mit dem Kopf schüttelt verkennt, dass diese Anspruchshaltung in der Brettspielszene nicht fremd ist. Ich bin immer wieder erstaunt welche Blüten diese Haltung schlägt… Ich meine, sicherlich hat jede „Szene“ jedes Hobbys ihre ganz speziellen Bedürfnisse, andererseits habe ich mich in meiner Vergangenheit durchaus auch schon intenisiv mit anderen Dingen beschäftigt (Anfang der 90er hatte ich z.B zeitweise 5 Computerspielmagazine aboniert) und ich kenne kein Hobby, bei dem die Verlage so dicht an der Szene orientiert sind wie im Brettspielbereich (immerhin sind hier „Patches“ doch eher selten). Leider müssen sie oft sich widersprechende Anforderungen gerecht werden (etwa Promomaterial für jedermann zugänglich machen und gleichzeitig dafür sorgen, dass nur die Leute es bekommen, die auch das entsprechende Promotionsgedöns mitgemacht haben…) und wenn das kimscherweise nicht gelingt, werden sie angegriffen.

Ein Beispiel: gerade hat sich jemand darüber beschwert, dass die Rückseiten der zweiten Auflage von Agricola anders aussehen als die Vorderseite. Ein nachvollziehbarer Vorwurf. Was ich aber interesssant finde, ist dass dem Verlag vorgeworfen wurde, dass letztlich finanzielle Gründe hinter der Änderung stehen (Es ging um Internationalisierung und dann eine kostengünstigere Methode das zu erreichen). Das ist nicht das erste Mal dass einem Verlag finanzielle Motivationen vorgeworfen wurde: Ob überflüssige Carcassonne-Erweiterungen, Produktion in China oder Preiserhöhungen: Immer wird schnell „Abzocke!“ gerufen.

Ich habe eine Überraschung: Natürlich wollen die Verlage Geld verdienen! Es sind (letztlich) Wirtschaftsunternehmen! Verlage, die nicht gewinnbringend arbeiten werden früher oder später (eher früher) schließen müssen – zumindest solange sich Dietmar Hopp keinen eigenen Verlag leistet… :-)

Doch natürlich weiß das der Leser dieses Blogs, also möchte ich noch ein bisschen mehr auf das Dilemma des Verlages eingehen. Was genau ist denn die Alternative: Das Spiel 15% teurer zu produzieren? Damit wären wir bei Agricola bei einem Preis von etwa 35-38€. Und das ohne dass der Verlag dazuverdient. Das wäre nur dann zu rechtfertigen gewesen, wenn die Rückseiten jetzt spielerisch einen Unterschied machen würden – aber das tun sie ja nicht! In diesem Fall ist die Änderung für Besitzer der Erstauflage vielleicht ärgerlich, aber unter Berücksichtigung der Alternative (Preiserhöhung um 15%) ein nachvollziehbarer Kompromiss. Mehr noch: Ein Kompromiss, der letztlich sogar Spielerfreundlich ist – zumindest für die Leute, die erst im nachhinein auf das Spiel aufmerksam geworden sind.

Und genau das fehlt in den Debatten: Die Berücksichtigung der Alternative. Natürlich sind Besitzer der Erstauflage oft benachteiligt, weil die zweite Auflage (sofern es eine gibt) oft verbessert ist. Doch was ist die Alternative des Verlages? Auf eine Verbesserung zu verzichten? Alle Fehldrucke beibehalten? Wohl kaum. Und Fehler passieren nun einmal – Selbst Airbus hatte ja nun unvorhersehbare Probleme mit ihren Produkten und da steckt doch etwas mehr Geld und Manpower dahinter als beim durchschnittlichen Spieleverlag.

Willkommen in der Welt, in der Menschen fehlbar sind!

ciao

Peer

Peer Sylvester
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