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Das hermeneutische Ferkel – Meine Gedanken zu Oath

Oath ist ein Spiel über die Tandelu eschvara und die Tandeku eschvey. Die Tandelu eschvara und die Tandelu eschvey sind Bevölkerungsgruppen in einem unbekannten Land. Die Tandelu Eschvara sind die herrschende Klasse, die mit allen Mitteln versucht, an der Macht zu bleiben.  Die Tandelu eschvey hingegen sind grün.

Meine allererste Partie Oath war eine fast religiöse Erfahrung: Es begann und endete mit Ritualen, deren Sinn sich mir nicht entschloss. Es gab eine Menge Diskussionen über die korrekte Auslegung von Texten und bis zum Ende wartete ich -vergeblich – auf ein Zeichen der Klarheit. Aber das Versprechen auf eine bessere, zukünftige Partie hielt mich und den Rest der Runde im Hier und Jetzt bei der Stange.

Der Einstieg in Oath könnte nicht schwieriger sein. Es ist nicht so, dass die Regeln unverständlich oder (soweit ich das beurteilen kann) unvollständig wären. Es ist nur so, dass die Regeln Abbilder Ideen

Die anderen dürfen das Banner von dir nur bergen, wenn es eine Karte an dem Ort gibt, deren Farbe mit keinem deiner Berater übereinstimmt
Man kann vom Christentum halten was man will, aber das Lukas Evangelium ist recht gut verständlich geschrieben

darstellen, mit der sozialen Dynamiken innerhalb einer Narrative und/oder innerhalb des  Meta des Spieltisches ausgedrückt werden sollen. Wie Archäologen -oder Priester –  müssen die Spielenden die gefundenen Texte interpretieren: Was soll die Regel erreichen? Was folgt daraus für den Spielablauf? Was macht man eigentlich in Oath und wie? Es ist deutlich erkennbar, dass ein Großteil der Regeln dazu da ist, auf eine bestimmte Art und Weise hinsichtlich der Narrative und des Ränkespiels der Spielenden  interpretiert zu werden. Nur dann ist das Regelkonstrukt schlüssig. Aber bis diese Interpretation steht, ist Oath in erster Linie sperrig. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der andere Teil der Regeln schlicht dazu da ist, eine gewisse Balance zu gewährleisten Diese Regeln ergeben kein großes Ganzen und müssen lediglich gelernt werden. All diese Regeln, die verschiedenen tun (Narrativ, Meta, Balancing) im Zusammenspiel machen den Einstieg in Oath zu einem Kampf gegen die Strömung.

Die Tandelu Eschvara haben sich überallhin ausgebreitet und die Tandelu Eschvey in die Provinzen und ins Hinterland gedrängt, wo nur wenige Truppen für „Ordnung“ sorgen. Die Tandelu Eschvara hingegen sind im Exil. Wer sind die Guten? Wir sagen es nicht.

Das Versprechen von Oath ist es, dass durch den ungewohnten, konsequent narrativ orientierten (oder zumindest so scheinenden) Regelansatz kleine Geschichten entstehen können. Das geschieht potentiell auch bei anderen sogenannten „thematischen“ Spielen, aber selten werden die Regel so darauf angelegt, auf eine bestimmte Art interpretiert zu werden. Das Thema will hier nicht nur eine Bezeichnung für Figuren und Karten sein, sondern sich konkret in Spielhandlungen und zu einem gewissen Grad sogar im Meta wiederspiegeln. Auch deswegen ist das Regelwerk so sperrig: Es muss gleichermaßen alles an sozialen Dynamiken am Tisch erlauben und diese dann gleichzeitig vollständig reglementieren. Der Ansatz ist bemerkenswert ungewohnt und gerade deshalb ist es hilfreich, wenn man die Geschehnisse auf dem Brett gemeinsam entschlüsselt, während und auch nach der Partie.

Die Tandelu Eschvara haben mit Hilfe der Rekrutierung-Aktion weitere Figuren aufs Brett gestellt. So soll sichergestellt werden, dass sie die Mehrheit über die Ortskarten behalten. Die Tandelu Eschvey hingegen versuchen gute Karten zu ziehen.

Aufbau von Oath
Aus dem Hinterland in die Welt; Große Pläne und Hoffnungen, aber über die tägliche Routine redet wieder keiner.

Das Entschlüsseln ist aber deswegen so schwierig, weil sich ein nicht unwesentlicher Teil des Spieles in Klein-Klein verliert: Karten ziehen, Rohstoffe besorgen, Reisen, ja, sogar Kämpfen ist oft eher eine buchhalterische Tätigkeit, denn eine weltenbewegende. Trotz des vormals narrativen Anlasses sind die alltäglichen Handlungen eher wenig beeindruckend; es werden eher dünne Bretter gebohrt denn(Spiel-)Revolutionen angezettelt. Hatte ich bei Pax Parmir das Gefühl Wildwasserkajak zu betreiben – man wird mitgerissen, kann aber die Aussicht genießen – glichen meine bisherigen Partien in Oath eher dem Hacken eines Weges durch den Guatemalischen Dschungel: Man kommt nicht wirklich voran und viel zu erleben gibt es dabei auch nicht. Dafür ist es anstrengend. Erst wenn man mal eine der wenigen Lichtungen erreicht (insbesondere wenn eine Person durch eine einzelne Karte plötzlich die Rolle wechselt) sieht man, was Oath bieten könnte: Große Schwankungen im Kampf um die Herrschaft in Oathhausen, überraschende Wendungen, große Geschichten.

Oath große Stärke ist das Versprechen, dass es gibt. Doch in mir regt sich das Gefühl, dass Oath mehr Ambition als Spiel ist. Es ist die Hoffnung, dass das über alle  schwebende Versprechen gehalten werden kann …wenn man nur die Regeln flüssiger beherrscht… wenn man nur die Spiellogik durchdrungen hat …wenn man einen klareren Plan formulieren kann, wie man sein (anfangs sehr diffuses) Ziel erreichen könnte… wenn man mehr über die Handlungen miteinander kommuniziert ….wenn man nur mehr Meta einbaut… oder mehr Rollenspiel…wenn man die Karten durchdrungen hat… Dann, ja, dann, sind die Spielenden Protagonistender Geschichte des unbekannten Landes, in dem alles geht, was man in der realen Geschichte bewundern kann.

Die Konstruktion von Oath steht sich selbst im Wege: Es soll eine Narrative entstehen, doch die Handlungen lassen sich nur mit Mühe in diese Narrative eingliedern. Das Setting selbst ist abstrakt und muss selbst mit Leben gefüllt werden. Und auch wenn die Tandelu Escvara und die Tandelu Eschvey in ihren hermeneutischen Dinnerparties das wöchentlich vorleben, bietet Oath keinerlei Fundament für diese Konstruktion: Das Setting ist abstrakt, große Teile der Regeln sind abstrakt und müssen sehr mühsam mit dem vereinbart werden, was man tatsächlich über große Teile des Spieles tut.

Für die Tandelu Eschvara  ist Oath am besten, wenn die Geschehnisse im Rückblick zusammengefasst werden, für sie ist Oath eine Blackbox, in der man Spielzeit hineinpackt und am Ende die Zusammenfassung einer Dynamik herauskommt, die nach einem wirklich immersiven Erlebnis klingt.

Die Tandelu eschvey hingegen haben aufgehört in den Spielspaßminen von Oath nach Gold zu suchen.

 

Oath ist ein Spiel von Cole Wehrle, erschienen bei Spielworxx.

Die Tandelu Eschvara und die Tandelu Eschvey sind eine Erfindung von Tv und Jöwi

Peer Sylvester
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