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Terraforming Haltung

Eigentlich wollte ich einen Beitrag über Erwartungshaltungen bei Spielen verfassen, aber manchmal kann ich bei aktuellen Themen eben nicht wegschauen.

FryxGames war ein kleiner, schwedischer Verlag mit nischigen Themen. Und dann kam Terraforming Mars, ein Welthit. Eine echte Erfolgsstory und durchaus nicht unverdient, das Spiel trifft den Geschmack der Vielspielenden voll. Als Kleinverlag hatte man antürlich das Problem, ein Spiel zu illustrieren, dass aus einer Unmenge an Karten besteht, aus jeweils einzigartigen Karten, möchte ich hinzufügen. Ein Illustrator hätte sehr, sehr viel Geld gekostet. Möglich wäre eine Veröffentlichung dann nur mit einer massiven Crowdfundingkampagne gewesen (So wie es Holy Grail später mit Museum gemacht hat, dass einen ähnlichen Illustrationsaufwand hat). Als Alternative kauften sie Stockphotos. Das sieht jetzt nicht super aus, ist aber ein absolut legitimes Vorgehen. Mit dem Erfolg kamen neue Auflagen, die Materialverbesserungen boten, aber keine graphischen Verbesserungen (Das ist erst einmal ein neutrales Statement. Ich bin immer überrascht, wenn Leute meinen, Terraforming Mars sähe doch gar nicht so schlecht aus. Ich finde die Graphik nicht so richtig gelungen, selbst in dem Nischenbereich „Terraformen des  Mars“ gibt es Spiele, die deutlich machen, wie TM hätte aussehen können).

Terraforming Mars bekommt jetzt eine neue Erweiterung und jetzt soll auch die Graphik angemessen verbessert werden. Dabei sollen auch/vor allem AI-Graphiken verwendet werden, genauer Graphiken von Midjourney. Dabei betont Travis Worthington, der Kopf des Amerikanischen Vertriebes Stronghold Games, dass auch interne und externe Illustratoren beteiligt sind. Was das genau bedeutet ist offen. Es kann bedeuten, dass man das Problem des mangelnden Schutzen von AI-generierten Graphiken umgehen möchte, in dem überall ein „echter“ Graphiker rüberguckt. Aber ehrlich: Ich weiß es nicht. Als Begründung nennt er, dass es a) billiger ist als alles von echten Illustrator:innen zeichnen zu lassen und b) es auch deutlich schneller geht (was wieder bedeutet, dass es billiger wird). Das Verwenden von AI-Graphiken ist sehr umstritten. Zum einen, weil die AIs auch mit z.T. urheberrechtlich geschützten Werken trainiert werden und wie viel von den Werken tatsächlich übernommen wird ist nicht transparent (und sehr vom Prompt abhängig – je spezieller desto mehr wird übernommen). Der jahrzehntelange Rechtsstreit zwischen Kraftwerk und Moses Pelham um ein kleines Sample zeigt, dass sich konstruierende AIs wie Midjourney zumindest in Grauzonen bewegen (AI wird auch als Werkzeug eingesetzt, um z.B. Flächenmuster fortzusetzen, das ist eher unkritisch  aber auch hier sind die Grenzen zwischen A und B fließend). Der zweite Grund ist natürlich dass künstlerische Berufe durch künstliche Intelligenz zu ersetzen aus mehreren Gründen problematisch ist. Der Grund der Automatisierung ist ein Aspekt. Aber KIs sind eben auch nicht für Innovation konstruiert. Eine graphisch gebildete Person sieht eben mehr als nur „Bilder die man erwartet“ sondern hat andere Ansätze z.B. in Punkte Usability oder auch Aussage des Bildes. Davon prifitieren auch die Spielenden. Bei einem Kickstarter der fast 2 Millionen Dollar einsammelt ist das Argument des Geld sparens schon etwas schräg. Das Argument, eine Kleinauflage nicht finanzieren zu können, wenn sie durch einen lebenden Illustrator:in illustriert wird, zieht da nicht mehr. Auf den Einzelpreis runtergerechnet sind wir hier bei wenigen Cent pro Spiel. Nein, da reden wir über ganz andere Gründe, neben Geld auch dass die Fryxelius-Geschwister sehr ungern Aufgaben an Außenstehende abgeben. Allerdings müssten sie das auch gar nicht, denn unter den Geschwistern ist auch eine Illustratorin.

Diese Illustratorin wird nun das nächste Spiel von Fryxgames illustrieren. Das ist sicherlich auch eine Reaktion auf die Kritik bezüglich der AI-Graphik. In einem Interview betont Enoch Fryxelius, der CEO von Fryxgames, dass die Illustratorin ordentlich bezahlt werde, obwohl das „zehntausende Euros kostet“. In dem Interview redet er nur von einer „Illustratorin“, dass es sich dabei um seine Schwester handelt, die so gut bezahlt wird, erfährt man übrigens nur aus dem Begleittext. Auch wenn er AI-Graphiken nicht weiter betont, scheinen sie die in Zukunft zumindest vermeiden zu versuchen. Gut so.

Allerdings… stößt dieses Zitat auf: „We have paid tens of thousands of dollars to have those illustrations made. And not even by some East European illustrator or Asian illustrator, but actually by Western—someone living in the Western world will be doing all the illustrations“ (Wir haben zehntausende von Dollars für diese Illustratoren aufgegeben. Und die stammen nicht einmal von irgendwelchen Osteuropäischen oder asiatischen Illustratoren, sondern sind tatsächlich von einer Person aus dem Westen, jemand der wirklich in der westlichen Welt lebt).

Ist das eine unglückliche Formulierung oder schaut da ein rechtspopulistisches Weltbild hervor? Bereits vor drei Jahren ist Enoch Fryxelius durch ein Anti-Trans-Post bei Facebook aufgefallen. Travis Worthington hat damals versucht Schadensbegrenzung zu betreiben und zumindest hat Fryxelius den Post gelöscht und sich halbherzig entschuldigt. Die Geschichte schlug einige Wellen und bereits damals wurde der Verdacht geäußert, dass zumindest der CEO nicht ganz unproblematisch sei.

Inwieweit man die Äußerungen und das Gebahren für unglücklich oder prolematisch hält, wird jeder für sich selbst einsortieren müssen. Dasselbe gilt für den Umgang mit diesen. Ich selbst halte Fryxelius nicht für einen Nazi wie z.B. Robert Burke, an dessen Gesinnung er selbst keine Zweifel lässt. Auch haben die problematischen Aussagen noch nicht die Häufigkeit oder Qualität eines Phil Eklunds erreicht. Für mich persönlich (!) sind sie aber ein ziemlich eindeutiges Zeichen, dass Fryxelius Einstellungen bezüglich Trans-Personen und Ausländern nicht mit meinem Weltbild vereinbar ist. Georgios und Ich werde seine Spiele hier nicht mehr besprechen.

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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