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Talenscouting per Crowdfunding?

Autorenwettbewerbe sind eine großartige Sache.

Wer schon eine Weile in der Szene unterwegs ist und die nötigen Kontakte hat, bringt vielleicht nicht jedes Spiel an den Verlag,  aber hat zumindest die Möglichkeit Prototypen herumzuzeigen. Verlage sind aus verständlichen Gründen eher geneigt sich mit Prototypen von etablierten Autor*innen zu beschäftigen, als mit denen von Neulingen. Das aber macht es diesen schwerer einen Fuß in die Tür zu bekommen. Wettbewerbe sind da eine gute Sache, weil man auf sich aufmerksam machen kann. Oft sind zudem die Eingangsbedingungen restriktiver und das kann bei der Fokussierung helfen – ich habe schon das eine oder andere Spiel aufgrund eines Wettbewerbes erfunden (z.B. Taschkent).

Autorenwettbewerbe sind aber auch immer ein bisschen mit Vorsicht zu genießen.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Wettbewerbe mit eher undurchsichtigen Teilnahmebedingungen. Insbesondere im Punkto Urheberrecht muss -vor allem bei ausländischen Wettbewerben, wo die Rechtslage u.U. anders ist- genau hingeschaut werden. Was passiert mit den Prototypen nach dem Wettbewerb? Wenn das Gewinnerspiel veröffentlicht wird, was sind die Vertragsbedingungen? Nach deutschem Recht verliert man das Urheberrecht am eigenen Werk nicht, aber es gab schon Wettbewerbe, bei denen man den Veranstaltern automatisch lange Exklusivrechte einräumen musste, ohne dass dies klar kommuniziert wurde.

Also: Wettbewerbe: Unbedingt! Aber:  Nicht um jeden Preis.

Ravensburger hat nun einen Wettbewerb gestartet und wie man vom Schwergewicht der Branche erwarten kann, sind aus meiner Perspektive die Urheberrechtlichen Fragen gut erläutert. Die Jury ist kompetent besetzt. Das Autorenhonorar ist mit 10% sogar großzügig hoch… was daran liegt, dass es eigentlich kein Autorenhonorar ist, sondern eine Lizenzgebühr. Das macht stutzig. Und das nicht nur, weil Lizenzgebühren von Spielen (also wenn ein Verlag ein Spiel eines anderen Verlages machen möchte – in der Regel in einer anderen Sprache) zumindest nach meiner Erfahrung deutlich höher ausfallen. Von wem lizensiert Ravensburger denn?

Genau genommen vom Autoren. Denn die Jury wählt nur die Finalisten aus. Diese starten nun eine Crowdfunding-Kampagne auf Gamefound (Gamefound ist der Partner in diesem Wettbewerb). Kampagnenziel ist 30.000€, die muss das Spiel einsammeln, um produziert zu werden. Dabei kann die Kampagnenausgabe von der „Retail“-Version von Ravensburger abweichen. Mit anderen Worten: Die Teilnehmer:innen crowdfunden und produzieren (mit Hilfe von Gamefound wohl) das Spiel, dass Ravensburger dann produziert. Daher sind die 10% Lizenzgebühren, kein Autorenhonorar. Offenkundig ist das ganze nicht nur ein Autorenwettbewerb, sondern auch eine Art Gamefound-Workshop. Die angehenden Autor:innen müssen also nicht nur eine gute Idee haben, sie müssen (so wie ich das verstehe) auch ein Spiel produzieren und vor allem eine Kampagne managen. Das ist schon der Level eines Eigenverlages. Zudem ist nicht gewährleistet, dass Ravensburger tatsächlich das Spiel produziert – die Kampagne muss nicht nur erfolgreich sein, sie muss unter den erfolgreichen auch die Kampagne sein, mit den meisten Backern.

Nun kann man argumentieren, dass wenn man es geschafft hat, ein Spiel mit 30.000 € Fundingziel erfolgreich zu produzieren, auch ein Stückweit auf den Vertrag verzichten kann, da man ja bereits einen gewissen Erfolg hatte. Doch zum einen ist das natürlich auch eine Frage wie knapp man kalkuliert hat und ob man überhaupt eigenes Honoroar eingepreist hat (so ganz klar ist es nicht, wie sich die 30.000 EUR errechnen, nur dass dies eben die Hürde ist. Offenkundig muss das Spiel produziert werden, wenn die Backer ihr Geld gegeben haben – oder? Der Teil geht nicht klar hervor) Zum anderen kann ich nicht obhin festzustellen, dass Ravensburger hier sehr viel an die Teilnehmenden abgibt: Die Jury wählt 3 vielversprechende Vorschläge aus – Prima! Aber die eigentliche Entscheidung wird auf die Backer abgeschoben. Ein Gewinner wird von Ravensburger eigentlich nicht gekührt. Und das Angebot ein Spiel in einer Auflage von 10.000 zu produzieren, dass bereits von einigen Redakteuren (inkl. dem Hauseigenen) begutachtet wurde UND bereits eine erfolgreiche Kampagne inkl. Finanzierung hinter sich hat, ist kein sehr risikobehaftetes. Verlage scouten regelmäßig erfolgreiche Crowdfundingprodukte, hier sind nur die Wege kürzer und Ravensburger hat Erstzuschlagsrecht. Das ist schon sehr clever gemacht. Auf der anderen Seite schult Gamefound Autor:innen, die potentiell später dann eigene Idee per Crowdfunding selbst veröffentlichen – natürlich auf Gamefound. So wird Gamefounds Seite gegenüber dem großen Konkurrenten Kickstarter gestärkt.

Das Angebot ist nicht unseriös, aber ich finde es ein bisschen schwierig, einen „Autorenwettbewerb“ zu starten, wo das Gewinnerspiel bereits Erfolg auf dem Markt gehabt haben muss. Das geht am Gedanken der Nachwuchsförderung bzw. der Entdeckung von neuen Talenten vorbei. Wer eine so große Kampagne managen kann, hat vermutlich bereits einschlägige Erfahrung und/oder eine gewisse Fanbasis. Und könnte potentiell mehr als 10% Lizenzgebühren herausschlagen.

ciao

peer

Peer Sylvester
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