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Zwanzig Mal Fußball WM

Es gibt die Leute die Fußball als so toll empfinden, das sie sich möglichst alles dazu in den Kopf packen. Viele verfolgen was passiert und achten in erster Linie auf ihre eigene Lieblingsmannschaft. Es gibt auch die, die nur bei der Europameisterschaft und der Weltmeisterschaft aus ihren Löchern kriechen und sich mit dem Sport beschäftigen und es gibt natürlich noch die Totalverweigerer, die selbst solche Gelegenheiten komplett ignorieren sich mit diesem Sport zu beschäftigen. Ein Sport, der für sehr viele Menschen der wohl wichtigste Sport in ihrem Leben ist. Wie kann das nicht für jeden das Ereignis sein?

Bei uns Brettspielern ist das nicht viel anders. Da sind die Immer-Spieler, die einmal die Woche-Spieler, die Öfters-im-Jahr-Spieler und natürlich die Was-gibt-es-denn-unterm-Weihnachtsbaum Einmal-im-Jahr-Spieler. Doch selbst unter diesen gibt es Gruppen die nie auf einen Ast kommen. Es gibt die, die direkte Interaktion als wichtig empfinden, die Geselligen, die für jedes Kommunikationsspiel zu haben sind, die Strategiespieler, denen es nicht anspruchsvoll genug sein kann, die Beschäftiger, denen es nicht auf die Spielzeit ankommt, sondern auf das Entwickeln und natürlich die Thematiker, denen es am wichtigsten ist das ein Spiel seinen Flair vermittelt und nicht ausgewogen oder anspruchsvoll ist. Die Mischgruppen machen hier nochmals so einiges vielfältiger.

Aber wenn man jeden von diesen Spielern fragen würde was macht ein gutes Spiel aus, dann würden oft ähnliche Argumente kommen. Jeder will oft dasselbe und diese werden so schwammig wie möglich formuliert. Wenn diese aber an Beispielen festgemacht werden sollen, dann funktioniert das wieder nicht. Was der eine als fröhliches Kommunikationsspiel empfindet, ist für den anderen ein trockenes Glücksspiel. Während einer es als Interaktiv empfindet, bei Agricola dem anderen ein Feld wegzunehmen, er hätte ja schneller sein können, ist dem anderen Abluxxen schon zu kommunikativ und laut. Verkaufszahlen und Ranglisten können da demokratisch entscheiden, wenn es denn wichtig ist.

Nun ist ja gerade Weltmeisterschaft im Fußball und wenn man nicht nur die Spiele verfolgt, sondern ein paar andere Fetzen im Internet aufsammelt, dann kommen schon interessante Kleinigkeiten raus. Gerade in den USA kenne ich aus beruflichen Gründen einige Brett- und Kartenspieler und diese verfolgen auch den World Cup zum Teil mit mehr und zum Teil mit weniger Interesse oder Ablehnung. Das der Sport langsam in den USA Fuß fasst ist auch daran zu sehen, das an kein anderes Land soviel Karten verkauft wurden dieses Jahr wie an Interessierte aus der USA.

Natürlich werden da wieder unterschiedliche Aspekte beleuchtet. Einer ist es gewohnt über Magic-Turniere zu reden, von diesen zu berichten und die Spieler und ihre Decks zu durchleuchten, so dass er die kompetitiven Elemente ins Sichtfeld bringt. Für ihn sind die Spieler wie Karten in seinem Magic-Deck, und die Strategien lassen sich auf eine Art Stein-Schere-Papier runterbrechen. Solange er daran Spaß hat, freue ich mich über seine Beobachtungen und kann seinen ausführlichen Schlussfolgerungen folgen, auch wenn sie dann am Ende falsch liegen.

Ein anderer ist da weniger zimperlich und mault die ganze Zeit, was an dem Sport alles geändert werden müsste, um es interessanter zu gestalten. Kürzerer Spielblöcke, weniger Showeinlagen der Spieler, ein robusteres Regelwerk, und was noch alles an Ideen ankommt. Es ist seine erste WM die er mitverfolgt. Für jemanden der mit dem Sport nicht groß geworden ist, kann es auch sehr befremdlich wirken.

Mit diesem Mind-Set werden aber auch von vielen Brettspielern Neuheiten betrachtet. In 2 Wochen ist die Fußball-WM vorbei und dann schauen alle, die es bisher nicht getan haben, wieder auf Essen und seine Neuheiten. Durch das frühe Essen auf der GenCon gibt es einiges schon jetzt zu erleben und zu erfahren. Kickstarter- und Spieleschmiede-Aktionen bewerben ihr Spiel schon jetzt um möglichst viel Finanzierung zusammenzubekommen, wenn das Spiel dann in Essen da sein soll. Informationen werden hier aufgesaugt, wie ein Schwamm.

Und in Essen und danach kommen dann wieder möglichst viele Spiele auf den Tisch. Oft nur einmal und dann ab zum nächsten. Ich werde wieder erleben wie Leute ein Spiel zu früh beurteilen, weil sie es nicht kennen. Ein Spiel das seine Qualitäten, vermutlich erst ab dem zweiten oder gar dritten Spiel erblühen lässt, so wie das Kingdom Builder getan hatte. Manche winken schon nach der Anleitung ab, als ob die Feinheiten einem in 40 Seiten nur so entgegenbringen.

Ja. Viel Spielen macht einen schlauer, aber nicht immer ist alles so einfach zu entzaubern wie es diese Spieler darstellen. Ein Verlag der ein Spiel bestimmt 100 mal getestet hat ist vielleicht betriebslind geworden oder hat es so fein geschliffen, das jeder Spaß daran abperlt, oder es ist das grandiose Spiel geworden, das Spiel des Jahres wird. Dies aber nach einmal spielen zu erkennen ist selten bis nie drin. Die Masse kann etwas erkennen, aber nur wenn die Masse auch sich damit beschäftigt.

 

Matthias Nagy
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