Es war 1990 als in einem U-Comix ein toller Comic von Édika war. Damit ist nicht die Supermarktkette gemeint, sondern ein französischer Zeichner der sehr verrückten Figuren gemalt hat. In dem Comic ging es um einen Menschen der an einer Tür vorbeikam auf dem Stand sinngemäß: „Verein für Zweifler und Zögerer“. Die Person war interessiert und überlegt reinzugehen. Sie konnte sich aber nicht entscheiden zu klingeln, was sie auf Anhieb perfekt für den Verein gemacht hätte.
Heutzutage erlebe ich es, dass sehr viele Leute immer nur schnelle Spiele wollen. Die Anspruchsvollen Spiele, welche länger brauchen, damit sie sich auch besser entfalten können, dauern natürlich auch etwas länger, wenn mehrere Leute am Tisch nachdenken. Ein Spiel das einen ganzen Tag einnimmt und dabei seine Geschichte auch entfalten kann. Wenn ein Spiel 12 Stunden braucht um dass volle Gefühl zu entfalten winken die Leute ab. Alles muss schnell gehen, weil man hat ja keine Zeit.
Das Gespenst Analyse-Paralyse (AP) geht um. Die Leute fühlen sich unnötig, wenn sie warten müssen, sie können sich nicht sinnvoll beschäftigen. Ein SETI maximal zu zweit, ein Daitoshi maximal zu zweit, ein Civolution maximal zu zweit, ein Terraforming Mars maximal zu zweit. Downtime is der Horror. Und das nur weil sich so mancher Spieler nicht entscheiden kann. Vielleicht auch einer der Gründe für den Boom an 2er-Spielen. Das sollte nur jemand auch all den Verlagen sagen, die weiterhin behaupten 2er-Spiele würden sich in ihrem Markt nicht so gut verkaufen.
Gleichzeitig lechzen sie Spieler:innen nach Interaktion. Nach der Möglichkeit sich auszutauschen, denn sonst könnten sie ja auch einem der anderen Hobbies nachgehen. Was aber jeder unter Interaktion versteht, ist so offen, wie was es bedeutet, welche Farbe der Himmel hat. Und dennoch verkauft sich ein Dominion seit 15 Jahren wie geschnitten Brot, obwohl es den Begriff Multiplayer-Solitär überhaupt erst geschaffen hat. Und Solospiele, welche die größte Community-Gilde bei BGG haben, werden gefühlt abgestraft von der Jury, denn es mangelt ihnen an der so wichtigen Geselligkeit.
Aber niemand redet von Interaktionsspielen, sondern von der Geselligkeit. Diese Geselligkeit spüre ich auch, wenn ich zu viert eine Runde Nukleum über 4 Stunden spiele. Die Zeit, in der ein anderer Spieler nachdenkt, kann ich ebenfalls nachdenken, oder wenn ich keine Lust habe mich mit den anderen am Tisch unterhalten. Und was Interaktion bedeutet habe ich schon mit so manchem gestritten. Direkte Interaktion, Indirekte Interaktion, Gemeinheiten oder Hilfen. Das Wort ist fast so schwammig wie die Burgen von Spongebob- Diesen Spagat, dass es nicht solitär sein soll, aber auch nicht mehr als zwei Spieler, gleichzeitig aber kein reines Zweierspiel, weil ich möchte es doch mit 4 Spielern spielen können, ist sehr groß. Und man kann es nicht allen recht machen, denn sonst macht man es niemandem recht.
Dabei kann ich am Ende aber alles haben. Das Spiel, das ich
- alleine vor mich hin spiele als Beat-Your-Own Highscore, oder mit einem Bot auf ein Ziel hin;
- zu zweit spiele um mich hart zu bekämpfe und zu schauen, dass ich meine Gegenspieler:in bezwinge;
- zu viert oder fünft in langen Stunden erlebe und am Ende mit meiner Strategie die Zeit hatte sich zu entfalten auch gewinne oder nicht.
Was mir also fehlt ist etwas, was dem Kunden sagt, welche Zielgruppe ein Spiel angehen möchte. Einige Verlage wie Ravensburger und Amigo haben auf ihren Schachtelböden Skalen, welche da eine Hilfe darstellen sollen. Aber diese sind mir irgendwie nicht sehr hilfreich. Sie sind sehr weit davon entfernt mir zu sagen, was das Spiel macht. Gleichzeitig, ist sowas eh eher für Vielspieler hilfreich. Der Massenmarkt kann mit Fachbegriffen weniger anfangen. Und schließlich hat selbst BGG keine Möglichkeiten solche Elemente festzuhalten. Und wenn es nur via Nutzerbestimmung wäre, wie aktuell schon Komplexität und beste Spielerzahl.
Ich sitze also als Verleger da und fühle mich überfordert. Ich kann mich nicht entschließen welche die besten Kategorien wären, und ob man sie auf die Schachtel oder nur auf die Homepage packt. Ich zögere, denn es könnte den Kunden eher verwirren. Und diese Downtime betrifft keinen Spieltisch, sondern sitzt viel früher in der Kette. In dem Comic hatte sich die Person am Ende so oft umentschieden, dass sie sich verknotet hatte. Es gibt sie halt nicht immer, die Lösung.
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