spielbar.com

Ein gutes Spiel reicht nicht

Es ist schon etwas gruselig, dass ich letzte Woche über die Yvio Konsole schrieb und ein paar Stunden später der Verlag dicht gemacht hat. Hauptgrund dürfet wohl der Grund gewesen sein, weswegen in der Vergangenheit Videokonsolen wie Jaguar oder Neo scheiterten: Zu wenig Spiele! Ironie des Schicksals: Sollte auf die Pleite ein Abverkauf folgen, komme ich vielleicht doch zu einer Konsole…

Und wo wir gerade bei Rückblicken sind: Bioviva, der europäische Ableger von Kvale, wird jetzt in Deutschland (und Europaweit) von Asmodee vertrieben. Über Kvale habe ich hier berichtet.

Schließlich zum eigentlichen Thema: Es ist doch so: Es gibt mehr Verlage als je zuvor. Ist das gut für die Autoren? Zunächst einmal ganz klar Ja: Es gibt mehr Verlage und so mehr Auswahl wem man seinen Prototypen schicken kann. Allerdings sollte man sich von der schier unglaublichen Anzahl von Kleinverlagen auch nicht blenden lassen. Und das gleich aus mehreren Gründen:

1.) Viele Kleinverlage veröffentlichen nur ihre eigenen Spiele oder die Spiele aus deren Spielerunde.

2.) Kleinverlage aus dem Ausland benötigen oft englische Regeln und entsprechendes Spielmaterial

3.) Kleinverlage sind nicht unbedingt weniger wählerisch als große Verlage: Zwar bekommen sie weniger Prototypen, aber sie veröffentlichen ja auch viel weniger. Die Chance ist also nicht unbedingt sehr viel größer.

4.) Kleinverlage sind oft unprofessionell im Umgang mit Prototypen und mit Feedback.

5.) Auch Kleinverlage beachten den Markt. Viele Kleinverlage bringen im Prinzip dieselben Spiele heraus wie die großen. Allerhöchstens sind sie etwas mehr auf Vielspielerseite, aber richtige Nischenverlage sind in der Minderheit (Winsome Games oder Cocktail games fallen mir da ein).

Überhaupt: Natürlich ist das Wichtigste, dass das Spiel gut ist. Eigentlich sollte es sogar sehr gut sein, immerhin muss es sich gegen zahlreiche andere durchsetzen. Aber es ist auch falsch, dass ein sehr gutes Spiel auch veröffentlicht wird. Da spielen noch einige andere Faktoren mit rein:

1.) Originalität: Ein unoriginelles Spiel hat nicht so gute Chancen, klar. Aber auch zu originelle Spiele haben es schwer. Denn Originalität bedeutet: Ein neuer Weg. Und das bedeutet: Risiko. Gerade der deutsche Markt ist eher konservativ – ob ein Pandemie oder ein Betrayal hier veröffentlicht worden wäre, wären es nicht erfolgreiche Spiele gewesen, wage ich zu bezweifeln. Am besten ist wohl ein klassisches Spiel mit 1 -2 originellen Ideen, das sauber designed ist. Wenn es denn den anderen Kriterien genügt.

2.) Einfachheit. Alles was zu komplex oder zu lang (>120 Minuten) hat in Deutschland bei den regulären Verlagen keine Chance.

3.) Das Material muss stimmen: Spezialmaterial ist oft ein Minuspunkt, genauso wie zu viel Material. Dabei ist „zu viel“ relativ: Bei Kartenspielen ist alles was über die Karten hinausgeht eigentlich schon zu viel. Chips mögen gerade noch gehen, aber selbst die schränken die mögliche Verlagsauswahl bereits ein. (Eine Ausnahme möchte ich erwähnen: Es gibt Verlage – z.B. Theta – die suchen speziell Spiele mit Spezialmaterial)

Würde ich ein Spieleautorenrollenspiel machen, müsste man bei einem „Veröffentlichwurf“ auf die Güte des Spieles würfeln, wobei die oben stehenden Faktoren als Mali zählen. Ein etablierter Name zählt als Bonus (Franz-Benno Delonge meinte mal zu mir: „Ein gutes Spiel wird immer irgendwann veröffentlicht -und  wenn es 10 Jahre dauert – ein schlechtes nie. Bei den Spielen dazwischen hilft es, ein erfolgreicher Autor zu sein“). Garantiert ist der Erfolg dennoch nicht. Ein Beispiel soll das mal verdeutlichen: Vor „Ausgerechnet Buxtehude“, „Finden Sie Minden“ & Co designte ich ein Quizspiel, bei dem die Antworten auf einer Weltkarte zu finden waren (es waren immer Orte). Hier die Begründungen der Ablehnungen:

1. Verlag: Das Spiel ist zu groß für die kleine Schachtel und zu klein für die große Schachtel

2. Verlag: Das Spiel ist zu dicht an Ausgerechnet Buxtehude dran (Die Mechanismen sind komplett anders, aber es geht jeweils um Geographie)

3. Verlag: Das Spiel ist gut, wir wollens machen! Dann kurz vor der Vertragsunterzeichnung: Bei der letzten Testgruppe ist das Spiel dann durchgefallen, wir machens doch nicht.

4. Verlag: Wir würdens gerne machen, aber unser Chef mag keine Quizspiele.

5. Verlag: Wir werden in absehbarer Zeit keine Geographiespiele mehr machen.

Ich schreib das um eine Sache zu demonstrieren: Um ein Spiel zu veröffentlichen bedarf es nicht zuletzt Glück. Hätte ich das Spiel zwei Jahre früher fertig gehabt oder hätte der erste Verlag das nicht mitgenommen, wäre es wohl veröffentlicht wurden. Naja, vielleicht in 10 Jahren, wenn Gras über die Sache gewachsen ist…

Und selbst wenn es mit dem Vertrag klappt: Es kann immer noch was schief gehen: Der Verlag geht pleite oder ändert seine Zielrichtung (siehe Phalanx) und das Spiel wird doch nicht produziert (in diesem Fall bekommt man zwar eine kleine Entschädigung, aber man wollte das Spiel ja veröffentlichen….). Oder -wie gerade bei einem Bekannten passiert – der Verlag will/kann nicht zahlen.

Also doch lieber Lotto?

ciao

peer

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)