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No Sports?

Die Olympischen Winterspiele und ein Fussballturnier in Südafrika erwarten uns dieses Jahr. Das bedeutet, dass Sportspiele ihren Marktanteil von, äh, 0,00% auf 0,0000001% steigern werden (Nur zur Information: 27,35% aller Statistiken in Blogbeiträgen sind frei erfunden).
Es gibt kaum ein Produkt, für das es keine „Sportausgabe“ gibt. Sportspiele gehören für Videospielfirmen oft zu den Standbeinen im Programm. Warum ist das bei Brettspielen anders?

Fangen wir mit der Verlagsseite an: Die Verlage erzählen uns immer, Sportspiele gehen nicht! Und wenn man auch nicht alles glauben sollte, was Verlage so erzählen (hehe), ist diese Aussage kaum verkehrt:
Zum einen ist die Zielgruppe eingeschränkt: Sie muss sich für Spiele und die jeweilige Sportart interessieren. Zwar gibt es Spiele, die auch für die Nichtsportler interessant sind (z.B. En Garde), aber in erster Linie will ein Sportspiel ja den Sport simulieren und richtet sich dadurch explizit an Fans. Das wird dadurch verstärkt, als dass eine Simulation eine doppelte Einstiegshürde besitzt: Neben den Regeln des Spieles müssen ggf. auch die Regeln des Sports selbst erklärt werden. Das merkt man vor allem bei Simulationen wie Affentennis oder Trixkick: Die Regeln des Sports werden zwar erklärt, ich bezweifle aber, dass jemand ohne Kentnisse von Tennis bzw. Fußball, sie Regeln versteht…
Ein weiteres Problem sind dann natürlich oft Lizenzrechte, die bei Sport sehr hoch sind. Die Bundesliga ist ein besonderes Problem, da die Rechte offenbar nicht zentral verwaltet werden (wie bei der Premierleage oder der französischen Liga), sondern von jedem Club seperat. Kein Spieleverlag hat die Zeit – geschweige denn das Geld- um da passende Lizenzen zu erwerben. „Echte“ Namen vergörßern aber die Zielgruppe.
Und natürlich gibt es Videospiele und in Punkto Simulation kann da kein Brettspiel mithalten.

Aber es gibt auch größere Designtechnische Hürden: Sport ist deswegen spannend, weil es eben nicht vorhersehbar ist. Und es ist aufgrund der Unwägbarkeit der menschlichen Leistungsgrenzen unvorhersehbar: Kann der Sportler seine besten Leistungen abrufen oder nicht? Kann er sie vielleicht sogar übertreffen? Diese sportlichen Leistungen sind nun aber gerade der Teil, der beim Brettspiel zwangsläufig wegfällt und durch etwas anderes ersetzt oder ganz weggelassen werden muss.
Damit können Sportarten, bei denen es zu 100% um „Können“ geht nicht vernünftig simuliert werden und können bestenfalls als Kulisse dienen – Beispiele sind 100m Lauf oder Gewichtheben. Je taktischer ein Sport ist, desto eher umsetzbar ist er dagegen, da die Taktik zu 100% erhalten bleibt.
Allerdings gibt es neben der Taktik eben auch die Dynamik, also die Schnelligkeit eines Sports: Abseitig von Echtzeit-Geschicklichkeitsspielen kann der Spieler beliebig lang über Taktik nachdenken – Fussball wird zum Rasenschach. Ein Sport wird daher umso besser umsetzbar je taktischer er ist, desto weniger Zufälligkeiten es gibt und je weniger dynamisch er ist. Daher gibt es funktionierende Fussball- aber (soweit mir bekannt) keine guten Basketball- oder Handballspiele (bei letzterem ist zudem die Verbreitung des Sports wohl zu klein).
Gut funktionieren dagegen Fahrrad- oder Autorennspiele, denn da kann man sich gut auf die taktischen Seiten konzentrieren, ohne dass etwas Wesentliches fehlt.

Noch einmal zur Dynamik: Fussballspiele sind hier schön exemplarisch, denn sie zeigen gut die Möglichkeiten bei der Umsetzung eines Sports:
– durch Reduzierung auf das taktische (Schaumermal)
– durch Taktik gepaart mit Würfelei (Streetsoccer)
– durch Bluff / Kartenspiel (Unwägbarkeit durch Karten) – (Finale)
– durch Geschicklichkeit (Weykick)

Nur Sportarten, die sich durch diese Möglichkeiten simulieren lassen, können simuliert werden. Biathlon z.B. wäre durchaus als Mischung aus Rennspiel (z.B. Karten) mit einer Geschicklichkeitskomponente denkbar, während Skispringen kaum simulierbar ist (auch weil Otto-Normalspieler kaum wissen dürfte was genau die Sprungweite beeinflusst)

Allerdings kann ein Sportsthema durchaus als Aufhänger für ein Spiel dienen, dass keine Simulation versucht: BasketBoss z.B. ist eigentlich ein Wirtschaftsspiel und Basketball wird gar nicht simuliert – nur der Transfermarkt. Das genannte En Garde simuliert nicht die einzelnen Schwertbewegungen, sondern nur die Bewegung des Sportlers auf der Fechtbahn. Für eine Kniffelvariante hab ich auch schon ein Zehnkampfthema (ja es gibt da auch ein Spiel auf dem Markt…)verwendet etc. Allerdings ist das i.A. als Autor eine schlechte Strategie, denn Verlage mögen ja keine Sportthemen. Allenfalls der Massensport Fussball wird ab und an mal umgesetzt, wohl weil jeder die Regeln kennt und die Zielgruppe groß genug ist.
Denkbar ist aber eine Kleinauflage, die direkt für einen Sportvereinigung produziert wird. Ich weiß z.B. von einem Segelfliegeverein der mal an der Produktion eines Segelfliegespieles Interesse gezeigt hat (wurde aber wieder verworfen). Allerdings ist hier wieder das Problem, dass Sportler nicht unbedingt auch Spieler sind und einerseits keine komplizierten Spiele mögen, andererseits aber natürlich thematische Schwächen wenig tolerieren…

Insofern wird die Brettspiellandschaft wohl weiter eine eher Sportspielarme Zone bleiben (von Rennspielen mal ab) … Was Schade ist, als Autor, der die Herausforderungen liebt, hätte die Umsetzung einer interessanten Sportart tatsächlich mal einen ganz besonderen Reiz. Aber ein Spiel so völlig ohne Marktchancen zu entwickeln ist andererseits doch etwas demotivierend..

ciao
peer (der mal ein Segelspiel namens „Rund Fünen“ gemacht, aber nie einem Verlag vorgestellt hat)

Peer Sylvester
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3 Kommentare

  • Das hier ist zwar ein ganz alter Beitrag, aber ich bin jetzt erst darüber gestolpert. An der Grundaussage dürfte sich auch wenig bis gar nicht geändert haben. Zumindest hat meine Frage in diese Richtung im unknowns-Forum vor einen paar Tagen wenig bis gar keine Ergebnisse abseits von Renn- oder Fantasysportspielen ergeben. aber vielleicht gibt es hier ja noch ein paar Tipps?!

    Dabei würde ich nichts lieber spielen, als ein spannendes Sportspiel mit Anspruch bzw. zumindest ein Spiel, wo Sport eine Rolle spielt. Ich könnte mir zum Beispiel toll eine Art Worker Placement vorstellen, wo man eine Stadt auf die Austragung von Olympischen Spielen o.ä. vorbereiten muss. Aber das wäre dann wiederum so viel Sportspiel wie Russian Railroads ein „echtes“ Eisenbahnspiel ist.

  • Ich klammere Motorsport, Fantasy und Fussball (da habe ich ja Beispiele genannt) mal aus. Dann fallen mir als empfehlenswerte Simulationen ein:
    Breaking Away: Das realistischste Fahrradrennen, dass ich kenne (von der Taktik und Rennverlauf her)
    Regatta: Super Segel-Simulation
    Auf Gehts : Gute Biathlon-Umsetzung (Das Schießen ist eine Geschicklichkeitskomponente auf Zeit)
    Jab: Real-Time- Box-Simulation
    Affentennis: Natürlich großer Geschicklichkeitsanteil, aber mit Übung durchaus taktisch. Dasselbe gilt für
    Indoor Curling .

    Außer bei Basket-Boss managed man natürlich auch beim Blood Bowl-Kartenspiel eine Mannschaft. Über den Realismusgehalt lässt sich streiten.

    Was deinen zweiten Absatz betrifft: Ich habe vorletztes Jahr ein Engine-Spiel entwickelt, bei dem man versucht genügend Stimmen für die Olympischen Spiele zu bekommen. Das funktioniert über ein Spezialwürfelsystem, auf dass ich durchaus stolz bin. Bislang hat aber noch kein Verlag angebissen (Jaja, das Thema…) Wenn dich Bastelarbeit nicht abschreckt, kann ich dir durchaus das Material mailen- schreibe mir dann eine PM.

  • Spontan fallen mir noch zwei sehr gelungene Sportsimulationen ein:

    – Um Reifenbreite (Radrennen) erschienen vor vielen, vielen Jahren bei Jumbo
    – K2 (Bergsteigen) erschienen bei ?