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Panikmache 101

Ich komme gerade vom einkaufen, in dem angeblich so schrecklichen Schneeblizzard, der das gesamte Leben wie wir es kennen, stilllegen soll und dessen Ankündigung gestern zu panischen Hamsterkäufen führte. Um mal mit Leisure Suit Larry zu sprechen: „Somehow you expected more…“

Aber Panikmachende Ansagen kennen Spieler ebenfalls: Vasco da Gama ist ausverkauft! Neuauflage erst im Dezember! Alice im Wonderland Parade ist schon weg! Wo bekommt man das noch? Ich hab ein Spiel verpasst, dass gut ist! ohgottohgottohgottohgott…

Es ist schon komisch: Vor fünf Jahren mag es noch Gründe gegeben haben, in Panik zu verfallen. Aber heutzutage?

Erfolgreiche Spiele werden (mit ganz wenigen Ausnahmen) wieder aufgelegt. Und mittlerweile gibt es genügend Kleinverlage, die sich sogar eher unbekannteren Perlen annehmen. Und was als „Klassiker“ bekannt ist, erscheint ebenfalls (Meine beiden Topp-Suchspiele 1830 und Magic Realm sind beide für 2010 angekündigt). Das hat zwei interessante Nebeneffekte:

Zum einen bedeutet „Sammeln“ jetzt sich noch mehr auf bestimmte Ausgaben zu konzentrieren. Früher war ein Sammler quasi jemand, der obskure Spiele im Schrank stehen hat. Die meisten dieser Spieler gibt es jetzt in zahlreichen Neuauflagen. Wer sich auf „Klassiker“ spezialisisert stellt fest, dass die Klassiker im neuen – z.T. stark verbessertem – Look erscheinen und der „Sammlerwert“ der Urausgabe sinkt. Statt „Hey, ich habe ein 1853“ heißt es nun „Hey, ich habe die 1853 Originalausgabe, nicht die von Lookout“, was zumindest unter reinen Spielern etwas weniger beeindruckend klingt :-)

Zum anderen stellt man immer wieder fest, das einige „Klassiker“ dann doch nicht so toll sind, wie man anhand der „Sammlermeinung“ hätte denken können. Da steckt noch nicht mal Absicht dahinter: Wer sich mit Mühe und viel Geld ein seltenes Exemplar eines „Gralspieles“ gesichert hat, wird den Spielspass letztlich durch eine rosarote Brille betrachten (das ist sogar in Experimenten nachgewiesen!) . Kommt das Spiel dann „regulär“ heraus, macht sich Ernüchterung breit: DAS galt wirklich mal als tolles Spiel? Ob Schwimmende Inseln oder jüngst Big Boss (Damit meine ich nicht die Alcazar-Variante, die ich ganz nett finde) oftmals entpuppt sich der damalige Spielwert im nachhinein als Sammlerwert.

Das wird auch im kommenden Jahr so sein. Hoffentlich nicht bei 1830 und Magic Realm, aber sonsts heißts: Schaunmermal!

Immerhin beginnt das Jahr gleich mit drei neuen Rezis:
Banangrams, Undercover in Europa und Trivial Pursuit Team

ciao

peer

P.S. Ich wurde nach Strategien/Tipps für „Bastos!“ gefragt. Ich habe Rick Heli einige Tipps in englisch zukommen lassen, die ich hier -unübersetzt – wiederhole:

To give strategy advices is not easy however, because Bastos is quite subtle. But most of all because it depends heavenly on the group: There are two types of group dynamics:
In the constructive groups everyone tries to maximize their own scores, in the destrucitve groups everyone tries to minimize the scores of the opponent. Usually its best to swim with the group or else it will be an uphill battle which just wastes bastos-cards. Only in the last round it can be good to target the player(s) that lie ahead of you, so you can scoe more points them him.
For picking the Bastos-colour: In true destructivegroups (and on the first round of a game I dont know the group behavior) I tend to pick the suit were I have most cards. In the constructive groups I tend to pick the suit where I have a middling number (say: 3) of cards. The values of the cards are also important: I have a strong suit (many high cards) I tend to use it for points in constructive groups and as Bastos colour in destructive groups.

Considering trump: If you have the chance to declare trump you should do so if
a) you have a lot of trump cards and a lot of Bastos-Cards left to raise the score
b) You dont have any more trump crads (just the card necessary to declare trump), but you know there are still more cards of the potential trump suit out there to lower the scores of the opponents.

Peer Sylvester
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5 Kommentare

  • Magic Realm Reprint?

    Ist das dieses (nicht zutreffende) Z-Man-Gerücht oder hast Du andere Informationen?
    Richard Hamblen, der Autor, wehrt sich ja gegen Neuauflagen seiner Klassiker. Die Rechte für Merchants of Venus und Magic Realm (und vermutlich weiteren Schätzchen) liegen bei ihm.

  • Es sollte einen weiteren interessierten Verlag geben, bei näherem Überprüfen der Quelle sieht es aber jetzt doch mehr nach einem Gerücht aus. Schade!
    Woher weißt du, dass sich der Autor gegen Neuauflagen wehrt? Das wäre gut zu wissen, denn Klassiker werden nur dann nicht wieder aufgelegt, wenn die Autoren dagegen sind (Ludoliere-Spiele) oder unbekannt sind (Crude/McMulti).
    Wie kam es damals zur (online-) dritten Auflage?

  • Seit vielen Jahren gibt es auf Boardgamegeek und anderen Seiten ernstzunehmende Beiträge von Leuten, die mit Hamblen Kontakt hatten – immer gleichbleibender Tenor: was Fans mit seinen Spielen machen, ist ihm (derzeit) schnurz, kommerzielle Neuauflage und Auswertung kommen nicht in Frage.

    Meinst Du mit 3. Auflage die Neugestaltung von „carthaginian“? Der hat das einfach so gemacht, wie so viele, blauäugige Fans ohne Erlaubnis liebevollen Krempel für ihr Lieblingsspiel erstellen. Schlaue Spielverlage lassen die gewähren, andere sehen das nicht so gelassen.

  • >Schlaue Spielverlage lassen die gewähren, andere sehen das nicht so gelassen.

    Ist ja nur ein Copyright was da verletzt wird,passt schon! Wieso ist ein Spieleverlag schlau, wenn er in der heutigen Zeit jemanden wir Carthagian gewähren lässt? Vor 15 Jahren gab es nicht die Möglichkeit, ein Spiel quasi komplett digital zum Download, irgendwo zum Runterladen. Es gab Modems , es gab keine BGG, keine billigen Farblaserdrucker, keine Tools für Hinz undKunz Spielpläne zu erstellen. Ich denke da wird AH sprich WOTC sprich Mattel sprich Mattel noch gewaltig dazwischen hauen, wenn die das mitbekommen.
    Wenn Du auf die Dominionkartensache auf Unknowns anspielst, hat Bernd, glaube ich, seine Position hinreichend erklärt.

  • >Ist ja nur ein Copyright was da verletzt wird,passt schon! <
    Ja, es ist eine Copyrightverletzung. Ja, in einigen Ländern *kann* ein Verlag durch stillschweigende oder sonstwie geartete Duldung solcher Dinge seine Rechte theoretisch verlieren. Ja, wenn ein Fan solche Sachen kommerziell vermarktet, wird die Sache unverschämt und kriminell.

    Aber die meisten Verlage bleiben auf dem Teppich, denn: man muss schon ziemlich irre (im guten Sinn) sein, ein Spiel wie Magic Realm nachzubasteln – auch im Zeitalter der "billigen" Laserdrucker kostet einen das an Material und Zeitaufwand ein Vermögen. Wie viele Spieler machen das also? Die Anzahl ist überschaubar.
    Ich behaupte: Der Werbeeffekt überwiegt. MR ist ein ungünstiges Beispiel, da nicht mehr auf dem Markt.

    Aber durch, ich zitiere mich "liebevollen Krempel für ihr Lieblingsspiel" sorgen Fans dafür, dass man auf das Original aufmerksam wird und es sich oft sogar zulegt. Ist wie die (offiziellen) Beigaben in der Spielbox, die ähnliches auslösen.
    Schön wäre es, wenn die Fans vorher um Erlaubnis fragen würden – Minimum ist ein Hinweis auf die Rechteinhaber (Universal Head, der auf Boardgamegeek Spielhilfen veröffentlicht und auf seiner eigenen Seite sogar ganze Spiele, ist da ein gutes(?) Beispiel).

    Komplettnachbaue entstehen doch fast nur bei lang vergriffenen Spielen. Klar, dass ich als Rechteinhaber, der das Spiel dann doch neu auflegt (vielleicht ja, weil ich durch das Interesse an der "Raubfassung" überhaupt erst drauf gebracht wurde), die Verbreitung der Komplettfassung untersage. Der Witz bei so etwas ist dann: Alle Nachbauer kaufen sich erfahrungsgemäß die Neuauflage (weil sie ja doch normalerweise in vielerlei Hinsicht aufgebohrt und verbessert ist).
    War bei mir so (in sehr jungen Jahren) beim Ravensburger "Öl für uns alle". Die 60er-Jahre Urfassung hatte ich aus dem Gedächtnis (mit Pappe aus Hemdenverpackungen, Tonpapier mit schreibmaschinengetippten Texten) nachgebastelt – und dann die Neuauflage erworben, als sie rauskam (nebenbei: Mann, bin ich froh, dass ich das nicht mehr spielen muss!). Das wird auch bei der Dune-Neuauflage von FFG wohl so sein, sollte sie mal rauskommen und das ist auch bei Geschichten aus 1001 Nacht so gewesen (dort hatte der Autor meines Wissens der elektronischen US-Fanfassung sein Okay gegeben).

    Bei den Dominionkarten weiß ich nicht genau, worum es geht – war das die Idee, solche im großen Stil drucken zu lassen? Das hätte ich aber "unknowns" nicht zugeordnet, war irgendwo anders …
    Sobald Geld eine Rolle spielt, hört der Spaß auch für mich auf – selbst der "Selbstkostenpreis" bekommt dann ein Geschmäckle.