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Neutralität?

„Ich hasse diese dreckigen Neutralen, Kif! Bei Feinden weiß man woran man ist – Bei Neutralen weiß man nie was sie vorhaben. Sie machen mich krank!“

– Zapp Brannigan

Nicht das mir die Themen ausgehen würden, aber ich habe einfach bemerkt, dass meine Replik zu Jürgens Post über Wolfgang Friebes Post so lang wurde, dass es seinen eigenen Eintrag verdient hat. Betrachtet es als Gegenrede zum Urpost. Nächste Woche kommt dann was neues ;-)

1.) Unterschieden wird bei keinem Post zwischen bewusster Manipulation und theoretischer Beeinflussbarkeit. Um nicht denselben Fehler zu begehen beginne ich mit der eigentlichen Frage: Dürfen Rezensionen (und Blogeinträge) von Leuten geschrieben werden, die in der Szene involviert sind? Warum sollten sie nicht? Das Argument geht dahin, dass jemand, der in der Szene involviert ist, seine Autorität nutzen kann, um die Leser zu täuschen und die Spiele seines Verlages bzw. seine eigenen zu pushen und die der Konkurrenz herunterzuwerten.

Nun sind dazu drei Dinge zu sagen: 1. ist es eine Frage der Transparenz, der Leser sollte wissen, dass der Rezischreiber selbst Autor ist. Das ist aber sekundär gegenüber 2. nämlich dass auch Autoren durchaus eine Meinung zu anderen Spielen haben. Nur weil ein Spiel veröffentlicht wurde ändert sich an der Meinung (und der Erfahrung in der Szene) nichts und das kann 3. ein mündiger Leser durchaus richtig bewerten. Leser sind nämlich durchaus nicht blöd. Es gibt rund 100 deutschsprachige Rezensionsseiten (so zumindest meine kurze Zählung bei Luding) wobei die meisten User sicherlich auf die großen Seiten (Hall, Reich der Spiele, Spielphase…) entfallen und sich die anderen mit den Brosamen begnügen müssen. Eine Webseite die „unehrliche“ Rezis erstellt wird bald gemieden werden. Eine Website, die gerne Werbung im Forum macht, hat bereits den Ruf weg alle Spiele über den grünen Klee zu loben und wird Probleme haben, sich einen Leserstamm aufzubauen.

Hinzu kommt noch, dass die meisten Webseiten familiäre Angelegenheiten sind und gar keinen professionellen Anspruch haben. Wer von seinen Lieblingsspielen berichtet darf das tun – auch wenn er Autor ist – ebenso wie ich von meinen Lieblingsfilmen berichten darf. Erlaubt ist, was interessiert.

Und der vielleicht wichtigste Punkt: WARUM sollte ich eine Rezension verfälschen? Das ist mir nie ganz klar geworden. Wer z.B. denkt, ich würde eine Rezi positiver bewerten, weil ich einen Prototyp bei dem Verlag liegen hat, hat einfach eine völlig falsche Vorstellung von der Professionalität der Spieleverlage. Vielleicht sollte er sich die Frage stellen was es den Verlag kosten würde einen Flop zu produzieren (also mein Spiel zu veröffentlichen, obwohl es mist ist, nur weil ich eine tolle Rezi geschrieben habe), was die Rezi den Verlag an Mehreinnahmen bringt und diese beiden Summen mal gegeneinander abzuwägen.

Und wenn der Verlag mein Spiel bereits produziert hat? Dann existiert eine finanzielle Abhängigkeit. Warum jetzt die Rezi dadurch positiver wird, ist mir immer noch nicht klar – ich hab mein Ziel ja erreicht – aber hier ist der bloße Verdacht, es könnte was beeinflusst sein tatsächlich ein Argument keine Rezi zu schreiben. Sogar das EINZIGE Argument das mir einfällt! „Niemand kann seine eigenen Kinder objektiv zensieren. Und wer es kann, dem wird es nicht geglaubt“ – Alter Lehrerweisheit.

2.) Ein besonders schräges Argument (was übrigens auch schon als Grund aufgeführt wurde, warum man  als Autor keine Spiele anderer Autoren bei Boardgamegeek bewerten sollte!) ist, dass andere Autoren eine solche Rezi irgendwie als „Kameradenschweinerei“ werten würde. „Auch wenn man nur Lobeshymnen verteilt, rezensierende Autoren urteilen doch über Kollegen und Konkurrenten. Tut man das? “ fragt Friebe. Nun ich lese gerne Rezensionen anderer Autoren von meinen Spielen. Und ich habe noch keinen Autoren getroffen, denn Rezis oder Eindrücke von Kollegen stören würden. Zum einen ist man es als Autor gewohnt kritisiert zu werden, vor allem aber sind Rezensionen von Autoren nicht selten sogar treffender als von Nicht-Autoren! Autoren kennen sich Mechanismen aus und wissen oft genau welcher Mechanismus welchen spielspaßfördernden Effekt hab. „Unfaire“ Rezis mit nicht nachvollziehbarer Begründung sind bei Autoren im Mittel seltener. Und letztere sind just die Rezis die mich stören! Wenn ein Autor meine Arbeit zu würdigen weiß, so ist das daher um so besser und freut mehr.

3) Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein! Wenn man fordert dass es keine Beeinflussung geben soll, dann muss man sich damit auseinandersetzen, dass man selbst aller Wahrscheinlichkeit nach weder neutral noch unbeeinflusst ist. Und wenn es ein solches (unbeeinflusstes) Wesen gäbe, dann hätte es vermutlich keine Ahnung :-) Um das Auszuführen: Wenn man über die Spieleszene schreibt, dann sollte man Bestandteil derer sein, sonst hat man nicht viel beizutragen. Im Spielboxforum tauchen regelmäßig Postings auf, die laut rufen „So muss Verlag X handeln“ die offensichtlich keine Ahnung haben wovon sie schreiben. Wer weiß mit was er sich beschäftigt, nimmt aber Teil. Und selbst wenn keine finanziellen Abhängigkeiten existieren, so lernt man doch Leute kennen, die einem mehr oder weniger sympathisch sind. Ich schreibe keine Rezis von Spielen, die Freunde von mir gemacht haben – obwohl keine finanzielle Abhängigkeit exisitiert. Dass jemand aus einer Rezensentenrunde selbst Autor ist, selbst Testspieler bei einem Autor ist, selbst Verlagsleute kennt oder selbst einer ist ist nicht unwahrscheinlich. Dass Rezensenten keine Autoren kennen ist praktisch unmöglich. Und wer sagt mir, dass Wolfgang mein nächstes Spiel nicht verreißt, weil ich diesen Text verfasst habe? Oder mein nächstes Spiel lobt, um zu zeigen, dass er unbeeinflusst ist? QED!  Unbeeinflussbarkeit ist ein Mythos!

Und selbst wenn das kein Problem darstellt: Professionelle Zeitschriften sind auf Werbekunden und Rezensionsexemplare angewiesen. Sie bekommen also direkt Geld und Wertgegenstände (Spiele) für die Rezis in die Hand gedrückt. Ohne letztere wäre ein Zeitschriftenbetrieb schwierig ohne erstere unmöglich. Und das diese Anmerkung nicht weit hergeholt ist, zeigt die Computerspielindustrie, bei der einige Computermagazine regelrecht erpresst wurden, was einige an den Rande der Liquidität brachte und andere bestechlich machte.

Natürlich gibt es klare Manipulationen. Ob der Promoter von Verlag x jetzt tatsächlich manipulieren wollte oder ob die Noten vielleicht diffierenzierter waren (dass er die Spiele seines Verlages bewerten konnte überrascht nicht – die kennt er ja) dazu fehlt mir die Einsicht. Ob man Promoter und Verlagsangehörige aus den Polls ausschließen sollte? Keine Ahnung, man erkauft sich diese Sample-Bias aber mit Heuchlerei – denn wenn ich nicht voten darf, dann meine 10 Freunde, die sonst keiner kennt. Dass die Verlage, die dicht am Fairplaypoll stehen, oft überraschend besser abschneiden ist seit Jahren ein offenes Geheimnis in Essen. Na und? Es ist ein Ersteindruckspoll, nicht die deutsche Verfassung!

Das  Hall9000 bei der Abstimmung, an der nur Hall-Leute mitmachen durften das Hall-eigene Loyang gewinnen lässt, ist lächerlich, aber nicht schlimm. Ich kenne niemanden, der das irgendwie ernst nehmen würde. Und damit wären wir wieder bei mündigen Lesern…

ciao

peer

Peer Sylvester
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7 Kommentare

  • Obwohl ich dazu eigentlich nichts sagen will und es auch ein wenig für unklug halte, möchte ich klarstellen, dass Hall Games nicht Hall9000-eigen ist. Leider gelingt es Hall Games nicht, begründet durch die Namenswahl und der Tatsache, dass man das gleiche Forum nutzt, das deutlich zu machen…

    Ich schreib das nur, weil es mich ein wenig ärgert, dass das so verstanden und rausposaunt wird. Einfach, weil es falsch ist.

    Was übrigens auch falsch ist: Bei der Hall9000-Abstimmung dürfen nicht nur Hall9000-Leute mitmachen. Allerdings entscheiden die Hall9000-Macher schon, wer mitmacht.

    Ich versteh nicht ganz, warum du faktisch falsche Details raushaust? Du solltest dich informieren, bevor du so was in die Welt setzt.

    Allerdings kann ich die Mißverständnisse verstehen. Siehe Namenswahl und Forumswahl.

    LG…ode.

  • Hi Ode,
    da war ich etwas ungenau, aber -ehrlich gesagt – nicht sehr. Hallgames und Hall haben den gleiche Initiator und wird z.T. von denselben Leuten betrieben (wenn auch „parallel“). Auf der Hallseite heißt es z.B. : „Diese Website [Hall] war inzwischen so etwas wie meine „Internet-Heimat“ geworden.
    Da lag der Gedanke nahe, sich hier und dort gegenseitig zu unterstützen – z.B. bei der Messeplanung oder bei der Entwicklung der Website.“ Natürlich schreiben andere Leute die Rezis als die Spiele machen – aber wenn Queen Games ein Online,agazin herausbringt, betrachte ich deren kritiken auch anders als die von der Spielbox. Letztlich trifft das zu, was ich oben schrieb: Der Leser weiß, was er davon halten soll.
    Und ja, es duften auch nicht-Haller abstimmen, aber nur mit Erlaubnis der Hall-Macher. Ich hab das Ergebnis für mich entsprechend gewertet.

  • Hallo Peer,

    als Spieler, Rezensent und Verleger kann ich grundsätzlich alles bestätigen, was du geschrieben hast.

    Da mein Verlag hier namentlich genannt wird, möchte ich doch ein Detail klarstellen: Hall Games und Hall9000 haben nicht die gleichen Initiatoren. Frank betreibt Hall9000, ich den Verlag. Dass man sich auf freundschaftlicher Basis hilft, hat nichts mit der Verantwortlichkeit zu tun.

    Und zur Bemerkung der Lächerlichkeit: Natürlich haben Frank und ich überlegt, wie wir das mit Loyang im Hall9000-Ranking handhaben. Wir sind aber zum Schluss gekommen, dass es viel lächerlicher wäre, Loyang nicht in die Liste aufzunehmen. Wenn wir alle Spiele weglassen würden, bei denen wir eine persönliche Beziehung zu einen Autor, Redakteur oder Verleger haben, würde die Liste sonst recht kurz ausfallen.
    Im Gegenteil: Durch die Wahl des Verlagsnamens habe ich die von dir gewünschte Transparenz geschaffen, dass hier eine Verbindung besteht, so dass ein „mündiger Leser“ das in seiner Beurteilung des Rankings berücksichtigen kann.

    Hätte ich einen anderen Verlagsnamen gewählt, hätte ich mich keinem Beeinflussungsvorwurf ausgesetzt – das wäre für mich einfacher gewesen. Diese gelebte Transparenz jetzt „lächerlich“ zu nennen, ist etwas inkonsequent, oder? ;-)

    Übrigens hat Loyang das Ranking nicht gewonnen, sondern wurde 3. oder 4., was in etwa der Platzierung beim Fairplay-Ranking entspricht (dorthin habe ich keine Beziehungen)

    Aber wie gesagt: Ansonsten 100% Zustimmung!

    Viele Grüße
    Ralph

  • Ralph, Danke für die Klarstellungen. Ich begrüße die Transparenz – und ihr habt den Namen ja gerade gewählt um „Die Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen“ (direkt von der Seite übernommen). Wäre ja komisch, wenn man jetzt so tun müsste, als gäbe es die Verbundenheit nicht. Ist ja auch völlig OK (ich denke/hoffe das ist auch deutlich geworden). Hall9000 wird Loyang kaum rezensieren und so wäre es -meine ich – konsequent gewesen, es auch aus der Liste herauszunehmen – vielleicht extra zu werten oder so.
    Als ich nachgeguckt habe (ich dachte es wäre schon am Sonntag gewesen) udn sah, dass Loyang oben ist, dachte ich „Wo auch sonst?“ und das hätte nicht sein müssen (ging übrigens nicht mir so, ich hab einige diesbezügliche Kommentare gehört).
    Ich freue mich übrigens, dass du so konstruktiv hier Rede udn Antwort stehst – das zeugt von Transparanz und Professionalitöt!

  • „Eine Website, die gerne Werbung im Forum macht, hat bereits den Ruf weg alle Spiele über den grünen Klee zu loben und wird Probleme haben, sich einen Leserstamm aufzubauen.“

    Hallo Peer,

    da ich gerade zu Weihnachten einige websites besucht habe, würde ich gerne wissen, welche Website das ist, um sie entweder nicht mehr oder erst gar nicht zum erstenmal aufsuche. :-)

    Gruss
    Hans