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Philippe Keyaerts und Charles Darwin

Vor etwas mehr als 10 Jahren ging ich in den Hamburger Spieleladen „Das Spiel“ und fragte nach einem Prügelspiel für 3-6 Personen, dass auch zu dritt funktioniert, nicht länger als 90 Minuten dauert und bei dem die Würfel keine allzu große Rolle spielen.
Der Verkäufer war ratlos. Er suchte ein paar empfehlenswerte Spiele raus (darunter Titan, Zargos und Material World), musste aber zugeben, dass es ein solches Spiel nicht gäbe.
Eine klare Lücke im Spieleangebot!
Ein halbes Jahr später kam Vinci raus. Und das entsprach genau meinen Vorstellungen (obwohl die Regel der ersten Auflage ziemlich viele Fehler enthielt). Vinci gehört immer noch zu meinen absoluten Lieblingsspielen: Das einfache System, die kurze Spieldauer und -ja!- dass es mit sechst genauso gut funktioniert wie zu dritt sind alles Vorzüge, die es immer noch ziemlich einzigartig machen.
Insofern freut es mich, dass dieses Spiel wieder neu aufgelegt wird und zwar als „Small World“. Was ich bislang las deutet darauf hin, dass die Regeln weitestgehend identisch geblieben sind. Es gibt aber neue Völkerfähigkeiten, die aber nicht mehr so frei kombinierbar sind, wie im Urspiel. Warten wirs ab!

Sieht man von dem obskuren Space Blast (von dem ich noch nie gehört habe) ab, hat Keyaerts nur ein weiteres Spiel veröffentlicht: Evo. Auch Evo ist ein ausgezeichnetes Spiel und aus Marketing Gesichtspunkten wäre eine Veröffentlichung von Evo logischer gewesen. Wieso? Weil dieses Jahr der 200ste Geburtstag von Charles Darwin gefeiert wird. Auch sein bekanntestes Werk „Über die Enstehung der Arten“ feiert ein rudes Jubiläum. Da hätte sich eine Neuauflage angeboten, die dann gut zu den ganzen Artikeln und Büchern die dieses Jahr zum Thema „Evolution“ erscheinen werden, passen würde. Aber die Spielindustrie achtet nicht auf solche Dinge. Was einerseits ganz beruhigend ist, andererseits vielleicht auch zeigt, wie klein dieser Wirtschaftszweig nach wie vor ist.

Andererseits: So gerne ich auch Evo spiele, es ist kein richtiges Evolutionsspiel. Hier entscheiden die Spieler, was für eine Eigenschaft ihr Tier bekommt und entscheiden dann entsprechend wo und wie es lebt. Eigentlich bestimmt ja die Umwelt wie sich das Tier entwickelt… Aber naja. Evolution ist ein schwieriges Thema und auch wenn eine Reihe Spiele erschienen sind (Tyranno-Ex, Evolution, Quirks…) bekommt doch keines der mir bekannten die Probleme, die ein richtiges Evolutionsspiel aufwirft so richtig in den Griff: Ein richtiges Evolutionsspiel sollte wirklich einen langen Zeitraum abdecken, die Wesen sollten sich immer weiter entwickeln und die anpssungsfähigsten gewinnen. Das alles dauert Zeit, sorgt für viel Buchhalterei, für viele Regeln und eine gewisse Unübersichtlichkeit. Oder man vereinfacht alles und hat ein witziges Spiel wie Evo, wo sich aber im Prinzip nichts entwickelt, sondern wo man „Upgrades“ für seine Tiere kauft, als wären es Autos. Es ist lange kein Evolutionsspiel mehr erschienen – Vielleicht fühlt sich ja jemand berufen?

Und mal was ganz anderes: Ich habe Android von Kevin Wilson gespielt. Android ist ein Science Fiction – Krimispiel, bei dem die Spieler einerseits einen Mörder jagen müssne, andererseits auch alle eine eigene Story haben, um die sie sich kümmern. Das ganze bietet Tonnen von Möglichkeiten und die Spielwelt ist einfach unglaublich umfangreich. Und genau das ist das Problem. Die erste Partie war einfach überwältigend. Man (oder zumindest wir) konnten die ganze Athmosphäre (Ein Großteil der Karten besteht z.B. aus Flavor Text) überhaupt nicht genießen, weil wir alle Hände voll zu tun hatten, das Spiel und die Spielzusammenhänge zu verstehen. Erst nach einigen Stunden lichtete sich der Nebel ein wenig, aber selbst dann wars alles andere als flüssig. Hauptgrund sind die Karten, die einerseits sehr wichtig sind, andererseits erst einmal verstanden werden müssen. Und Karten können beim eigenen und beim gegnerischen Zug gespielt werden, so dass man ständig alles überprüfen muss. Und so richtig behilflich ist das Spiel einem auch nicht: Es muss eine Menge Spielvokabular gelernt werden (damt meine ich nicht die englischen Begriffe an sich – der englische Text ist gut verständlich – sondern einfach die Namen für die Counter, Eigenschaften, Karten, Spielelemente…) es gibt eine Menge „Buchhalterei“ und dass jeder Charakter noch Sonderregeln mitbringt ist zwar spielerisch interessant, erhöht die ohnehin schon hohe Einstiegshürde noch. Und wäre es wirklich zu viel verlankt gewesen auf die „Favors“ draufzuschreiben, um welche Art es sich handelt?
Wenn jetzt der Eindruck entseht, ich halte Android für ein schlechtes Spiel, der irrt. Ich (und die meisten meiner Mitspieler) fanden es durchaus interessant. Nur hab ich selten ein Spiel erlebt, wo ich so wenig das Gefühl hatte, ich finde mich einigermaßen zurecht. Wenn ich es wieder spielen würde (und das würde ich durchaus) dann nur zu dritt. Dann sind die Runden kürzer, es sind weniger Charaktere (und damit Sonderregeln) im Spiel, weniger Zeugen, alles ist etwas übersichtlicher. Aber zu fünft würde ich es nicht mehr spielen. Außer das unwahrscheinliche passiert und alle beherrschen das Spiel aus dem FF.

ciao
peer

Peer Sylvester
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3 Kommentare

  • Moin Peer,
    das Thema Evolution ist wirklich interessant. Aber das wichtigste Problem bei Spielen, die dieses Thema umsetzen wollen, ist eben, dass sich die Auslese von selbst, hier also aus dem Spiel heraus ergeben muss. Was kann da also der Spieler tun? Das einzige wäre doch, den Part des Zufalls zu übernehmen, der für Mutationen sorgt. Ansonsten sieht man nur zu, was passiert. Und das fand ich schon bei Galaxy Trucker weniger prickelnd.

    Andreas

  • Mmh, kennst du SimEarth? Man kann dort gezielt einige Spezies fördern, die sich dann „alleine“ entwickeln. Und/oder man kann die Umwelt gezielt beeinflussen, um bestimmte Kreaturen zu erzeugen.
    Man kann natürlich auch etwas gezielter zu Werke gehen, aber dass könnte/sollte dann schon etwas subtiler laufen als bei Evo.
    Und Evolution wäre auch ein möglicher Mechanismus für Induktions/Deduktionsspiele.