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The best of the best of the best

Ich lese gerne Bücher über Spiele – besonders über moderne Spiele (wobei ich Bücher mit Spielregeln gerne durchblättere, aber ungerne lese). Allerdings ist die Auswahl da doch sehr beschränkt. Der Markt ist klein und entsprechend ist die Anzahl Bücher sehr überschaubar. Das letzte Buch was ich zu dem Thema las war „The Gamemakers“ von Phil Orbanes über die Geschichte von Hasbro. So ist es kein Wunder, dass ich sofort mit dem Buch Hobby Games: The 100 best (Herausgegeben von James Lowder) anfangen musste. 100 Persönlichkeitend der englischsprachigen Spieleszene (darunter illustre Namen wie Alan Moon oderIan Livingstone oder -zu meiner besonderen Überaschung – der Fantasyschriftsteller Tracy Hickman und der Computerspieldesigner Warren Spector) stellen ihre Lieblingsspiele vor. Das Ergebnis ist keine Top-100-Liste (die Spiele sind alphabetisch geordnet), sondern eine Sammlung potentiell interessanter Spiele. Dabei spielten nur die Vorlieben der Gefragten eine Rolle, keine historische Bedeutung o.ä. Und es waren nur Spiele zugelassen, die a) in englischer Sprache erschienen waren und b) nicht älter als 60 Jahre sein durften (also kein Schach, Go, Crokinole etc.)
Dennoch ist die Liste der Spiele erstaunlich vollständig. Die Spiele, die man so erwarten würde sind fast alle drin. Natürlich sind solche Listen per se unvollständig aber mich hat nur die Abwesenheit von 1830 und Dune und vielleicht Magic Realm und Caylus überrascht. Mehr noch – ich hatte überlegt welche Spiele ich für eine absoluten Lieblingsliste nominieren würde und die meisten sind dabei: Roborally, Formula Dé, Vinci, El Grande, Löwenherz, Carcassonne. Nur Betrayal at House on Hill und eben 1830 fehlen. Gar nicht schlecht! Ich hätte mir allerdings noch etwas mehr Geschichte oder Spieltipps gewünscht, aber in erster Linie sollen die Spielbeschreibungen ja neugierig auf ein Spiel machen und das tun sie auch.

Auf den ersten Blick überraschend sind die vielen Rollenspiele auf der Liste (Ars Magica, Call of Cthulhu, D&D, Ghostbusters, Champions, Marvel Super Heros, Paranoia, Pendragon, RuneQuest, Shadowrun, Toon, Vampire: The Masquerade). Aber da ein Großteil der amerikanischen Szene seine Wurzeln ursprünglich im Rollenspielbereich hat, sollte das nicht verwundern. Auch da hat jeder seine Lieblinge. Allerdings finde ich, dass das System des Rollenspiels zweitrangig ist und der Spielspaß in erster Linie von der Runde abhängt. Ich habe vermutlich mehr Stunden meines Lebens beim Rollen- als beim Brettspiel verbracht, aber dennoch würde ich keines in meine Top-Liste aufnehmen. Allenfalls „Rollenspiel“ als Oberbegriff. Meine Lieblingssysteme -Vampire und Star Wars sind jedoch vertreten (Das Star Wars- System ist eine Verfeinerung des Ghostbusters-Systems), also kann ich auch hier zufrieden sein :-)

Das viele der Auswählenden aus den Vereinigten Staaten kommen, sieht man auch daran, dass viele Spiele beschrieben werden, die ich in meiner Jugend in Rollenspielläden (und nur da) gesehen und z.T. auch gekauft habe: Junta, Illuminati (damals bekannt geworden wegen der Schummel-Regel), Up Front und natürlich Blood Bowl. Alle drei Spiele sind klassische Beispiele amerikanischem Spieldesigns: Viel Thema, viel Gewürfel, relativ lange Spieldauer und z.T. etwas bis sehr regelüberladen. Es sind auch Spiele, die meiner Meinung nach nicht ganz mit heutigen Designs mithalten können und die überarbeitete Neuaflagen verdient hätten (Wobei ich die aktuelle Fassung von Blood Bowl nicht kenne) – Bei Junta stört mich das unperfekte Spieldesign derart dass ich ein neues Spiel um die Grundidee herumgewoben habe, bei der alles nervige stört – ich hoffe der Verlag, der z.Z. „Viva la Revolution!“ hält nimmt sich seiner an, auch wenn es alles andere als ein klassisches German Game ist…
Hinzu kommen natürlich noch die Tabletops wie Warhammer 20000 und Battlemech und ich fühle mich vollends in die späten 80er / frühen 90er Jahre erinnert, bei der ich anfing mich für Spiele abseits des Mainstreams zu interessiere – und letztlich erstmal bei Rollenspielen gelandet bin (Und bei der Lost Worlds-Reihe, die leider nicht vertreten ist, die aber dafür eine Renaissance erlebt – jedes Jahr kommen neue Bücher dieser genialen „Zweikampfreihe“ raus).

Überhaupt nicht kennen tue Fire & Fury, Johnny Reb, Lensman, My Life with Master, Terrible Swift Sword, Unknowns Armies, The Warlord und Cosmic Wimpout, was mir sagt, dass ich mich noch auf viele neue Spielebeschreibung freuen kann!

Oh, und nur weil ich den Platz einmal nutzen möchte, meine Lieblingscomputerspiele aller Zeiten zu nennen: Dungeon Master, Emerald Mine, Half-Life und Deus X. Interessiert die Leserschaft überhaupt nicht, aber ich wollts mal loswerden.

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Das Gewinnspiel ist abgeschlossen!
Mehr als die Hälfte der Einsender fand Asphalt am langweiligsten. Kniffel und Haare waschen teilen sich den zweiten Platz.
Interessanterweise war der Tipp, welches der drei eine Mehrheit finden würde, viel geteilter: Jeweils ein Drittel der Einsender tippte Asphalt, Kniffel und Haare Waschen…
Aber interessant ist ja: Wer hat gewonnen?
Die Losfee bestimmte Anja Krieg als Gewinnerin! Glückwunsch! Das Dubious geht am Montag in die Post!
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Der Meilenstein der Woche geht an eine ganze Spielereihe. Zudem an eine Spielereihe, bei der ein Teil der Spiele spielerisch gar nicht so viel bietet. Dennoch hat diese Reihe eine kleine Trendwende eingeleitet.

Die Rede ist natürlich von der „Edition Perlhuhn“ die in den 80er Jahren bei der Verlagsbuchhandlung Frankh-Kosmos erschienen ist und für die sich Reinhold Wittig verantwortlich zeichnete.

Die einzelnen Spiele habe ich bereits vor Jahren hier einmal beschrieben. Doch hier soll es um die Reihe als Gesamtwerk gehen: Was war an dieser Reihe so besonderes, dass ich sie zum Meilenstein erhebe?

Nun, wie bereits angedeutet: Die Spiele sind es nicht. Die wenigsten der 20 könnten heute noch einen Hund hinter dem Ofen vorlocken. Einige (Timon, Müller & Sohn, White Lady) waren damals schon eher am unteren Ende der Spaßskala angesiedelt (wobei letzteres klar das Lowlight darstellte).
Was die Reihe damals hervorhob war die Ausstattung: Große, gediegene Schachteln, wunderschöne Skaipläne (White Lady und Müller & Sohn gehören auch heute noch zu meinen absoluten Lieblingsspielplänen *) und Holzmaterial – damals noch eine Besonderheit. Die gesamte Ausstattung richtete sich an Erwachsene, nicht an Kinder oder auch nur an Familien. Hinzu kam ein für damalige Zeiten fast unverschämt hoher Preis von etwa 60-80 DM (Das Spiel kostete gar 120 DM bei Karstadt). Dabei wurden die Spiele durch große Kaufhausketten vertrieben und nicht etwa nur in Spezialspieleläden (wo man durchaus andere „Erwachsenenspiele“ fand).
Erstmals wurde der Eindruck vermittelt: Hier ist ein Luxusprodukt – es ist ein Spiel, aber eines an dem sich Erwachsene erfreuen können. Etwas das man sich ins Wohnzimmer stellen kann. Ein Spiel, dass kein klassisches Spiel ist, aber für das man sich dennoch nicht schämen muss – auch wenn man keine Kinder hat.
Sowas gab es damals kaum. Das Experiment ging auf und die Reihe wurde sogar noch nach 1990 fortgesetzt, wenn auch nicht mehr unter der Schirmherrschaft von Reinhold Wittig (deshalb hieß es nicht mehr „Edition Perlhuhn“ auf der Schachtel – der Link beschreibt nur die „echte“ Perlhuhnreihe, nicht die Spiele danach). So mancher zukünftiger Spieler wurde hier erstmals darauf aufmerksam, dass es sowas wie „Erwachsenenspiele“ gab. Ein Bekannter meinte mal, es gab in den 80er Jahren (ohne Internet und mit nur sehr wenigen reinen Spieleläden) nur drei Möglichkeiten zum spielen zu kommen: Man kam aus dem Rollenspielbereich und entdeckte so die amerikanischen Produkte, man kaufte sich das Spiel das Jahres und wurde so vielleicht auf die Spielbox aufmerksam (deren Probeabo manchen Schachteln beilag) oder man kaufte sich ein Spiel der Edition Perlhuhn. Vielleicht übertrieben, aber nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt (was mich betrifft: ich habe alle drei Wege parallel beschritten).
Zudem zeigte das Beispiel dieser Reihe auch anderen Verlagen, dass Kunden durchaus auch bereit sind für edles Material etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Ist heutzutage Holz ein Standardmaterial, so hat dies seine Wurzeln auch in der Perlhuhn-Reihe.

Die „Edition Perlhuhn“ war ein sehr mutiges Experiment, um neue Kunden zu gewinnen. Eine ähnliche Experimentierfreude wünsche ich mir manchmal auch in der heutigen Zeit.

ciao
Peer

(*) Der schönste Spielplan in meiner Sammlung ist wohl „Kula Kula“ – ein weiteres Wittig-Spiel mit umwerfenden Material und eher schwachbrüstigem Spielprinzip.

Peer Sylvester
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4 Kommentare

  • Du erwähnst am Anfang, dass du viele Spielbücher liest. Ich habe nun auch ein paar in meinen Besitz gebracht und es werden immer mehr. Da der Markt so überschaubar ist wäre es schön, wenn du die einzelnen Titel vorstellen könntest und vielleicht mit einem kurzen Satz warum diese so gut sind. Würde mich sehr freuen, da es sicherlich einige Bücherschätze über Spiele gibt die ich noch nicht besitze und auch noch nicht auf meiner Kaufliste habe.

    Gruß
    Smuker

  • Du schreibst „Bei Junta stört mich das unperfekte Spieldesign derart dass ich ein neues Spiel um die Grundidee herumgewoben habe, bei der alles nervige stört“ Ich nehme mal an, dass Du im Gegenteil alles nervige herausgenommen hast. :-)

    Ich finde vor allem das Konzept des „Spiels im Spiel“ sehr interessant. Allerdings stört mich, dass man durch Dutzende von Karten die Kämpfe beeinflussen kann und daher selbst bei nomineller Überlegenheit der Revolutionäre kaum vorhersagbar ist, wer gewinnen wird. Außerdem funktioniert es nur mit 6 oder 7 Spielern wirklich gut – bei weniger Spielern klumpt sich das Geld meist frühzeitig beim Präsidenten und seinem Innenminister.

    Es würde mich daher mal interessieren, was Du zu verbessern gedenkst bzw. worin Deine schöpferische Leistung besteht.

    Thorsten

  • Hallo,
    zuerst eine kleine Korrektur: Löwenherz ist nicht im Buch enthalten – Schade!
    Dann zu Smuker: Ja, ich werde das Thema „Spielebücher“ demnächst hier behandeln. Ob ichs noch vor Weihnachten schaffe? Mal sehen…
    Zu Thorsten: Was mich immer gestört hat, ist dass man Glück haben muss (also permanente Stimmkarten ziehen muss), um verhandeln zu können. Wer nur Unsinn zieht, kommt nie zu Geld, da kann er putschen so viel er will.
    Mittlerweile hat sich „Viva la revolution“ allerdings von seinen Wurzeln ziemlich entfernt und ist ein ganz eigenständiges Spiel. Auch hier bewirbt man sich um Ämter, die allerdings einen noch direkteren Einfluss aufs Spiel haben. Jeder stimmt ab, wobei jeder gleich viele Stimmen hat (am Anfang zumindest, später -wenn einige meiner Kandidaten an die Wand gestellt worden sind, sinkt mein Einfluss). Insgesamt wird das Spiel flüssiger als bei Junta, weniger Glücksanhängig und die Verhandlungskomponente wird gestärkt, ohne das Thema zu gefährden. Nur das „Spiel im Spiel“ fiel leider weg.
    ciao
    peer