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„Ja, hat Spaß gemacht.“

Die Nachbesprechung einer Spielpartie ist für mich eine der interessantesten und wertvollsten Momente am Spielabend. Ich finde es wichtig das Erlebte zu reflektieren, es in Worte zu fassen und damit irgendwie auch zu verarbeiten. Sowohl auf emotionaler Ebene, als auch auf spielerischer. Was ist passiert? Warum ist es passiert? Wie lässt sich das eigene Spielerlebnis an Hand des Spiels und seines Verlaufs erklären und nachvollziehen? Für mich sind das wichtige und wertvolle Fragen, die aus einem Spiel mehr machen als einen trivialen Wettbewerb zum gegenseitigen Zeitvertreib.

Gleichzeitig habe ich aber oft den Eindruck, dass diese Gespräche manchmal oberflächlich scheinen, auch wenn das Spielerlebnis selbst in die Tiefe ging. Die meisten Menschen scheinen zu wissen was sie von einem Spiel erwarten, aber haben nur selten die Möglichkeiten und Mittel diese Erwartungen in Worte zu fassen. Entsprechend greifen sie zu den Sprachbildern und Begriffen, die ihnen angemessen erscheinen:

„Spaß“
„Interaktion“
„Fairness“
„Gewinnen“
usw.

An diesen Begriffen ist nichts falsch. Sie zu benutzen ist auch kein Fehler. Allerdings sind sie in vielen Fällen sehr ungenau. Was jedoch viel schwerer wiegt: sie sind nicht immer angemessen. Aber wenn man nur einen Hammer besitzt, versucht man jedes Problem irgendwie als einen Nagel zu verstehen. Wenn wir ein Spiel nur über einen immer gleichen festen Satz an Begriffen und Konzepten zu begreifen versuchen, stoßen wir früher oder später an ein Spiel, in dem diese Begriffe ungenügend sind, um unser Spielerlebnis zu beschreiben oder zu verarbeiten.

In meiner letzten Partie Betrayal at House on the Hill wurde kritisch angemerkt, dass Spieler*innen im Laufe des Spiels ausscheiden können und dann nur noch „zuschauen“. Das ist eine zutreffende Beschreibung des Spielverlaufs. Allerdings würde ich diesen Punkt nicht als Schwäche des Spieldesigns auflisten. Sicherlich ist es sehr störend auszuscheiden, wenn man mit der Erwartung an das Spiel tritt bis zum letzten Zug auf das Spielgeschehen einwirken zu können. Aber ist diese Erwartung auch immer gerechtfertigt?

Ähnlich geht es mir bei der Kritik an Spielen, die keine Möglichkeiten geben den Spielzug anderer zu verändern. Es wird schon mal geunkt, dass es unerheblich ist, ob man das Spiel allein oder mit fünf anderen spielt. Auch dieser Punkt rührt aus einer Erwartung, dass man in einem Spiel eben diese Veränderungen bewirken kann. Auch hier, muss man sich die Frage stellen, ob diese Erwartungen von allen Spielen erfüllt werden müssen. Das selbe gilt für den Vorwurf, dass der Zufallsfaktor eines Spiels zu hoch sei, und strategisches Spielen damit unmöglich ist.

Ein Wort sagt mehr als 1000 Bilder

Jeder dieser Kritikpunkte und viele weitere, bauen auf einer Erwartungshaltung auf, die man an das Spiel trägt. Gerade unter Selten-Spieler*innen werden eben diese Erwartungshaltungen jedoch selten reflektiert oder hinterfragt. Das hat zur Folge, dass sie einem oft nicht bewusst sind und damit nur schlecht mit dem verglichen werden können was das Spiel tatsächlich anbietet oder stattdessen ermöglicht.

An dieser Stelle nun, kann die Spielkritik glänzen. Wobei ich unter diesem Begriff nicht nur veröffentliche Meinungen und Rezensionen zu Spielen zähle, sondern auch die anfangs erwähnte Nachbesprechung eines Spielerlebnis. Das sind die Orte an denen wir uns inhaltlich mit dem Spielerlebnis und den Eigenschaften des Spiels auseinandersetzen. Es ist auch immer Aufgabe der Kritik, Mittel und Wege zu finden, um das Erlebte in eigene Worte zu fassen. Die kritische Auseinandersetzung mit einem Spiel betrachtet nicht allein die Regeln, das Thema und sein Material. Sie ist auch allen voran die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Spielerlebnis. Eben dieses ist individuell und hat es darum auch verdient in eigenen Worten ausgedrückt zu werden.

Das muss nicht immer ein neuer Vergleich, ein neues Sprachbild oder ein neuer Begriff sein. Aber es sollte sich eben auch nicht auf den immer gleichen Konzepten und Ideen ausruhen. Denn damit werten wir unsere eigene Fähigkeit des kritischen Dialogs ab. Sie verkommt zu einem uninspirierten Abstreichen der immer gleichen Kritikpunkte. Wir engen dadurch unseren Blick auf das Medium unweigerlich ein, weil wir eben nur eine kleine Handvoll an Konzepten haben, um das Erlebte zu erfassen. So als würde man sämtliche Filme danach beurteilen, wie spannend sie waren, ob es genug Actionszenen gab, ob Bild und Ton immer klar und deutlich waren und ob die Geschichte in einem Happy End mündete.

(An dieser Stelle folgt oft der Einwurf, dass diese Dinge eine Frage der persönlichen Vorlieben wären und dass man über Geschmack nicht streiten könne. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich dieser Art von Gespräch-zerstörendem Totschlagargument keinen Raum bieten möchte und daher nicht weiter darauf eingehe.)

Natürlich könnte man sehr viele Filme nach diesen Kriterien beurteilen und einschätzen. Aber ebenso viele Filme würden durch dieses Raster fallen. Filme, die anders sind und eine andere Wirkung haben wollen, würde man kaum begreifen oder umschreiben können. Ganz ohne Vorsatz würde man sich vor neuen Eindrücken und Ideen verschließen. Spiele können individuell und einzigartig sein. Aber auch nur wenn wir gewillt sind, dieser Einzigartigkeit Raum zu geben und ihr entgegenzukommen. Mit einem eigenen Ansatz, einer eigenen Perspektive und eigener Sprache, um das zu beschreiben was wir wirklich erlebt haben.

Georgios Panagiotidis
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