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Was heißt hier „kompetitiv“?

„Du benutzt ständig dieses Wort. Ich glaube nicht, dass es das bedeutet, was du glaubst, dass es bedeutet.“
– Inigo Montoya

Einzelne Worte und Begriffe können mit der Zeit ihre Bedeutung verändern bzw. verschieben. Mit dem Wort Bedeutungswandel hat das die Sprachwissenschaft recht griffig beschrieben. Die „Sache“ begann als Bezeichnung für einen Rechtsstreit und ist heute ein Begriff für einen Gegenstand, oder ein Ding.

Dementsprechend ist es weder verwunderlich, noch verwerflich, dass auch innerhalb der Spielszene bestimmte Begriffe eine eigene Umdeutung erfahren. Am bekanntesten ist sicherlich das Wort „Thema“, welches nicht mehr als Leitgedanke (wie in Texten) oder Hauptmotiv (wie in der Musik) genutzt wird, sondern im Kontext von Spielen die visuelle Metapher umschreibt mit der die Spielregeln eingekleidet sind. Gerade wenn man sich mit Spielen und ihrer Sprache nicht gut auskennt, versucht man oft diese Metapher und den Leitgedanken des Designs irgendwie unter einen Hut zu bekommen, was oft sehr abenteuerlich enden kann.

Bemerkenswerter hingegen finde ich die eher unsichtbare Bedeutungsverschiebung eines anderen Begriffs, der in der Spielszene oft genutzt wird: kompetitiv. Es geht dabei weniger um die Beschreibung von Spielen in Abgrenzung zu kooperativen Spielen. Denn in diesen Fällen scheint die Bedeutung des Wortes in der Szene sich noch mit der Bedeutung außerhalb der Szene zu decken. Ein kompetitives Spiel wird gegeneinander gespielt, während ein kooperatives Spiel miteinander gespielt wird.

Wenn man jedoch „kompetitiv“ nutzt, um Spielverhalten oder Persönlichkeitstypen am Spieltisch zu beschreiben, bewegen wir uns mit Riesenschritten in Richtung eines bizarren Wunderlandes in dem wild gewordene, vom Ehrgeiz an den Rande des Wahnsinns getriebene Spukgestalten die absurdesten Verhaltensweisen an den Tag legen, um den Sieg an sich zu reißen.

Es stellt sich nämlich heraus, dass unter Spieler*innen gilt, dass kompetitiv immer nur die anderen sind. Denn als kompetitiv wird vor allem ein Spielverhalten umschrieben, welches durch Extreme auffällt. Sei es starke Verbissenheit während des Spiels, oder hohe Emotionalität beim Gewinnen oder Verlieren. Kompetitiv wird in der Szene oft als Euphemismus für unreifes Verhalten oder fehlende Selbstkontrolle am Spieltisch genutzt. Das ist auch nicht zwingend falsch. Denn diese über das Ziel hinaus schießenden Verhaltensweisen sind oft auf ein stark kompetitives Spielverständnis zurückzuführen.

Ranglisten überall

Aber kompetitives Verhalten ist nicht erst in diesen Extremformen vorhanden. Kompetitive Spieler*innen erkennt man nicht erst dann, wenn sie bei der Punkteabrechnung voll und ganz die Fassung verlieren, weil sie nicht gewonnen haben. Oder wenn sie sichtlich erbost sind, wenn ihr sicher geglaubter Sieg durch die Entscheidung eines anderen vereitelt wurde. Kompetitives Spielverhalten lässt sich bereits an anderen, weit weniger auffälligen Indizien festmachen.

Denn generell heißt „kompetitiv“ erst mal nur, auf den Wettbewerb ausgerichtet zu sein. Mit anderen Worten, sobald das eigene Verhalten auf den Wettbewerb im Spiel ausgerichtet ist – ob gegen andere Spieler*innen oder „gegen das Spiel“ – spielt man kompetitiv. Wenn das Ziel des gemeinsamen Spielens darin besteht, sich mit einander zu messen, spielt man kompetitiv. Dabei ist es völlig unerheblich, ob man diesem Kräftemessen eine besondere Bedeutung zuspricht oder es schon kurz nach Ende des Spiels vergessen hat. Kompetitiv darf hier weder mit nachtragend, noch mit eitel verwechselt werden. Kompetitiv beschreibt lediglich, dass wir instinktiv dazu neigen den Wettbewerb beim Spielen in den Mittelpunkt unseres Tuns zu stellen.

Im ersten Kapitel seines Buches „Agency as Art“ unterscheidet C. Thi Nguyen bei Spielen zwischen ihrem Ziel („goal“) und ihrem Zweck („purpose“). Ersteres beschreibt den durch die Spielregeln vorgegebenen Endpunkt des Spiels. Das kann so etwas sein wie angesammelte Siegpunkte zu vergleichen und jemanden zum Sieger bzw. Siegerin zu küren. Der Zweck eines Spiels hingegen, hat damit zu tun weshalb wir spielen und warum wir uns dafür entscheiden dieses Spiel mit diesen Menschen zu teilen.

Gefühlt scheinen die meisten Spiele von uns einzufordern, den Wettkampf und Wettstreit als Ziel des Spiels zu erkennen und zum Zweck des Spielens zu machen. Daher ist es kaum verwunderlich, wenn Menschen, die bereits lange und viel spielen, diese Gleichsetzung kaum noch als solche wahrnehmen, sondern Ziel und Zweck für identisch halten. Der kompetitive Gedanke, der in ein Spieldesign geflossen ist, wird dann zum Grund die Aktivität überhaupt zu betreiben. Wir sind gewillt hohen mentalen, sozialen und auch emotionalen Aufwand zu betreiben, um möglichst viele Siegpunkte zu ergattern (bzw. anderen zu verwehren). Das ist es, was wir darunter verstehen zu spielen und das ist kompetitives Verhalten.

Diese Bedeutungsverschiebung ist natürlich, wie eingangs erwähnt, weder falsch noch verwerflich. Sie ist genauso legitim, wie das Einfließen neuer Worte aus der Jugendsprache in den normalen Sprachgebrauch. Es ist nur wichtig zu verstehen, dass diese Verschiebung in der Szene stattgefunden hat. Kompetitiv ist eben kein Schimpfwort, sondern ist eine treffende Beschreibung für 90% der Vielspieler*innen.

Georgios Panagiotidis
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