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Das ist hier nicht das Thema!

Immer wieder entdecke ich in einer Spielbesprechung die Behauptung, dass man bei manchen Spielen (vornehmlich jene, die man verächtlich mit dem Begriff Eurogame beschreibt) das Thema eigentlich austauschen könnte. Eine Feststellung die ihren Wahrheitsgehalt vor allem daraus bezieht, dass sie mit lässiger Selbstverständlichkeit geäußert wird und sich kaum jemand die Mühe macht zu widersprechen.

Es mag viele Gründe geben weshalb sich diese Überzeugung so wacker hält. Vielleicht reduziert man das Spiel auf Regelmechanismen und Punktewertungen wenn man am Tisch sitzt, dass man sich für Neo selbst hält, der nur noch den Code der Matrix sieht. Auch wenn man eigentlich nur Hans-Joachim aus Bad Grönenbach ist, der in seiner Freizeit effektiv einen Buchhalter-LARP mit bunten Steinchen betreibt. Vielleicht glaubt man auch, dass wenn man sich ein anderes Thema vorstellen kann, das alte Thema deshalb austauschbar sei.

Wenn man von einem Thema eines Spiels spricht, ist damit oft die visuelle und gelegentlich haptische Darstellung des Spiels gemeint. Gerne wird eingeworfen, dass auch Regeln und Mechanismen ein Thema transportieren und so ein stimmungsvolles Spielerlebnis schaffen. Das ist nicht falsch, dreht aber Ursache und Wirkung um. Die Art wie das Spielgeschehen dargelegt wird – oft als reines Produktdesign abgewertet – setzt den begrifflichen, konzeptionellen und assoziativen Rahmen des Spiels. Was hier so hochtrabend klingt, sagt nichts weiter aus als, dass Grafik und Spielmaterial uns Begriffe und Bilder präsentieren, in denen wir im Rahmen des Spiels denken können und manchmal auch sollen.

Eine besonders stimmungsvolle und thematische Regel wirkt darum erst wie eine solche, wenn die Ideen und Konzepte, welche durch Grafik und Material angeboten werden, sich einfach damit vereinbaren lassen. Die Präsentation eines Spiels ist darum nicht allein schön anzusehen oder ein sichtbares Zeichen, dass man viel Geld ausgegeben hat. Es ist ein ausgewählter Wortschatz und geistige Bilder mit der wir unsere Spielinteraktion auskleiden können. Das Thema wertet ein Spiel also nicht auf, sondern macht aus einer mentalen Herausforderung erst ein Spielerlebnis.

Die Verknüpfung zwischen Regeln und Thema ist dabei natürlich mehr oder minder willkürlich. Das sollte kaum überraschen. Wer sich ein wenig mit Sprachwissenschaft auskennt weiß, dass auch dort die Beziehung zwischen Signifikant (das Wort) und Signifikat (die Bedeutung des Wortes) ähnlich willkürlich ist. Eine Rose könnte genauso gut „Riha“, „Suna“ oder „Glopfnorkl“ heißen. Wenn man beim letzten Beispiel geschmunzelt hat, liegt das daran, dass auch der Signifikant selbst ästhetischen Abwägungen unterliegt. Wir haben bestimmte sprachliche Überzeugungen das einzelne Worte zu Dingen passen und andere es nicht tun. Wer möchte kann sich ja mal überlegen warum manche Menschen genau so aussehen wie sie heißen und andere nicht.

Unabhängig davon wie man diese Überzeugung begründen (oder widerlegen) will, kann man zumindest feststellen, dass sie existiert. Klänge, auch sprachliche, wecken Assoziationen. Die meisten deutsch-sprachigen Menschen würden unter „Glopfnorkl“ keine schöne Blume oder ein Symbol für Liebe und Zuneigung verstehen. Vielleicht ein kompliziertes Maschinenelement. Oder eine seltsam geformte Nudel.

Das Thema eines Spiels erfüllt dabei eine ähnliche Funktion. Es weckt Assoziationen, welche wir als zwanghaft sinnstiftende Wesen mit den Regelmechanismen in Verbindung bringen wollen. Wir sind es gewohnt uns der thematischen Versatzstücke zu bedienen, um die Regeln greifbar zu machen. Je einfacher uns das fällt, umso thematischer fühlt sich das Spiel an.

Es sind dieses Assoziationen die dem Spielablauf ein Ambiente verleihen. Sind die thematischen Assoziationen und damit das Ambiente unangenehm, färbt sich das auch auf das Spielgefühl ab. Die sogenannten „schwierigen Themen“ in Brettspielen, haben nicht zuletzt deshalb diesen Ruf, weil das Ambiente eben Unwohlsein hervorruft.

Im Gegensatz dazu, kann das Ambiente aber unspezifisch oder den Spielenden schlicht unbekannt sein. Die Assoziationen, die geweckt werden sollen, bleiben aus und man starrt auf Zeichnungen, die einem nichts sagen und nutzt Begriffe, die keine Bilder vor dem geistigen Auge auslösen. Das Thema tritt in einer solchen Spielrunde entsprechend kaum in Erscheinung.

Daher ist der Gedanke, dass es Spiele gibt in denen man Themen beliebig austauschen könnte, meist zu kurz gedacht. Ein neues Thema verleiht einem Spiel zwangsläufig einen neuen Rahmen und ein neues Ambiente. Sind diese Dinge der Spielgruppe vertrauter, empfindet man das Spielerlebnis als thematischer. Sind sie fremd oder anderweitig unzugänglich, bleibt auch das Spielerlebnis mechanisch und abstrakt.

Es sind nicht die vermeintlich sterilen Regeln, welche einer thematischen Spielerfahrung im Weg stehen. Stattdessen sind es Themen, welche die Vorstellungskraft der Spielenden nicht zu nutzen wissen oder kein Ambiente heraufbeschwören, in dem sie sich wiederfinden können oder wollen.

Georgios Panagiotidis
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