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Spiel vs Film

Medien werden ja gerne miteinander verglichen. Manchmal sogar sachlich. Wenn man eruiert was ein Film besser kann als ein Buch, kann Buchumsetzungen besser verfilmen. Umgekehrt funktionieren bestimmte Elemente besser in Buchform und diese müssten bei einer Verfilmung entsprechend angepasst werden. Natürlich stehen „Film“ und „Buch“ in dem eben gesagten nur als Platzhalter für beliebige Medien – Comics, Graphic Novels, Computerspiele oder gar Brett- und Rollenspiele

Wir hatten hier schon häufiger über die narrativen Ebenen im Brettspiel gesprochen und eine Sache ist sicherlich, dass es schwieriger ist im Brettspiel eine konkrete Geschichte zu erzählen, da spielerische Handlungen oft (wenn nicht gar immer) sehr viel mehr Interpretationsspielräume bieten, als etwa ein geschriebenes Wort oder gar eine nacherzählte Szene. Dafür sind Handlungen sehr viel unmittelbarer als passives Assimilieren.

Mir ist neulich aber etwas aufgefallen, dass m.W noch nicht thematisiert wurde: Filme folgen normalerweise den aktiven Personen, die Personen also, denen die aktive Rolle zukommt. Das ist natürlich, denn gerade ein visuelles Medium möchte natürlich auch etwas zeigen und so ist es logisch die Geschichte mehr oder minder mit dem Fokus auf der Person zu erzählen, die handelt (Für Bücher gilt das im abgeschwächten Maße – es sind mir allerdings viel mehr Bücher mit passiven Protagonisten bekannt als Filme).

Spiele dagegen haben die Möglichkeit sich auf diese passiven Figuren zu konzentrieren, also auf die Figuren, die sonst nicht im Mittelpunkt stehen. Nicht alle Spiele machen das natürlich – es gibt genügend Spiele, in denen geniale Ermittler:innen Fälle lösen oder mächtige Streiter:innen Dungeons leeren. Aber es gibt auch Spiele, in denen eher mundäne Handlungen durchgeführt werden, von Personen, die sonst nicht im Mittelpunkt stehen. Auch ist es im Brettspiel eher erlaubt, dass die Personen, die im Zentrum stehen scheitern. In Balada kann es vorkommen, dass der Held ganz undramatisch in der Mitte der Geschichte stirbt, etwas was im Film (pder Buch) fast nie vorkommt. Eine Geschichte, in der eine Person, die sehr passiv ist und der Dinge passieren, filmisch zu erzählen ist eine gewisse Herausforderung. In einem Spiel ist dies dagegen kein Problem – man könnte fast sagen, das Ertragen von außenstehenden Ereignisse ist in Spielen Alltagsgeschäft. Bereits im Gänsespiel und deren Verwandten, passiertem der aufrechten Spielfigur unvermittelt Dinge, die spielerische Auswirkungen haben. Daher sind Verfilmungen von Spielen auch so schwierig – Die Handlung ist viel subtiler, die narrativen Ebenen sind andere.

Nun wird umgedreht ein Schuh draus: Statt sich damit zu befassen, wie man Brettspiele verfilmen kann, bieten Brettspiele die Chance mit Narrativen aufzuwarten, die in anderen Medien nur sehr mässig erzählt werden können. In dem ansonsten passiv dargestellte Personen in den Mittelpunkt rücken, können sich Brettspiele mit Personen befassen, deren Geschichten sonst unerzählt bleiben. Es gibt das reale Problem, dass auf Missstände und Probleme nicht ausreichend hingewiesen wird, weil diese nicht ausreichen spannend und zu abstrakt sind oder weil die handelnden Personen entweder keine Lobby haben oder nicht telegen genug sind (aus welchen Gründen auch immer). Brettspiele können aufgrund ihrer einzigartigen Perspektive ansetzen. Sie müssen sich dieser Sonderrolle nur bewusst sein.

ciao

peer

Peer Sylvester
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