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Balada

Verlag: Albi
Autoren: Jakub Muřín, Jindřich Pavlásek, Petr Vojtěch
Spieleranzahl: 1-6
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: in etwa eine Viertelstunde

Roll and Writes haben an der Spielbar einen schwierigen Stand: Für Georgios können sie „ihrer eigenen Trivialiät nicht entkommen„, ich halte die meisten für „zu unambitioniert„. Doch genauso wie es nicht immer Kaviar sein muss, haben natürlich auch Roll and Writes ihre Berechtigung – zumindest so lange sie etwas neues versuchen und dem übersättigten Markt der Kritzelspiele versuchen mehr abzugewinnen als nur eine andere Rechenoperation.

„Balada“ ist tschechisch (bei einem tschechischen Verlag nicht ganz überraschend) und bedeutet „Ballade“. Wir schreiben spielerisch also eine Ballade. Das ist doch einmal eine nette Idee für ein RnW! Wie ich in der oben verlinkten Rezension zu Doodle Dungeon geschrieben habe, mag ich Roll and Writes, bei denen der „Wertungsblock“ etwas mehr ist als eine reine Exceltabelle. Die Frage ist: Liefert Balada das im Titel Versprochene? Und zu welchem Preis?

Balada ist erst einmal ein einfaches Flip and Write: Drei Karten werden aufgedeckt, eine bestimmt auf welchen Feldern eines der durch die beiden anderen Karten gezeigten Symbole eingezeichnet werden kann/darf/soll/muss. Die Symbole stehen für verschiedene Dinge, die auf verschiedene Arten Siegpunkte generieren, meistens in Kombination miteinander. Was einen erfreut ist hier weniger die Mathematik der Wertung, sondern deren Einkleidung: Das Wertungsblatt zeigt einen Weg über Berge und Täler und jedes Symbol ist ein Ereignis auf diesem Weg: Moster stehlen Lebenspunkte, die aber in Siegpunkte umgewandelt werden, wenn man eine Heilquelle erreicht, bevor man stirbt (was -leider- keine spielerischen Auswirkungen hat, außer, dass man keine Punkte für das heilen mehr bekommt. Weil man tot ist und nicht geheilt werden kann). Ein Schlüssel kann eine Schatztruhe oder einen Turm öffen, was natürlich mit Siegpunkten belohnt wird. Selbst die Höhe der Punktevergabe selbst ist zum Teil nett thematisch begründet: Die Prinzessin bringt mehr Punkte, wenn sie von mehr Monstern bewacht wurde. Der Oberboss bringt mehr Punkte, wenn ihm früh der gar aus gemacht wurde. Ob das reicht, um aus dem Wertungsbogen eine Geschichte werden zu machen, hängt natürlich im wesentlichen von den Spielenden ab. Und ebenso natürlich ist Ballada kein „Abenteuerspiel“ im engeren Sinne: Die Abenteuer sind nicht sehr tiefgreifend oder gar voller Wendungen; Eine optimale Ballade beginnt mit dem Einsammeln von Schlüsseln und Schwertern, mit denen der Oberboss und diverse Monster geplättet werden, bevor geheilt und eine Schatzkiste eingesammelt wird, das ist nicht Tolstoi. Aber optimal sind die Balladen eh nicht – bei normaler Wahrscheinlichkeit, findet man statt einem Schlüssel eher einen Fisch und statt einer Schatztruhe ein simples Skelett. Das Genre zeigt da natürlich auch seinen Ärgerfaktor. Geschichten, bei denen jemand auf den Berg steigt, um einen Fisch zu fangen sind zumindest partiell lustig.

Erwähnte ich schon die stimmungsvollen und sehr ungewöhnlichen Zeichnungen?

Nein, habe ich nicht. Sind aber erwähnenswert!

Ambitioniert ist Balada auf jeden Fall und dem Genre wird auch definitiv eine neue Seite abgewonnen. Wo der Kartograph etwa Thema verspricht und nur Wertungsnamen meint, haben wir es hier durchaus eine thematische Einkleidung, die den Namen verdient. Die Wertung macht sinn, auch wenn sie dafür etwas schwieriger zu lernen ist. Mehr als nur rein narrative Bezeichnungen für abstrakte Mechanismen, sind die Mechanismen sichtbar vom Thema inspiriert. Kann Balada seiner Trivialität entkommen? Nein, es ist immer noch ein einfaches Roll and Write, bei dem der Tod nur eine verpasste Chance ist, an einer Wertung teilzunehmen. Ein Spiel, dass in 10 Minuten runtergespielt werden kann (wenn die Wertung bekannt ist zumindest). Ein Spiel, bei dem deutlich ist, dass es sich immer noch um das Zeichnen zufällig auftretender Symbole ohne jegliche Interaktion handelt. Aber auch dafür gibt es einen Platz im Regal. Manchmal möchte ich einer Trivialiät nicht entkommen.

Peer Sylvester
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