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Cibus et Iudicet – Essen und Entscheiden

Es gibt Schokoriegel die verdienen ihr Geld damit, dass sie den Leuten weiß machen, das wenn es etwas länger dauert, sie das Beste sind, was einem passieren kann. Wenn es wirklich länger dauert, bräuchte man vermutlich gleich eine Lastwagenladung voll davon, oder sie versuche mir zu erklären, sie wären so zäh wie Knorpelfleisch. Es gab vermutliche schon damals Downtime bei der Ideenfindung für die Werbekampagne.

Wir hatten schon immer Mitspieler die uns geärgert hatten weil sie ewig brauchen. Es gibt diese Spieler, die selbst, wenn sie schnell spielen mehr Zeit brauchen als alle anderen am Tisch zusammen. Und sie werden gehasst. Und selbst wenn vier von ihnen am Tisch sitzen nerven sie sich gegenseitig. Es gibt für Android eine tolle App, die man auf dem Tisch so dreht, das sie zu einem Spieler zeigt, und der dann diese Zeit abzählt. Der nächste ist dran, einfach das Handy drehen. Aber solche Schwarz-auf-Weiß Beleg helfen leider gegen die echte Langdenker nicht.

Downtime ist ein großer Faktor geworden. Ich habe schon vor einer Weile meine Liebe zu Spielen entdeckt, die schnell gehen oder wo alle gleichzeitig involviert sind. Und die Jury schätzt gerade solche Elemente sehr. Sei es Karuba oder Imhotep um zwei aktuelle Beispiele zu nennen. Wobei eigentlich könnte man alle sechs Nominierten erwähnen, denn alle erfüllen zumindest einen Tatbestand und sind schnell oder es sind alle involviert. Selbst bei Catan sind alle involviert wenn es ums tauschen geht, und ich kenne Menschen die tauschen nur um was zu tun, egal wer gewinnt. Nichts ist schlimmer als Langeweile.

Wichtig ist doch eigentlich der Flow. Solange jeder beschäftigt ist oder die Zeit sinnvoll nutzen kann kann ja nicht viel falsch passieren. Du denkst nach? Dann tue ich das auch schonmal am beten gleich zwei oder drei Optionen, falls du mir eine davon kaputt machst. Schlimm wird es erst, wenn auch das nicht mehr möglich ist. Schwierig wird es, wenn das nicht möglich ist. Bei Five Tribes etwa kann ich nicht alle Optionen planen, die meine Mitspieler machen können. Es ändert sich oft zu viel auf dem Spielfeld. Zum Teil soviel, falls ich letzter bin, dass es mir schon fast egal sein könnte, falls ich keine andere Wahl hatte. Und wenn mein Gegenüber dann noch alle Optionen versucht schnell durchzugehen, kann es echt schon reichen zwischendurch einkaufen zu gehen.

Als Tikal 1999 Spiel des Jahres wurde, war das Aktionspunktesystem brandneu. Die Spieler mussten sich dran gewöhnen und mit viel Freude haben sie das auch getan. Die Spiele dauerten damals gefühlt lange. Aber es waren Spiele wie Tikal die auch lange Spiele hinnehmbar für viele machten. Nebenbei Kartoffel zu schälen und Abendbrot vorzubereiten waren einfach Tätigkeiten die eh gemacht werden mussten. Gleichzeitig zu spielen und nichts zu verpassen fühlte sich gut an. Und das Spiel war genial. Aber das ist 17 Jahre her und inzwischen sind wir schnellere Spiele gewohnt. Das ist das warten von 3 Minuten bei Codenames manchen schon zu viel.

Gerade bei Codenames war eines der großen Probleme noch bevor es nominiert war, dass es Leute gibt die ewig auf die Wörter schauen und sich einfach nicht für einen Begriff entscheiden können. Bis zu einem gewissen Punkt schauen sich alle die Wörter an, aber irgendwann, muss eine Entscheidung gefällt werden. Und das hat nichts mit homogenen Gruppen zu tun. Dieselbe Person auf der anderen Seite kann wunderbar Assoziationen entdecken, solange er sie nicht selber bilden muss.

Ich unterscheide dabei die Grübler in zwei Kategorien. So gibt es Analytiker die wirklich alle Optionen durchgehen und Punkte zählen und dann abwägen. Aber das ist in meinen Augen die Minderheit. Wer erkennen kann alles durchzurechnen, der schafft es auch gut abzuschätzen, was sich lohnt zu berechnen und was nicht. Viel größer ist die Gruppe der Nicht-Entscheider. Spieler die mehrere Optionen sehen aber nicht entscheiden können, ob jetzt die eine oder die andere besser ist. Zum Teil können sie es nicht berechnen und zum Teil haben sie berechnet, dass beides gleich gut ist, aber sie wissen nicht, was sie nehmen sollen. Und sie wollen es nicht nach dem alten Probieren-Prinzip rausbekommen, sondern überlegen welche Option die richtige sein könnte. Sie könnten ja zufällig einen Geniestreich aus den wolkenbekommen, der ihnen einflüstert was richtig ist. Der Bauch kann es ja nicht.

Egal ob der Architekt, der in Matrix Reloaded Neo mit dem markanten Spruch: „The Problem is choice“ vor die Wahl stellt, oder Humphrey Bogart der in Casablanca der Frau seines Lebens sagt, sie muss sich entscheiden, Wir Menschen müssen das auch, das macht doch am Spielen so Spaß. Eine Entscheidung zu treffen und das Ergebnis abzuwarten. Die Jury muss dieses Gefühl jedes Jahr nach ihrer Entscheidung erleben. Wir als Bundestrainer von der Seite können dann darüber abblättern oder sie loben.

Der Casablanca Teil wurde übrigens auch in einer Werbung für Schokokekse in den 80ern verwendet. Damit schließt sich wohl der Kreis und es zeigt, das Werbefirmen sich entschieden haben sich selbst zu kopieren.

Matthias Nagy
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2 Kommentare

  • Bzgl „Spielertypen“:
    Lästig finde ich eigentlich nur diese beiden:
    1. Geistig abwesend
    Achtet nicht auf den Spielverlauf, merkt nicht mal, dass er dran ist, und fängt erst dann an, vorherige Züge, das Spielfeld, seine Strategie und seine Optionen abzuwägen.
    2. Völlig überfordert
    Denkt und denkt und denkt, und macht dann regelmäßig etwas derart blödes, dass man das Gefühl hat, der Spieler wäre mit zufälligen Zügen besser dran.

    …weil ich bei beiden das Gefühl habe, diese Menschen verschwenden meine Zeit.

    Wenn jemand wirklich nachdenkt, darf er imho auch mal eine gewisse Zeit brauchen.

  • Ich komme leider nicht in den Lese-Flow, da mich so viele Rechtschreibfehler stören. Das ist beim Blog-Lesen wie Downtime beim Spielen.