spielbar.com

Solo

Die Spielbar versucht sich an einer kleinen Kinderspielecke. Dafür habe ich meine Schwester gewinnen können, die nicht nur Mutter und -äh- meine Schwester ist, sondern auch Erziehungswissenschaftlerin und damit quasi vom Fach. In Ihrer ersten Rezi befasst sie sich mit Kackel Dackel (Womit auch sonst?). Und damit der Rest nicht leer ausgeht, habe ich mich mit Water Lily und Krawall vorm Stall befasst.

Zwei Nachrichten ereilte die Spielewelt in der vergangenen Woche: Zum einen ist Scheer in Insolvenz gegangen, zum anderen ist Whitecastle nicht mehr für die Prototypenvorauswahl für Pegasus verantwortlich (ja, das war jetzt nicht ganz wasserdicht formuliert, man möge es mir nachsehen).

Über beides lässt sich nicht wirklich viel schreiben: Scheer ist insolvent und ich drücke den Mitarbeitern die Daumen – mehr kann ich nicht sagen. Höchstens: Als Grund wurde u.a. auch genannt, dass der Spielebereich zuletzt Verluste eingefahren hat. Ob das jetzt an der Essenschleife lag oder ob die ein Symptom war, lässt sich aber nun wirklich nicht ableiten. Und die Zusammenarbeit mit Whitecastle war wohl von Anfang an nur temporär geplant (was aber aus der originalen Pressemitteilung nicht ersichtlich war – wohl damit die Autoren nicht einfach ein Jahr mit ihren Protos warten). Ich begrüße das natürlich. Die Wahl einer Agentur sollte nach meinen Dafürhalten freiwillig sein (zumal Whitecastle den Autoren die Originalverträge nicht zeigt), aber das ist ja nichts neues.

Stattdessen eine kleine Beobachtung: Wie schon öfter erwähnt, haben die Spieleverlage und -autoren erkannt, dass (2)-3-5 Spieler die mit Abstand häufigste Mitspieleranzahl ist. Schon ab 6 Spielern wurde es in den letzten Jahren schwierig eine spielbare Neuheit zu finden, darüberhinaus gabs schlicht nichts, wenn man von Werwolf-Variationen absieht. Das hat natürlich auch spieltechnische (viele Spieler heißt viel Downtime, die es zu vermeiden gilt) und materialtechnische Gründe (viele Spieler bedeutet auch viel Material zum Anzeigen der Besitzstände u.ä.). Doch dank einiger genialer Kniffe (vor allem gleichzeitiger  Aktionswahl) haben wir dieses Jahr eine ganze Reihe von Spielen für mehr als 6 Personen im Angebot: 7 Wonders, Captain Cool, Resistance, Escape from the Aliens from outer space

Interessanterweise wird die Spielerzahl aber auch nach unten erweitert: Gefühlt kommen/kamen mehr Spiele die auch oder in erster Linie alleine gespielt werden können heraus: Onirim, Labyrints, Sieben unter Verdacht, Das Boot, Hornet Leader

Solospiele gab es schon sehr lange. Man denke vor allem auch an die Abenteuer-Spielebücher wie „Hexenmeister vom flammenden Berg“. Gerade auch im Cosim/Wargame-Bereich erschienen immer mal wieder Spiele die auch oder ausschließlich alleine gespielt werden (und auch von den neuen Spielen sind einige aus diesem Bereich). Doch ich hatte den subjektiven Eindruck diese Spiele gingen im Laufen der letzten 20 Jahre stark zurück. Das würde Sinn machen, denn Computer- und Videospiele fanden im gleichen Zeitraum immer mehr Verbreitung. Das erste reine Solospiel seit langem, das ich wahrgenommen habe ist Where there is discord, ein reines Solospiel über den Falklandkrieg. Seitdem erscheinen immer mehr reine oder partielle Solospiele. Das überrascht mich, denn in einer Zeit, in der selbst Solitaires kaum noch mit echten Karten sondern am Computer gespielt wird, sollte die Motivation für Solospiele eigentlich abnehmen. Schließlich ist „keine Mitspieler“ keine Ausrede mehr, nicht zu spielen: Dank zahlreicher Seiten wie die Brettspielwelt oder Yucata muss man auf Brettspiele nicht verzichten. Selbst wer, wie ich, ungern online spielt findet mittlerweile viele Spiele als Computerspielversionen mit guter KI, die oft einen starken (oder zumindest passablen) Gegner gibt. Diese Spiele haben dann keine Auf- und Abbauzeit und man spielt sie schneller als in echt (obwohl ich die Mitspielerinteraktion als das Wichtigste bei einem Spiel erachte und daher wenig Computerspiele spiele).

Also haben Solospiele einen (vergleichsweise) enormen Auf- und Abbauaufwand. Man muss Regeln Lesen und Verstehen und spielt letztlich nur gegen das System. Und das muss einen gewissen Zufallsfaktor aufweisen, sonst ist es (wie die Solovariante bei take it Easy) nur ein Rätsel, kein Spiel. Dennoch scheint das physische Handhaben von Karten und Würfeln genug Reiz auszuüben, um gegen Computerspiele anstinken zu können. Oft genug gelingt das über eine schöne Story: Where there is discord z.B. würde mich interessieren, wenn ich den Aufwand nicht scheuen würde, weil mich die Umsetzung des Themas (insbesondere die Popularität des Krieges zu Hause) reizt. Ähnliches gilt für Labyrinths.
Andererseits ist Oninrim ein sehr beliebtes Solospiel und da ist die Geschichte doch sehr metaphysisch: Man wandert durch Träume und sucht Türen? Naja. (Im Prinzip übrigens ein interessante Solitaire-Variante, wobei die Regeln nicht gut formuliert sind. Die Basisversion fand ich zu leicht. Die Variante mit den Zaubern gefiel mir aber schon, weil man sehr viel mehr entscheiden kann als bei den anderen)

Ich bin vielleicht nicht der Beste um Gründe für die relative Popularität der Solospiele zu finden, denn ich spiele praktisch nie Solo. Was meint ihr? Woran liegt es?

ciao
peer

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)

5 Kommentare

  • Hallo,
    tatsächlich habe auch ich den Eidnruck, dass Spiele, die zumindest Solovarianten aufweisen, zugenommen hat. Neueste Beispiele wären z.B. Luna, Merkator, Space Hulk: Death Angel, die Field Commander Reihe, Rallyman und natürlich 100% kooperative Spiele wie Pandiemie, Ghost Stories etc..
    Nun bieten Solospiele in Form von Brettspielen zum einen tatsächlich einen gewissen haptischen Reiz. Diesen kann ein Computer nicht bieten. Dazu spielt (für mich) eine Rolle, dass oft beruflich bereits sehr viel Zeit vor dem PC verbracht wird. Dies möchte man (ich) in der Freizeit gerne vermeiden.

    Wichtiger ist aber vielleicht folgender Aspekt:
    PC Spiele sind beliebiger in den Entscheidungen. Beispiel wären Aufbaustrategiespiele wie Civilization oder Echtzeitstrategiespiele wir Star Craft. Letztlich legt man zwar globale Strategien fest und muss seine Gegner im Auge haben, aber anders als beim Brettspiel (die einem nahezu jede Runde wichtige Entscheidungen abverlangen), kann beim PC Spiel stärker aus dem Bauch heraus gespielt werden. Insgesamt sind die Entscheidungen bei einem PC Spiel weniger „knackig“, dazu sind PC Spiele oft sehr komplex. So komplex, dass es, lässt man es einige Zeit ungespielt, wieder sehr lange dauert, um wieder „hereinzukommen“. Ein Brettspiel hingegen spielt sich in einer relativ klar definierten Zeit und dauert meist nur bis zu 2 Stunden.
    Brettspiele als Online Spiele haben wiederum den Nachteil, dass das Spiel nicht zwischendrin unterbrochen werden kann oder es wird rundenweise gespielt, was wiederum keinen echten Flow aufkommen lässt. PC Umsetzungen mit einer guten künstlichen Intelligenz gibt es nur wenige.
    Insgesamt stellt das Solo Spiel eine Möglichkeit dar, in Pausen auch ohne anwesende Freunde die eine oder andere schöne Partie zu spielen. Das Solospiel ersetzt natürlich keine Spieleabenden mit echten Menschen an einem Tisch, stellt aber eine interessante Ergänzung dar.

  • Nur als kleine Anmerkung möchte ich noch auf die vielen solitären PnP-Games (Print ’n‘ Play Games) hinweisen, die es kostenlos u.a. bei Boardgamegeek gibt. Zudem gibt es von Valley Games einige Solo-Spiele, wie z.B. Nemo’s War, das ich durchaus empfehlen kann.

  • Ein Fehler hat sich bei mir eingeschlichen:
    Es handelt sich natürlich um Victory Point Games und nicht um Valley Games!

  • Danke für die Hinweise. Insbesondere an Oxymoron. Der haptische Reiz ist sicherlich ein Grund, aber die Überlegung, dass Comuterspiele eher aus dem Bauch herausgespielt werden finde ich sehr interessant (und schlüssig)!

  • Ich gehöre zu diesen „sonderbaren Menschen“, die verstärkt Solobrettspiele spielen. Warum? Ich habe zwar einen großen Freundeskreis, aber leider ist dort kein spielbegeisterter Brettspieler dabei. Meine Ehefrau ist ebenfalls ein Spielmuffel. Wie ja schon richtig bemerkt wurde, verbringt unsereins schon den ganzen Tag berufsbedingt am Computer. Da hat man nicht noch in seiner Freizeit Lust, sich an den PC zu setzen. Also hab ich die Wahl, entweder ganz auf meine Brettspielleidenschaft zu verzichten, oder doch wenigstens gute Solovarianten zu spielen. Und ich bin froh darüber, dass es in letzter Zeit verstärkt gute Solovarianten gibt. Offenbar ist die Nachfrage nach Solovarianten eben doch größer, als man allgemein glaubt. Wenn man sich, so wie ich, aus der Deckung wagt und sich als Solospieler outet, erhält man erstaunlich viel Zuspruch. Es gibt nämlich überraschend viele Solospieler. Und es macht Spaß…