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Noch ein Wunschkonzert

Und wieder einmal geht ein Wunsch in Erfüllung: Andreas Last hatte mich in den Comments gebeten, doch einmal ein Fantasy-Spiel zu besprechen. Nun ist es leider so, dass meine Berliner Runde nicht so die Fantasy-Brettspielrunde ist. Folglich hatte ich bislang keine Gelegenheit, etwas entsprechendes zu spielen, geschweige denn ausführlich zu testen. Nun war ich aber kürzlich in Hamburg und meine Hamburger Spielerunde kommt (wie ich) fast ausschließlich aus der Rollenspielszene – eine gute Gelegenheit endlich einmal Descent – Die Reise ins Dunkel zu spielen. Um es vorweg zu nehmen: Es ist verdammt lange her, dass mich ein Spiel derart gefesselt hat!

Descent entstammt einer Tradition von Dungeon-Crawlern. Bei diesen Spielen erkunden die Spieler einen Dungeon (halt eine Art unterirdisches Labyrinth), um Schätze zu rauben und Monster zu bekämpfen. Damit bilden sie eine thematische Brücke zwischen den Rollenspielen und den Brettspielen. Wenn sich die eigenen Charaktere auch noch verbessern lassen, wird diese Verbindung noch hervorgehoben.

Viele der früheren Dungeon-Crawler-Spielen (vor allem aus den 80er Jahren) stammen mehr oder minder direkt vom Urvater Dungeon von TSR ab (Disclaimer: Ich bin mir nicht 100%ig sicher, ob Dungeon tatsächlich der Urahn ist, aber es ist zumindest eines der einflussreichsten und frühesten  Dungeon Crawler). Dungeon erschien in Deutschland als Verlies und dürfte damit auch in Deutschland eines der ersten (wenn nicht das erste) Fantasy-Spiele sein. Bei Dungeon – und seinen Nachfolgern  – werden Monster und Schätze durch Kartenstapel bestimmt und Kämpfe u.ä. werden mit Würfeln abgewickelt. Die Charaktere unterscheiden sich durch ihre Kampffähigkeiten, Bewegungsreichweite und (je nach Spiel) anderen Spielrelevanten Werten wie der Fähigkeit Türen zu öffnen oder die Mitspieler auszurauben. Diese Spiele waren zwar abwechslungsreich aber auch extrem Glücksabhängig: Nicht nur Würfel – sondern auch Kartenglück (auf welche Monster treffe ich? Wieviel Schätze finde ich?) war vonnöten.

Dann kam Heroquest (und Nachfolger, wie „Herr des Schwertes“) und setzte einen Spielleiter ein. Damit wurde das Spiel weiter dem Rollenspiel angeglichen. Der Spielleiter hatte die Aufgabe das Spielbrett nach und nach aufzustellen, so dass die Helden (die hier mehr oder minder zusammen agierten) den Dungeon erst nach und nach kennen lernten. Dabei richtete sich der Spielleiter i.A. nach einem vorgegeben Szenario.

Das Problem mit Heroquest war: Für den Spielleiter war die Sache eigentlich langweilig. Dass ein Held starb kam selten vor. Dass die Gruppe gar scheiterte eigentlich nie. Für den Spielleiter gab es damit eigentlich nur administrative Aufgaben: Figuren auf das Brett stellen. Bewegen, Würfeln, Figuren vom Brett nehmen. Der Spaß und die Spannung lag auf Heldenseite.

Und hier setzt Descent in einem wahren Geniestreich an (*): Wieder spielt die Gruppe zusammen. Wieder baut der Spielleiter das Spielfeld nach einem vorgefertigten Plan auf. Aber: Diesmal kann er aktiv eingreifen und sogar gewinnen (Das Spiel ist sehr ausgeglichen – allerdings nicht in allen Spielerzahlen. 2 oder 3 Helden haben es deutlich schwerer als 4 oder 5. Ich glaube auch, dass zu zweit einige Szenarioen nicht zu schaffen sind. ). Er ist nicht nur darauf beschränkt die Monster nach Szenariovorgabe aufzustellen und diese zu steuern, sondern kann auch neue Monster erschaffen. Dazu sammelt er Punkte, die er in Aktionen umsetzen kann. Mit diesen Aktionen kann er Fallen auslösen, seinen Kreaturen beim Kämpfen helfen oder eben neue Monster erschaffen. Bessere Aktionen kosten mehr Punkte und so muss der Spielleiter entscheiden wann der beste Zeitpunkt für eine bestimmte Aktion ist und ob er liebe viele kleine oder wenige große Aktionen machen will. Da zudem die Monster deutlich fordernder sind als alles was bei Heroquest rumlief ist eine Partie äußerst spannend. Der Spannungsbogen ist optimal: Am Anfang sind die Gegner eher leicht, die Helden können sich aufpowern. Die Helden werden also besser – die Monster werden aber auch stärker. Zudem erhält der Spielleiter einen Vorteil, wenn die Spieler trödeln. Er muss die Helden also nur lange genug aufhalten – Dauert das Spiel zu lange, wird ihm der Sieg kaum zu nehmen sein. Dadurch kommt Tempo ins Spiel.

Die Geschichte stimmt also und auch die Interaktivität und Chancengleichheit unter den Spielern. Doch das ist nicht alles. Descent ist zudem richtig taktisch! Nicht nur der Spielleiter kann gute und schlechte Entscheidungen treffen (In meiner Partie habe ich am Anfang einige Aktionen zum völlig falschen Zeitpunkt verbraten, ohne Chance den Spielern ernsthaft schaden zu können), sondern auch die Spieler. Die Kämpfe gegen die Monster errinern fast an kleine Tabletops: Stellungsspiel, richtige Wahl der Aktionen (beim Endkampf agierten die Spieler zu offensiv und bekamen richtig was auf die Mütze) und der Waffen – alles will bedacht und koordiniert werden. Damit haben wir eines der wenigen Spiele, bei denen Thema und Strategie stimmen!

Was problematisch ist, ist die Spieldauer. In unserer ersten Partie waren wir 6 Stunden beschäftigt, ohne das Spiel beenden zu können. Sicherlich sind wir in unserer zweiten Partie deutlich schneller (wenn die Regeln richtig sitzen und so), dafür werden die Szenarien anspruchsvoller. Und für solche Mammutsitzungen fehlt meistens die Zeit… Andererseits glaube ich, dass eine wirklich intensive Erfahrung auch eine gewisse Spieldauer vorraussetzt. Nicht umsonst sind viele absolute (thematische) Klassiker -Dune, Civilization, History of the world, 1830- Spiele mit einer außergewöhnlich langen Spieldauer.

Eine gute Geschichte braucht eben seine Zeit.

—–

Ich habe letzte Woche  Ubongo extrem gespielt. Nun, der Titel kommt nicht von ungefähr… Ich bin ein ziemlich guter Ubongo-Spieler (sag ich mal so), aber die 4er-Puzzles konnte ich nicht alle lösen (Meinem Gegner ging es aber ebenso). Das Problem sind gar nicht so sehr die Teile selbst, sondern die amorphen Flächen, auf die man die Puzzlestücke ablegen muss. Bei den anderen Ubongos war die Herangehensweise so: Gucken, welche Teile man hat, gucken wo die „Nasen“ auf der Ablagefläche sind und welche Teile dahin gepackt werden MÜSSEN, da sie woanders nicht passen bzw. weil nur das entsprechende Teil dahin passen kann. Bei Ubongo Extrem gibt es aber fast keine Nasen mehr, fast alle Ablageflächen sind mehr oder minder pfützenförmig, so dass man keinen Anfangspunkt hat – hier hilft wohl wirklich nur ausprobieren. Ist ein bisschen so wie ein echtes Puzzle ohne Rand… Weiß nicht ob es dadurch besser wird oder nur schwieriger – ist aber auf jeden Fall eine Herausforderung. Oh, und im dritten Anlauf stimmt endlich auch die Wertung! Jeder bekommt je nach Platzierung einen bestimmten Edelstein, und darf danach noch einen zufälligen ziehen. Das Anti-Frustrations-Element ist damit vorhanden, aber schnelles Lösen wird dennoch belohnt. Im Moment würde ich dazu neigen das Ur-Ubongo mit der Extrem-Wertung für das bestmögliche Ubongo zu halten, aber vielleicht finde ich noch eine bessere Herangehensweise an die neuen Puzzles…

 ciao

Peer

(*) Doom war natürlich früher und verwendet dasselbe System. Der Autor – Kevin Wilson – ist aber derselbe.

Peer Sylvester
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5 Kommentare

  • Moin Peer,
    erst erfüllst du meinen Wunsch, und dann nennst du mich auch noch namentlich *g* Aber das Geschenk kommt zu früh. Kommenden Sonntag wärs perfekt gewesen ;-)

    Interessant übrigens, dass Doom vor Descent war. Auf den Bremer Spieletagen wurde mir gesagt, Doom sei ein abgespecktes Descent, wodurch ich dachte, dass Descent vorher war.

    Was die Spielzeit angeht, da denke ich auch, dass die für ein Spiel dieser Art notwendig ist. Für einen Dungeon bei Hero Quest haben wir bisher auch durchaus mal 3 Stunden oder mehr gebraucht. Wir haben aber auch grundsätzlich immer den kompletten Dungeon gemacht :-) Ich nenn sowas gern „Episches Brettspiel“.

    Bei uns ist für epische Spiele die Dauer fast schon ein Gütesiegel. Wir spielen oft World of Warcraft – Boardgame. Unter 6 Stunden für ein Spiel ging da bisher nix. Und die längste Runde fraß sage und schreibe 13,5 Stunden. Gleichzeitig war sie aber auch die beste Runde, die wir bisher gespielt haben, weil es unglaublich abwechslungsreich und bis zum Ende, sogar ganz besonders am Ende, spannend war.

    Und ich find sowas toll. Also bei uns kommt gerade WoW immer wieder auf den Tisch. Und mittlerweile sitzen auch die Regeln zu Arkham Horror so langsam. Da freue ich mich auch schon auf meine erste richtige Partie. Die ersten Versuche scheiterten zwar, weil zu vieles noch nicht gegenwärtig war, brachten aber schon ein ziemlich beklemmendes Gefühl rüber.

    Doom (das haben wir mal meinem Bruder geschenkt) könnte ich eigentlich auch mal wieder spielen. Und Descent steht, seit ich weiß, dass es große Ähnlichkeit zu Doom hat, gleich noch etwas höher auf meiner Wunschliste :-) Der Eiserne Thron will auch noch gespielt werden, aber dann sollte ich erstmal genügend epische Brettspiele haben… oder vielleicht doch nicht? ;-)

    Andreas

  • Nachtrag:

    Was ich übrigens etwas schade finde, ist, dass viele Leute in solchen Spielen einen zu hohen Glücksanteil sehen, weil ja so viele Würfel gebraucht werden. Das finde ich gar nicht mal. WoW z.B. bietet den Charakteren viele Möglichkeiten, Würfel direkt zu manipulieren. Z.B. kann man sie auf ein bestimmtes Ergebnis direkt hinlegen, anstatt sie zu würfeln. Da ist es nicht Glück, sondern Strategie, dass man genau diese Fähigkeiten mit seinem Charakter gelernt hat, und andere dafür nicht.

    Und selbst ohne solche Manipulation würde ich weniger von Glück reden, als viel mehr von Wahrscheinlichkeiten. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich dieses Monster besiege? Ist es das Risiko wert? Wenn nicht, mach ich halt eine andere Aktion. Es ist also meine Entscheidung, was ich mir zutraue und was ich für notwendig erachte. Damit wären wir fast schon wieder im echten Leben, wo auch nicht immer alles nach Plan läuft. Warum muss es das also im Spiel? Natürlich kann ein verpatzter Würfelwurf frustrieren. Und natürlich kann er auch das Spiel wenden. Aber ich kann mich eben auch genau auf so etwas vorbereiten und die Chancen vorher abwägen.

    Mit Glück hat das also nichts zu tun.

  • Epische Brettspiel sind -wenn sie gut gemacht sind – lang genug, als dass sich das Glück in der Regel ausgleicht. Natürlich ist es doof, wenn ein Spiel nach 6 Stunden durch einen Würfelwurf entschieden wird, aber das ist doch eher die Ausnahme…
    Gerade bei Descent ist der Glücksfaktor aber eher gering: Wer beim Endgegner hineinrusht wie the Sundance Kidd, hat selbst Schuld, wenn er baden geht :-)

    Insofern: Zustimmung.

  • Hab ja auch nicht gesagt, dass ein Wurf am Ende das Spiel entscheidet ;-) Das hab ich auch so noch nicht erlebt bei diesen Spielen. Wobei es schon vorgekommen ist, dass wir das ganze Spiel über Bombenwürfe hatten… und beim Endgegner plötzlich nur noch Grütze den Würfelbecher verließ. Also sind wir doch eingegangen. Das kann aber auch nur dann passieren, wenn man doch noch nicht weit genug gelevelt hatte.

    Was ich eher meinte war, dass ein schlechter Würfelwurf das Spiel schon mal drehen kann. Bei WoW sind die Runden ziemlich knapp bemessen. Jede Fraktion hat genau 15 Züge. Pro Zug hat jeder Charakter 2 Aktionen. Da will jede Aktion genau überlegt sein, um seine „Zeit“ möglichst effizient zu nutzen. Man darf sich selbst nicht über- aber auch nicht unterfordern. Ein verlorener Kampf zum falschen Zeitpunkt kann da dem Gegner den Vorsprung geben, den er braucht, um das Spiel für sich entscheiden zu können. Aber dann war man halt der Herausforderung, die man sich ausgesucht hat, nicht gewachsen, und muss hoffen, dass dem Gegner noch ähnliches passieren wird ;-) Ein zu leichter Quest bringt dafür in der knappen Zeit nicht genügend Belohnung, um den Charakter ausreichend voran zu bringen.

    Insofern seh ich es bei WoW auch so. Wer verliert, hat nicht Pech gehabt. Er ist selber schuld ;-)