spielbar.com

Ich wünsche mir Frogger von der Gruppe Atari

Historisch gesehen sind Computerspiele auch aus Brettspielen entstanden: Ende der 70er Jahre erschienen eine Reihe von Brettspielen mit elektronischem Chip: Etwa Atlantis – Das Imperium schlägt zurück, Senso (das heißt heute Simon heißt) oder Galaxis. Die damals aufkommenden Videospielkonsolen wurden als konsequente Weiterentwicklung angesehen – weswegen Parker etwa auch selbstverständlich Konsolen für die Atari-Konsole entwickelte (und daran zerbrach). Schnell aber entwickelten sich Video- und Brettspiel in unterschiedliche Richtungen. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass es doch sehr unterschiedliche Medien sind, mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten.

Trivial Pursuit – Das erste Computerspiel. In der Aktueller Software Markt stand folgender Hinweis: Um es durchzuspielen kann man auf die Frage “Hast Du die Frage richtig beantwortet” immer “Ja” anklicken und das Spiel so schnell gewinnen! (Es gab keine Eingabemöglichkeit für die Antwort, sondern sollte die Antwort einfach sagen – wie auf dem Brett)

Dennoch beeinflussen sich diese Medien immer wieder gegenseitig: Lange Zeit geschah dies auf der Ebene der “Umsetzung”: Brettspiele, die Videospiele versuchten umzusetzen  und Videospielversionen von Brettspielen – neben Schach gab es z.B. auch Stratego, Trivial Pursuit oder Heroquest. Diese Kategorie ließ die jeweiligen Stärken des Medium jeweils weitestgehend ungenutzt: Die Brettspiele kopierten z.B,  vor allem die Graphik und ließen den Spielablauf des Computerspieles “nachspielen”., so dass es so aussah, als würde man das Computerspiel spielen, sich aber nicht so anfühlte. Analog konnte man zwar Brettspiele am Computer spielen, dies hatte abgesehen von ein paar netten Animationen aber selten irgendwelche Vorteile, gegenüber desselben Spieles am Tisch – es war nur unpraktischer sich vor einem Computer zwängen zu müssen.

Gloomhaven digital

Erst später wurden Computerspiele entwickelt, die sich an Brettspielen orientierten, aber speziell auf den Computer zugeschnitten waren: Sid Meiers Civilization oder Railroad Tycoon waren von Brettspielen inspiriert, aber keine direkten Umsetzungen. In den letzten Jahren sind die Parallelen noch stärker geworden, etwa bei Slay the Spire (von dem es ironischerweise ja mittlerweile auch eine Brettspielumsetzung gibt) oder Balatro; Spiele, die aussehen, als wären sie Umsetzungen von konkreten Kartenspielen, die aber die Fähigkeiten des Computers nutzen, um Effekte abzubilden, die bei “echten” Kartenspielen gar nicht oder nur sehr aufwendig möglich wären.

Auch umgekehrt sind Spiele wie Gloomhaven, Im Wandel der Zeiten oder auch Vantage von Computerspiele inspiriert, ohne direkte Umsetzungen zu sein.

In gewisser Hinsicht sind diese moderneren Vertreter das Gegenteil von den oben erwähnten Umsetzungen: Statt eines Brettspieles, dass sich spielt, wie ein Brettspiel, aber aussieht wie ein Computerspiel, sehen diese Vertreter aus wie Brettspiele, orientieren sich spielerisch aber an Computerspielen. Im Wandel der Zeiten ist bewusst an Civilizations zahlreiche Boni- und “Engines” angelehnt, während bei Gloomhaven das epische Feeling von Fantasy-Battlern erzeugt werden soll, insbesondere was auch die Vielfalt an Gegnern und Effekten betrifft. Diese Spiele sind in ihrer Art, die Medien Computer- und Brettspielideen zu verknüpfen, innovativ. Allerdings müssen sich viele Vertreter dieser Schule die Aussage gefallen lassen, dass sie in ihrer Computerspielfassung tatsächlich fast besser funktionieren. Das ist für mich ein deutlichen Zeichen, dafür, dass die Übertragung nicht ideal ist.

Wie oben erwähnt funktionieren Spiele wie Balatro deswegen so gut, weil sie die Vorteile von Brett-bzw Kartenspielen (vor allem schnell erfassbare Regeln, klares, schlankes  Konstrukt) mit Vorteilen von

Sowas geht mit Computerspielen nicht.

Computerspielen verknüpfen können. Ähnliches lässt sich auch von gelungenen Hybridspielen sagen: Descent: Legenden der Finsternis zum Beispiel nutzt den Computer an ähnlicher Stelle wie Balatro (Effekte, die sich ohne Rechner nicht verwalten lassen) sowie für  ein Entdeckungsmoment. Viele Computerinspirierte Brettspiele orientieren sich dagegen oft gerade an den Aspekten, die bei Brettspielen weniger gut funktionieren: Elemente mit hohem Verwaltungs- und/oder Regelaufwand etwa. Das ist insofern verständlich, als dass es gerade diese Elemente sind, die moderne Computerspiele quasi “unter der Haube” auszeichnen: Große, möglichst offene Welten, zahlreiche Optionen, unbekannte Effekte, deren Regeln erkundet werden müssen, etwa. Brettspielschaffende, die sich von Computerspielen inspirieren lassen, müssen sich bewusst machen, dass sich diese Elemente nur schwer umsetzen lassen und oft sogar dem “Flow” eines Brettspieles zuwiderlaufen. Brettspiele haben dagegen andere Stärken – insbesondere natürlich die Interaktion und das starke soziale Element (das bei Computerspielen trotz Teamspeak und Gilden deutlich schwerfällig umsetzbar ist), aber auch das haptische Element und die Art wie das Spielerlebnis in eine Narrative verarbeitet wird . Die Frage “Was kann ein Computerspiel dem Brettspiel geben” sollte dabei im Mittelpunkt stehen – statt der Frage “Wie kann ich Computerspielelemente umsetzen?”. Computerspiele haben oft interessante Setting oder Themen, die ich mir auch für Brettspiele wünschen würde. So scheint mir das kooperative Spiel Intrepid von Computerspielen inspiriert zu sein, die Setting  und den narrativen Spannungsbogen inspirierten. Mechanisch ist das Spiel aber bei Brettspielen zu Hause. Anders ausgedrückt: Es ist (vielleicht) von Computerspielen inspiriert wurden, es ist aber keine Umsetzung derselben.

 

ciao

peer

 

 

Peer Sylvester