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Verlagsvorstellung Perdix – Spiele

Ein neuer Deutscher Kleinverlag! Das heißt, so neu ist Perdix-Spiele gar nicht, aber er hat erst jetzt durch zwei erfolgreichere Kartenspiele auf sich aufmerksam gemacht: What the Rule?! und Medium werde ich unten ausführlicher vorstellen, in der Zwischenzeit habe ich mich mit den beiden Verlagsgründern unterhalten:

Bitte stellt euch doch erst einmal kurz vor!
Wir sind Nilu (Abkürzung für Nils-Lucas) und Julian und kennen uns schon seit der Schulzeit. 2021 haben wir dann neben dem Studium angefangen Spiele zu machen. Zu dieser Zeit war die Pandemie in vollem Gange und hat uns dem Brettspielhobby noch einmal nähergebracht. Wie haben uns dann mit Kleine Sünden, einem einfachen Kartenspiel, den Traum vom ersten Spiel erfüllt. Mittlerweile arbeiten wir beide hauptberuflich an der Uni, wobei der Verlag aktuell immer mehr Raum in unserem Leben einnimmt.
Wie habt ihr als Verlag angefangen und wo wollt ihr hin?
Auch wenn wir vorher schon Spiele gemacht haben, hat es mit der Verlagstätigkeit eigentlich erst 2023 mit der SPIEL so richtig angefangen. Da haben wir uns ein Herz gefasst und das Geld aus unseren Nebenjobs zusammengekratzt um erstmals mit einem eigenen Stand bei einer Messe dabei zu sein. Im Nachhinein muss man sagen, dass wir ein riesen Glück hatten, das wir mit unserem improvisierten Stand überhaupt Aufmerksamkeit bekommen haben. Zum Glück wurde dann What the Rule?! sehr gut angenommen, sodass wir mit unserem Verlag weitermachen konnten und dieses Jahr mit Medium sogar unser erstes Lizenzspiel auf der SPIEL bzw. auf der Berlin Con vorstellen konnten. Auf diesen Events bieten wir dann immer kleine Challenges an, bei denen man unsere Spiele vor Ort oder auch online anspielen und dabei etwas gewinnen kann. Generell entwickeln wir für fast alle unsere Spiele auch eine kleine Online-Version, die man kostenlos auf unserer Website mit Freunden oder im Solo-Modus spielen kann.
Aktuell geht die Entwicklung bei uns in Richtung eines Verlags, bei dem neben Eigenentwicklungen und Lokalisierungen vor allem auch die Arbeit mit Spieleautorinnen und Autoren im Vordergrund stehen soll. Für nächstes Jahr haben wir beispielsweise ein fantastisches Spiel von Moritz Dressler (dem Autor von „RUN“ und „Spukstaben“) im Programm, das mit wenigen Regeln und ganz ohne Aufbauzeit auskommt. Als einstiegsfreundliches Spiel mit hohem Wiederspielwert passt es perfekt in unser Portfolio, mit dem wir neben eingefleischten Spielefans auch versuchen Leute außerhalb der Community anzusprechen, für Spiele zu begeistern und vielleicht sogar ins Hobby zu bringen.
What the Rule?! hat als Induktionskartenspiel seine Wurzeln in Robert Abbotts Eleusius. Versteht sich das Spiel als moderne Variante von Eleusius und/oder hattet ihr andere Ansätze im Sinn? Oder seht ihr
die Wurzeln woanders?
Ja genau, Eleusis ist wahrscheinlich das bekannteste Induktionsspiel und war für uns eine wichtige Inspiration. Unser ursprünglicher Ausgangspunkt für die Arbeit an What the Rule?! war aber tatsächlich ein anderes Spiel – nämlich das Kartenspiel Mao. Wie bei Mau-Mau, versuchen die Spielenden bei diesem Kartenspiel ihre Handkarten loszuwerden. Sie kennen dabei aber die geheime Ablageregel nicht, die sich jemand überlegt hat. Wir haben dann recherchiert, was es noch für ähnliche Spiele gibt und sind dann schnell auf Eleusis und das davon inspirierte Zendo aufmerksam geworden, das mit geometrischen Formen anstelle von Spielkarten gespielt wird. Unsere Idee für What the Rule?! war, den Induktionsmechanismus dieser Spiele mit den Eigenschaften der Karten von SET zu kombinieren. Bei diesem Spiel zeigt jede Karte eine bestimmte Form, Farbe, Anzahl und Füllung/Schattierung. Um das Spiel rund zu machen, gibt es für What the Rule?! dann noch ein Punktesystem, das Regeln belohnt, die für die jeweilige Gruppe genau den richtigen Schwierigkeitsgrad haben. Man kann es aber auch einfach ohne Punkte als kooperativen Rätselspaß für zwischendurch spielen.
Medium ist – soweit ich das erkennen kann – eure erste Lokalisation eines bereits existierenden Spieles. Wie kam es zu der Zusammenarbeit und wollt ihr in Zukunft häufiger lokalisieren oder wird Medium eine
Ausnahme bleiben?
Medium ist tatsächlich unsere erste Lokalisierung, auf die wir mehr oder weniger durch Zufall aufmerksam geworden sind. Wir hatten letztes Jahr auf dem Youtube-Kanal von Better Board Games das Adventskalender-Video von Flo (Get on Board) gesehen, der da Medium als eines seiner All-Time-Favorites vorgestellt hatte. Wir haben uns das Spiel dann bestellt und im Freundeskreis gespielt, wo das Spiel direkt mega eingeschlagen ist und für unvergessliche Momente gesorgt hat – ein Team ist dann kurze Zeit später sogar ein Paar geworden :)
Das Spiel hat uns so gut gefallen, dass wir schon am nächsten Tag beim Verlag angefragt haben, ob die Lizenz für den deutschsprachigen Raum noch verfügbar wäre und waren dann super glücklich, das Spiel dann tatsächlich auf Deutsch herausbringen zu dürfen.
In Zukunft wollen wir gerne auch weitere tolle Spiele in den deutschsprachigen Raum bringen und sind aktuell schon fleißig am scouten. Dabei freuen wir uns auch immer besonders über Vorschläge aus der Community. Ein paar heiße Tipps für zukünftige Lokalisierungen haben wir auch schon von Silke (vom Würfel & Zucker Spielecafé in Hamburg) bekommen, die wir uns gerade genau anschauen und mit verschiedenen Gruppen testspielen. Wir haben da also in Zukunft noch einiges vor :)
Vielen Dank für das Interview!
What the Rule?!
Autoren: Julian Braunwarth und „Nilu“ Schönfeld
Für 2-10 Spielende ab 8 Jahren (je nach Regel eher älter)
Spieldauer: 15 Minuten
Wie im Interview schon erwähnt, handelt es sich hier um induktives Spiel, also ein Spiel bei dem vom speziellen (eine gelegte Karte) auf das allgemeine (die „geheime Regel“ geschlossen werden soll. In der Regel ist es ja umgekehrt: Man kennt die zugrunde legenden Regeln und versucht auf eine bestimmte Karte o.ä. zu schließen („Deduktion“). Das erste Induktive Spiel, war Robert Abbots Eleusius, dass 1956 in Martin Gardners berühmter Kolumne beim Scientific American vorgestellt wurde. Da galt es Regeln anhand eines Pokerdecks herauszufinden und das geschah auf eine sehr ähnliche Weise wie es heute bei What the Rule passiert: Man spielt eine Karte und die Person, die sich eine Regel ausgedacht hat, ordnet diese dann entweder in die „richtige“ oder die „falsche“ Reihe ein. Das erwähnte Mao scheint dann bei der Wertung durch: Während es bei Eleusius „nur“ um das Erraten der Regel geht, bekommt man bei What the rule?! mehr Punkte, wenn man vorher viele Karten losgeworden ist. Das ist eine subtile Verschiebung, denn es begünstigt dann die Spielweise trotz (vermeidlich) entschlüsselter Regel, diese noch nicht sofort zu benennen, sondern erst einmal die Hand runterzuspielen. Damit riskiert man freilich, dass jemand anderes den fetten Bonus für die erkannte Regel einsackt. Versierte Spieler:innen versuchen daher nicht nur die Regel zu verstehen, sondern auch die anderen am Tisch zu lesen – Hat die Person, die gerade eine richtige Karte gelegt hat, die Regel bereits entschlüsselt oder war das Zufall? Allerdings wird diese Spielweise nicht immer zum Tragen kommen – gerade in den ersten Partien wird das Spiel auf das erkennen der Regel zugeschnitten sein. Ob die Gruppe dann der Punktewertung die nötige Wichtigkeit bemisst oder in dem Spiel vordergründig ein abstraktes Logikrätsel sieht, bei dem die Punkte unwichtig sind bestimmt die Herangehensweise an das Spiel. Letztere Gruppen spielen dann mehr oder weniger Eleusius mit einem sehr dicken Kartendeck. Bei ersteren kommt noch ein kleines Zockelement hinzu.
Welchen Weg die Gruppe einschlägt hängt wie immer von den Regeln ab – in diesem Fall aber von den ausgedachten. Hier liegt bei induktiven Kartenspielen gewissermaßen die Sollbruchstelle des Designs; Sind die Regeln zu schwierig, wird das Spiel frustrierend. Sind sie zu leicht, wirkt das Rätsel nicht spannend genug und das Spiel unbefriedigend (und man wagt es auch nicht, erst einmal nur Karten loszuwerden). Man möchte den Spielenden genügend Freiheiten für originelle Regeln mitgeben, gleichzeitig muss man aber ein paar Zügel anlegen, damit keine unmöglich zu lösenden Aufgaben gestellt werden („Jede Karte ist gültig, nur bei einer absoluten Sonnenfinsternis wird eine schwarze Karte gebraucht“). Beides gelingt nur mit gutem Handwerkszeug von seitens der Spieleschaffenden an die Person, die sich die Regeln ausdenkt. Bei What the Rule?! wird zumindest der Ton dadurch gesetzt, dass der/die Regelerfinder:in genauso viele Punkte erhält, wie die erfolgreichste Person der jeweiligen Runde. Unmögliche Regeln werden so verhindert, zu leichte Regeln bringen potentiell etwas weniger Punkte (da weniger Karten abgespielt werden). Das ist als Motivation gut gesetzt. Allerdings bleibt es dabei, dass es schwer ist, sich eine gute Regel auszudenken. Es gibt eine Handvoll fertiger Regeln in What the Rule?!, um den Einstieg zu lernen, aber das sind nicht viele und zudem viele sehr simple. In Essen kam dann ein Promopack dazu mit Regeln, die eher in das andere Extrem ausschlugen. Die beiligenden Regeln verstärken bei den Spielenden also tatsächlich eher das Gefühl, dass eine Regel zu entwerfen nicht das einfachste ist. Das ist umso ärgerlicher, als dass wirklich ein riesiger Stapel von Karten zum spielen beiliegt.
Aber auch mehr Regelkarten hätten das eigentliche Problem nicht lösen können: Das Ausdenken der Regeln ist schwierig und gleichzeitig unglaublich wichtig für den Spielspaß. Viel Verantworung liegt daher bei den Spielenden. Können Sie diese Hürde meistern, bietet What the Rule?! interessante Herausforderungen.
Medium
Autoren: Danielle Delay, Lindsey Sherwood, Nathan Thornton
Für 2-8 Spielende (eher 3-6) ab 14 Jahren (eher ab 12)
Spieldauer: 30-45 Minuten
Medium ist das Kontrastprogramm zu What the Rule?! Statt kalter Logik, geht es hier um Intuition, statt Individualismus geht es hier um Teamwork. Wird bei dem intuitiven Spiel eine zugrundeliegende Regel ermittelt, versuchen hier immer zwei Personen einen gemeinsamen Nenner zu finden. Das dann auch noch blind und gleichzeitig, statt überlegt und eine nach dem anderen.
Benachbarte Spielende spielen nacheinander zwei Karten mit Begriffen und nennen dann gleichzeitig einen Begriff, der zu beiden passen sollte. Ist es derselbe – Hey super! Darum geht es!  Meistens wurden jedoch zwei unterschiedliche Begriffe genannt und die beiden bekommen einen zweiten Versuch, bei dem jetzt aber die beiden genannten Begriffe verbunden werden sollen (und die Begriffe aus dem ersten Versuch Tabu sind). Jetzt würde es weniger Punkte geben und in der Trostrunde noch weniger, bevor das nächste Team sich versuchen darf.
Der Name des Spieles deutet es an: Es kann sich fast wie ein Zauberei anfühlen, wenn tatsächlich auf anhieb ein gemeinsamer Begriff genannt wurde – insbesondere wenn die Kartenkombi nichts vermeidlich eindeutiges vorgegeben hat (Wir hatten einmal „Butler“ und „Schuhe“ und kamen tatsächlich beide auf „Pantoffeln“). Weitaus häufiger wird man scheitern. Die weiteren Versuche ermöglichen dann ein Happy End, obwohl man sich mindestens genauso so häufig um ähnliche Begriffe drehen wird, wie man tatsächlich von einem erneuten Versuch profitierten würde. Medium funktioniert aber vor allem in dem Moment, wo alle unbeteiligten Personen intern mitraten und anschließend diskutieren: Warum nicht das? oder Darauf wäre ich nie gekommen! Ohne Empathie wird man nicht nur keine gemeinsamen Begriffe finden, man wird die Wartezeiten im Spiel auch zu stark wahrnehmen; es sind ja immer nur zwei Personen gleichzeitig an der Reihe, gerade in großen Gruppen sind diese Zeiten , in denen man nur passiv mitdenkt, entsprechend lang.
Spannend ist, dass in Medium keine Einzelperson gewinnt – man sammelt immer Punkte mit dem jeweiligen Nachbarn und gewinnt als Paar gemeinsam. Das unterstreicht das gemeinsame, verbindene. Es gewinnt nicht der mit dem besten Teamwork (ob Lenny aus Springfield zu paraphrasieren). Beide Personen sind gleich wichtig, beide scheitern gemeinsam.
Verlangt What the rule?! seinen Spielenden viel ab, was die Regelerschaffung betrifft, liegt hier die Aufgabe etwas tiefer: Lediglich einen Begriff zu nennen ist erst einmal keine anspruchsvolle Aufgabe oder auch nur eine Aufgabe, die einen spielerisch erfüllen würde. Erst durch die Motivation, jetzt wirklich etwas zu finden was der/die andere auch nennen würde, wird das Spiel emotional mit Leben gefüllt. Das erfordert schon etwas Good Will bei den Spielenden, auch und gerade wenn es mal nicht so läuft. Nur dann ist es tatsächlich motivierend, wenn es tatsächlich klappt.
Peer Sylvester
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