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[Plagiatswatch] Dragonwake

„Five years ago, one of us played Don’t Mess with Cthulu. She shared the game with us by using face cards. We loved it but were unable to find a copy to play with. This game had the same base mechanics that Dragonwake now has. After playing the game repeatedly, we decided we’d rather play with dedicated cards, so we printed a deck of cards we designed for personal use. As we continued to play, we experimented by adding expansions such as the artifacts, events, and powers included in every copy of Dragonwake. These expansions made the game less of a straight-forward social deduction game and more of a party game. Everyone we played with loved our game and we decided to officially publish the game. Five years later, here we are asking for your help to share Dragonwake with the world!“

(Vor fünf Jahren spielte eine von uns Don’t Mess with Cthulu. Sie teilte das Spiel mit uns, indem sie Bildkarten verwendete. Wir liebten es, waren aber nicht in der Lage, ein Exemplar zu finden, mit dem wir spielen konnten. Dieses Spiel hatte die gleiche Grundmechanik wie Dragonwake jetzt hat. Nachdem wir das Spiel wiederholt gespielt hatten, beschlossen wir, lieber mit eigenen Karten zu spielen, also druckten wir ein Kartenspiel, das wir für den persönlichen Gebrauch entworfen hatten. Als wir weiter spielten, experimentierten wir mit Erweiterungen wie den Artefakten, Ereignissen und Kräften, die in jeder Ausgabe von Dragonwake enthalten sind. Diese Erweiterungen machten das Spiel weniger zu einem geradlinigen sozialen Deduktionsspiel und mehr zu einem Partyspiel. Alle, mit denen wir spielten, liebten unser Spiel und wir beschlossen, es offiziell zu veröffentlichen. Fünf Jahre später bitten wir euch nun um eure Hilfe, um Dragonwake mit der Welt zu teilen!)

– Kickstarter Dragownwake FAQ: How did you come with Dragonwake – Übersetzung mit Hilfe von DeepL

Kickstarter wurde ursprünglich gegründet, damit Ideen schneller und einfacher umgesetzt werden können. In der Anfangszeit von Kickstarter bedeutete dies, dass viele Autor:innen ihre Spiele selbst verlegten – mit unterschiedlichem Erfolg und durchaus wechselnder Qualität (viel wirklich gutes habe ich damals ehrlich gesagt nicht entdeckt). Im Laufe der Zeit wurde Kickstarter immer mehr zu einem Verkaufsprogramm für etabliertere Verlage. Es gibt sie aber immer noch, die kleinen Projekte, die kein Verlag machen will oder die denen gar nicht erst angeboten werden. Und es gibt eben auch Verlage wie Oh No Games, die Spiele, die sie mögen, aber nicht ohne weiteres auftreiben können, einfach selbst herausbringen. Die meisten dieser Verlage sind da weniger ehrlich.

Handelt es sich bei Dragonwake denn um ein Plagiat?

Don´t mess with Cthulu ist die Amerikanische Ausgabe von Timebomb, dass in der Deutschen Ausgabe als Tempel des Schreckens auf dem Markt war (und als solches auch von der Jury empfohlen wurde). Eine Sammlung von Varianten ist aktuell als Time Bomb Evolution erhältlich. Das zeigt auch, dass kleinere Regeländerungen noch kein eigenständiges Spiel machen – auch eine unerlaubte Bearbeitung ist ein Plagiat. Das ist ziemlich schell einzusehen, wenn man die Geschichte mit einem Buch vergleicht: Ich kann ein Buch nicht einfach in eine andere Sprache übersetzen und ein neues Vor- und Nachwort anhäöngen und dann behaupten, ich hätte ein neues Werk geschaffen, weil ich ja alle Wörter verändert habe und neuen Inhalt ergänzt habe. „Mein“ Buch kann dennoch nur mit Genehmigung der Rechteinhaber:in erscheinen.

Es ist aber durchaus möglich, sich von einem bestehendem Werk inspirieren zu lassen und daran anzuknüpfen. So knüpft Geraldine Brooks Buch March (Deutsch: Auf freiem Feld) an den Klassiker Little Women an – aber eben völlig eigenständig. Zwischen „Plagiat“ und „Völlig Eigenständig“ gibt es eine ganze Reihe von Graustufen, mit unterschiedlicher Bewertung bezüglich der Rechtslage. Hätten die Macher von Dragonwake nun nur die Graphiken (und Thema) geändert, wäre es zumindest nach EU-Recht klar ein Plagiat. Jetzt kommen aber anscheinend noch Gegenstände und andere Sonderkarten zum Einsatz, die wohl z.T. auch mit Aktionen gesammelt werden können. Ob das jetzt ausreicht, um als eigenständiges Werk zu gelten, kann ich von hier aus nicht absehen. Grob gesagt hängt das davon ab, ob ein neues Spielgefühl entsteht.

Ist die Frage überhaupt wichtig?

Ein Grund, warum ich hier Kickstarterprojekte beleuchte ist auch, weil sich eben die falsche Vorstellung hält, Spiele wären grundsätzlich nicht geschützt. Das ist falsch, wie hier schon oft beschrieben – je komplexer ein Spiel, desto größer die Chance, dass es geschützt ist. Allerdings ist der Rechtsweg in der Regel teuer und langsam. Außerdem haben andere Länder anderes Urheberrecht – hier sind die USA und Japan beteiligt und ich kenne die Urheberrechtsgesetze in diesen Ländern nicht. Theoretisch haben beide Internationale Verträge unterschrieben, Urheberrechte untereinander anzuerkennen. Praktisch lohnt sich das für Brettspiele kaum, allenfalls bei ganz klaren Kopien erfolgreicher Spiele. Daher kommt vermutlich das falsche Bild, dass man nur Graphiken ändern müsste, um das Urheberrecht zu umgehen.

Dieses falsche Bild hat vermutlich auch die Macher von Dragonwake geleitet, sonst wären sie nicht so freizügig dabei, die Vorlage zu erwähnen. Offenkundig sind sie nicht sehr tief in der Szene verwurzelt, sonst hätten Sie gebrauchte Spiele von Dont mess with Cthuluhu entdeckt oder zumindest, dass es andere Ausgaben gibt – inklusive der aktuellen englischen Version von Time Bomb Evolutions, dass vielleicht am dichtesten an deren Version ist. Vor allem aber hätten Sie gewusst, dass man Spiele auch lizensieren kann, dass man sich zumindest an den Verlag oder die Autor:innen wenden sollte. Und die hätten sie dann auf die aktuelle Ausgabe hingewiesen, zu denen Dragonwake jetzt in Konkurrenz steht. Aber auch wenn ich nicht von böser Absicht ausgehe (anders als bei anderen Spielen) fehlt mir dahingehend die Sympatie, als dass sich die Macher ja entschlossen haben, Geld mit ihrer Version zu machen. Es spricht nichts dagegen, für sich – und vielleicht auch dem engeren Freundeskreis – eine hausgebastelte Version zu erstellen. Das habe ich auch schon gemacht. Aber in dem Moment, wo man sich entschließt, andere für das eigene Produkt bezahlen zu lassen, sollte man schon ein bisschen Recherche betreiben und die hat hier offenkundig gefehlt.

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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