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Kritiker und ihre Rezensionsexemplare 3 – Natürliche Auslese

Damit man eine Kritik zu einem Spiel fassen kann, muss einem das Spiel zur Verfügung stehen. Man kann es natürlich kaufen – aber das kann seine eigenen Tücken mit sich bringen. Aber man kann ein Spiel auch als Rezensionsexemplar direkt beim Verlag anfragen. Manchmal ignoriert ein solcher Verlag diese Anfragen einfach. In manchen Fällen wird man als Kritiker mit einer freundlichen Antwort vertröstet bzw. auf andere Spiele verwiesen. In einigen Fällen reagiert der Verlag aber auch zustimmend und sendet ein Rezensionsexemplar zur nächsten Gelegenheit hinaus.

Nun erscheinen aber in jeder Saison nicht nur mehr Spiele als sich irgendjemand kaufen will; es erscheinen auch mehr Spiele als man oft in der Lage ist zu spielen. Es muss also eine Auswahl getroffen werden, welche Spiele man tatsächlich bei einem Verlag anfragen möchte. Man könnte sich etwa fragen, worum es in dem Spiel geht. Oder wer es gemacht hat. Oder auch was man darin tut. Alles das sind wichtige Fragen für eine Rezension, aber nur indirekt für einen Kritiker relevant.

Als Kritiker stellt man sich im Vorfeld eher die Frage, ob man ein solches Spiel mag; ob man es oft genug spielen kann, um eine fundierte Kritik zu verfassen und ob man mit einem solchen Spiel überhaupt etwas anfangen kann. Oder anders formuliert: Motivation, Praktikabilität und Zweckmäßigkeit.

Um ein Spiel kritisch zu besprechen, muss man eine gewisse Motivation mitbringen. Entgegen einiger realitätsferner Überzeugungen gibt es weder Druck noch Anreiz von Dritten eine Spielkritik zu verfassen. Wenn man motiviert ist ein Spiel zu spielen, dann ist es denkbar leichter auch darüber zu berichten. Eine der ersten Lehren, die man als Spielekritiker für sich zieht, lautet keine Spielekritik anzugehen, auf die man keine Lust hat. Das verzerrt nicht nur das Ergebnis, sondern verleidet einem auch die eigene Arbeit.

Damit man etwas sinnvolles und nützliches zu einem Spiel sagen kann, braucht man die Möglichkeit es ausreichend zu spielen. Nur so kann man Erfahrungen und Einblicke gewinnen, auf denen man eine Kritik basiert. Es gibt viele unterschiedliche Ansichten darüber, wie oft und in welcher Art man ein Spiel dafür spielen muss. Manche setzen auf eine bunte Mischung unterschiedlichster Spielertypen in verschiedenen Konstellationen, um ein umfassendes Meinungsbild einzuholen. Andere sehen eine gewisse Zahl an Spielrunden für zentral, damit eine Kritik irgendeine Form der Legitimität und Aussagekraft haben kann. Unabhängig davon welche Position der einzelne zu solchen Fragen einnimmt, wird eine Anfrage auch danach getroffen, ob die notwendigen Spielrunden überhaupt erreichbar sind. Es wird wohl keinen überraschen, dass die Zahl an Spielkritiken zu Partyspielen mit oft und regelmäßig überreichtem Spielmaterial in den letzten 12 Monaten deutlich nach unten gegangen ist.

Das Ziel einer Spielkritik lautet Stärken und Schwächen eines Spiels zu benennen, zu erklären und zu bewerten. Dabei kommt es weniger auf Vollständigkeit an, als auf Relevanz. Wer die Kritik liest, sieht oder hört, sollte danach die wichtigsten und prägnantesten Punkte des Spiels verstanden haben. Diese Auswahl muss der Kritiker fällen und tut das nicht zuletzt an Hand der eigenen Kompetenzen. Es reicht eben nicht nur zu sehen, dass ein Spiel bestimmte Eigenschaften besitzt, man muss sie auch erklären und bewerten können. Kann man das nicht, so muss man jedes Urteil und Fazit auf die Dinge umbiegen, über die man mit einer gewissen Glaubwürdigkeit sprechen kann: zum Beispiel ob man selbst Spaß beim Spielen hatte.

Damit fallen jedoch bestimmte Themen und Fragen in der kritischen Besprechung immer wieder unter den Tisch oder bleiben unbeachtet, weil die dafür nötigen Kompetenzen nicht vorhanden sind. Je breiter und vielfältiger die Stimmen in der Kritik aufgestellt sind, umso weiter ist auch der Blick auf das was in den Spielen passiert und gezeigt wird. Aber umso größer ist auch die Bandbreite an angeforderten und besprochenen Spielen.

Welche Spiele Beachtung finden, ergibt sich auch daraus wer da genauer hinschaut.


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Georgios Panagiotidis
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