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zum Pro und Contra Brettspiele auf Zeit Online

Lieber Dirk, lieber David.

Was haben wir gelacht. Euer Pro-Contra Artikel zum Thema Brettspiel genießt in unseren Brettspielkreisen natürlich gerade viel Aufmerksamkeit. Gerade in Corona-Zeiten bleibt uns ja das soziale Miteinander durch unsere Lieblingsbeschäftigung verwehrt. So muss dann die mediale Auseinandersetzung damit ein klein wenig das schmerzhafte Fehlen von Freunden und Gemeinschaftlichkeit überbrücken.

Als Freund einer wohl pointierten und temperierten Glosse hat mich euer Text auch stellenweise gut zu unterhalten gewusst. Die Formulierungen waren durchaus einfallsreich und die mit Worten skizzierten Szenarien auch für den einen oder anderen Schmunzler gut.

Dennoch habe ich etwas wie Kränkung empfunden, als ich von einem Satz zum nächsten huschte. Jedoch nicht weil hier meine liebste Beschäftigung karikiert und mockiert wurde. Ganz so humorlos und dünnhäutig möchte ich dann doch nicht verstanden werden.

Es hat mich traurig gestimmt, dass dieses Thema in euren Augen noch nicht einmal das absolute Minimum an Recherche wert war. Ein kurzer Blick in das Spielangebot bei Dussmann, in Richtung eurer etwas ambitionierteren Redaktionsmitglieder, oder auch beim Online-Riesen eurer Wahl, hätte euch eigentlich umgehend gezeigt, dass ein solcher Text inhaltlich mehr auffahren kann und muss. Es reicht nicht die nicht aufbearbeiteten emotionalen Kindheitstraumata heraufzubeschwören, als Onkel Horst einem die Parkstraße vor der Nase abgekauft hat. Das wäre in etwa so, als würde man zeitgenössische Popmusik zum Artikelthema machen und sich echauffieren, weil dieser Boy George sich wie eine Frau schminkt und man mit diesen verwirrenden Gefühlen im Innern nicht umzugehen weiß.

Von der Selbstentblößung des Autors einmal abgesehen, entlarvt es vor allem das Fehlen jeglicher Neugier am Anderen und Neuen. Gerade das ist vielleicht die essentielle Eigenschaft eines fähigen Journalisten oder zumindest lesenswerten Feuilletonisten. So gesehen bin ich mir zwar sicher, dass die Empörung unter vielen Spielenerds für ein paar mehr Klicks am Sonntagnachmittag gesorgt hat als es die übliche Zeitleserschaft sonst tut; aber diese neuen Besucher werden wohl kaum von der gesellschaftlichen Relevanz oder inhaltlichen Kompetenz eurer Publikation überzeugt worden sein.

Euch wird sicherlich schon beim Schreiben klar gewesen sein, dass man einen solchen Text auch besser hätte schreiben können. Aber er wurde veröffentlicht und das belegt zumindest, dass ihr der Ansicht seid, dass so ein Text nicht besser sein muss. Das sollten euch sowohl Brettspieler wie auch Zeit-Leser übel nehmen.

Georgios Panagiotidis
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