Mein Sohn hat im Mai eine Klassenfahrt. Nach England. Als die Idee auf dem Tisch stand fanden sie alle gut. Keiner dachte in dem Moment über den Brexit nach. Dabei stand er zu dem Zeitpunkt schon im Raum. Klassenfahrten nach England gab es aber schon lange vor der EU und diese wird auch funktionieren. Es ist nur etwas mehr Aufwand.
Etwas mehr Aufwand ist auch das, was da in Brüssel und London abgeht. Von der Ferne kann man das alles nur mit dem Kopfschütteln quittieren. Es ist schwer sich genau vorzustellen, warum die andere Seite verbohrt ist. Und zwar auf beiden Seiten. Die Leute müssten doch nur sehen, was die richtige Lage ist. Aber es wird diskutiert, vor allem an allen vorbei. Da gibt es pragmatische Argumente aber auch emotionale.
Innerlich hoffe ich immer noch, dass das ganze Brexit-Fiasko abgewendet wird. Ich habe einige Freunde auf der Insel, deren Leben seit dem Referendum schwerer geworden ist. Und das Gefühl, dass die mehr Hürden haben, wenn sie dann nach Essen kommen wollen, oder Cannes oder Leiria oder einer der vielen anderen Veranstaltungen auf dem Kontinent, aber auch die Hürden, die vielen die Lust nimmt zur UK Games Expo oder einem vergleichbaren Event auf der Insel zu fahren, lassen sich nicht weg reden. Nicht von uns.
Die Beziehung zwischen einem Redakteur und einem Autor ist da oft vergleichbar. Beide haben ihre Sicht darauf, was das Spiel sein sollte und was die korrekte Einordnung ist. Ist es ein Familienspiel, ein Kennerspiel oder ein Expertenspiel? Ist der Mechanismus besser als der andere? Und welcher ist essentiell für das Gefühl des Spiels. Solche Diskussion fühlen sich manchmal an wie EU vs UK. Und beide haben Argumente für ihre Sicht.
Wie die Autoren mit der Sicht der Redakteure umgehen ist dabei oft verschieden. So wie Verlage damit auch oft unterschiedlich umgehen. Es gibt Verlage, die brauchen ein Spiel effektiv schon fertig und müssen da nur noch Grafiken raufklatschen. Und es gibt Verlage, die gerne noch etwas oder alles ändern.
Dabei ist es oft wie mit Verfilmungen. Peter Pan wurde schon oft verfilmt. Vielleicht zu oft. Aber jedes Mal gab es eine andere Sicht auf die Geschichte. Auch bei anderen Literaturverfilmungen gibt es immer die Leute, die sagen, dass Buch wäre deutlich besser. Und die Leute, die nach dem Film noch das Buch gelesen haben, sehen das oft anders. Dabei ist der Film eine Interpretation des Buches und sollte als eigenes Werk betrachtet werden. Eine Art Crosspromotion. Da gibt es kein Richtig oder Falsch.
Ich habe ein Projekt auf meinem Schreibtisch, was ich sehr gerne mal angehen möchte und es bestimmt mal tun werde. Nur jetzt noch nicht. Es geht um ein Spiel aus den 90ern, das ich sehr gerne machen möchte. Ein paar Kollegen haben mir gesagt, ich sollte darauf eingerichtet sein, dass der Autor etwas speziell ist.
Und speziell hat dabei so einen schwingenden negativen Unterton von kompliziert, obwohl das gar nicht gemeint ist. Es gibt die pflegeleichten Autoren, die alles mitmachen und auf der Kreativwelle mitschwimmen oder einfach nur das Spiel abgeben und einfach den Verlagen vertrauen. Es gibt auch die investierten Autoren, die mit ihrem Baby arbeiten wollen. Die Vorstellungen haben was das Spiel können sollte und was nicht. Deren Visionen können dieselben sein wie die des Redakteurs oder auch andere, aber sie wollen, dass es ihr Spiel ist.
Solche Arbeit gehört zum täglichen Brot dazu. Mit solchen Gedanken blicke ich nach Brüssel und habe eine innere Überzeugung, dass die Briten zur Besinnung kommen sollten und den ganzen Irrsinn abblasen sollten. Gerade auch wegen Nordirland. Im selben Atemzug bin ich froh, dass die Briten das Ganze durchziehen und es vielleicht gegen die Wand fahren, denn andere Länder haben einen EU Austritt entsprechend schon wieder in der Schublade verschwinden lassen. Die EU scheint gestärkt aus der Krise zu gehen. Ich wünschte mir nur, es hätte nicht so hohe Kosten.
Und mit Blick auf das Urheberrecht, das wirklich reformiert werden muss, aber bitte nicht so mit den unsäglichen Artikel 11, Artikel 12 und Artikel 13, gilt vor allem: Im Mai ist die nächste Wahl des Europäischen Parlaments. Diese Wahl wird immer wichtiger. Geht wählen!
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