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Konfessionen eines gehackten Regeltranslatoren

Dem einen oder anderen ist vielleicht schon einmal ein japanisches Spiel in die Hände gefallen und hat sich vielleicht gewundert, dass ich dort die Regel übersetzt habe. Wo ich doch kein Japanisch kann.  Das kam so:

Vor Jahren schrieb ich einmal ein Buch über die verschiedenen Spieleszenen der Welt. Für dieses Buch interviewte ich ein paar Leute von Japan Brand, die damals (wenn mich mein Gedächtnis trügt) erstmals auf der Messe waren. Während des Interviews fragte ich nach einem Preis und überlegte schon, welche Spiele ich mir zulegen sollte, als der Übersetzer zu mir meinte: „Mach dir keine Gedanken – Die geben dir am Ende sowieso alles“. OK, damit hatte ich nun nicht gerechnet… Wie dem auch sei, einige Wochen später verzweifelte ich an den Regeln zu Trouble School, dessen deutsche Regeln sich lasen, als wären sie von einem Übersetztungsprogramm verfasst worden. Frustriert fragte ich nach einer englischen Regel. Die war rudimentär verständlicher, aber auch in PUnkto Aufbau und Schwerpunktsetzung eher suboptimal. Daher beschloss ich meine eigene Regel zu schreiben. Als Dankeschön schickte ich die Regel an Japan Brand und seitdem fragen die mich jedes Jahr ob ich ein paar Regeln aus dem Englischen übersetzen würde.

Nun ist das Übersetzen aus einer Übersetzung natürlich nicht optimal, da bei jedem Übersetzungsschritt potentiell Sinn verlorengeht.  Im Laufe der Jahre habe ich durchaus gelernt damit umzugehen: Ich übersetze deutlich freier als zu Anfang, wo ich noch jeden Satz möglichst direkt übernommen habe. Das sorgt für etwas weniger gestelzte Regeln, aber auch dafür, dass ich besser verstehen muss, wie das Spiel überhaupt funktioniert und welche Auswirkungen die Regeln haben. Im Zweifelsfall frage ich nach, ob meine Interpretation richtig ist (meine „Rechthabe-Quote“ liegt bei etwa 75%, also  ist das Nachfragen schon sehr sinnvoll ;-) ). Mittlerweile denke ich, dass meine Regeln z.T. präziser sind als meine englischen Vorlagen (und ein paar Fehler im Original konnte ich auch schon korrigieren – aber natürlich werden bei mir auch immer noch Fehler drin sein). Das ist auch der größte Tipp, den ich potentiellen Regelübersetzern mitgeben kann: Übersetzt Absatzweise, nicht Satzweise. Lest den Absatz durch, überlegt, was der aussagt und schreibt dann das so, wie ihr es am verständlichsten findet! Natürlich kann man versuchen den Stil oder den Humor mitzunehmen, aber wenn man kein professioneller Übersetzer ist, kann das schwierig werden. Toppriorität ist aber nun einmal das Spiel. Sind die Regeln unverständlich, wird das Spiel nicht gespielt, Humor hin oder her.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal darauf hinweisen, dass mir in der Regel das Spiel nicht vorliegt, wenn ich die Regel schreibe. Das ist dann ein Problem, wenn ich mich bei einer Übersetzung auf Material beziehen muss, bei dem ich nicht sicher bin, wie das überhaupt aussieht. Sind Chips rund? Aus Plastik? Aus Holz? Aus Pappe? In der Regel von Generalship ist von „Action boards“ die Rede – Dabei handelt es sich um Pappkarten, so wie die Rollenkarten bei Puerto Rico. Von „Spielbrettern“ zu reden, ist also nicht optimal. Ein bisschen lässt sich das Problem lösen, wenn man bei Boardgamegeek geeignete Bilder findet. So habe ich einmal überprüft ob man bei Sheep & Thief überhaupt die Möglichkeit hat, die Stadt zweimal anzuschließen (wenn nicht, stellt sich die Frage auch nicht, ob man dann doppelt Punkte bekommt). Dieses Problem lässt sich aber kaum umgehen – Regelübersetzungen brauchen zeit, vor allem wenn die zu Essen gedruckt vorliegen sollen. Das wiederrum ist notwendig, denn Essen ist für die ausländischen Kleinverlage wie Japan Brand (*) nun einmal der wichtigste Termin des Jahres. Eine Übersetzung die erst ein paar Wochen später kommt, ist verschwendet. Aber Kleinverlage haben nun einmal eine kurze Planungsphase: Es stellt sich erst spät heruas, welche Spiele rechtzeitig fertig werden und oft gibt es noch bis kurz vor Ultimo kleinere Regeländerungen. Daher muss man sich eben ohne Originalmaterial behelfen.

Was ziemlich charakteristisch für die Spieleszene ist, dass der absolute Großteil der Spielregeln immer noch von Amateuren wie mir übersetzt werden – Eigentlich alles, was nicht bei den großen Verlagen verlagsintern gemacht wird. In der Regel wird auch ohne Bezahlung übersetzt, es gibt lediglich Spiele umsonst. Das mag überraschen, wenn man bedenkt, wie zentral eine schlechte Regel für den Misserfolg eines Spieles sein kann (anders herum sorgt eine gute Regel nicht unbedingt auch für einen Erfolg – da ist das Spiel selbst wichtiger). Nun ist natürlich der Kostenfaktor einer Übersetzung nicht zu unterschätzen – ein professioneller Übersetzer dürfte fast so viel für eine Regelübersetzung bekommen, wie der Graphiker – aber es ist auch ein Problem des Angebotes und ein Problem der Wahrnehmung. Das Angebot an interessierten Helfern/Übersetzern ist riesig. Übersetzungen von allem möglichen werden tagtäglich kostenlos bei Boardgamegeek eingestellt. Ist es da einem armen Kleinverlag zu verdenken, dass er kein Geld für etwas ausgibt, was er problemlos umsonst haben kann? Und jetzt sind wir beim Problem der Wahrnehmung: Ein Kleinverlag hat so viel zu tun, so viel zu bedenken, zu kalkulieren und zu entscheiden, dass Regelübersetzungen vielleicht auch nicht immer den Stellenwert einnehmen, der ihnen zusteht. Zumal die Verantwortung ja an den Regelschreiber abgegeben wird – der Verlag hat da selten die Möglichkeit irgendwie einzugreifen (gerade wenn der Verlagsmensch die Sprache, in die übersetzt wird, selbst nur rudimentärt oder gar nicht beherrscht). Auch wird der Kleinverleger keine Möglichkeit haben, zu netscheiden, welche Regelübersetzer gut sind und welche weniger. Wer eine vielleicht schon vorher unpräzise Regel gänzlich unleserlich übersetzt und wer noch rettet was zu retten ist und eine Regel vielleicht sogar verbessert. Und wenn er die hätte braucht er natürlich auch überhaupt erst einmal eine Auswahl – trotz großem Angebot sind die meisten doch froh, wenn sie jemanden finden, der eine nicht unerhebliche Arbeit unentgeltlich auf sich nimmt. Und wenn man jemanden gefunden hat, will man den nicht auch noch kritisieren.

Aber vielleicht ist das doch irgendwie nötig. Vielleicht wäre eine Möglichkeit Spielregeln z.B. auf BGG gesondert bewerten zu können ein Schritt in die richtige Richtung. Natürlich steht dann das Original im Vordergrund, aber wenn eine Übersetzung stark unterschiedliche Noten bekommt als die anderen Sprachen, gibt das sicherlich einen Hinweis auf eine schlechte Übersetzung. Die kann zeitliche oder andere Gründe gehabt haben, aber -und da nehme ich mich ausdrücklich nicht aus (ich weiß, dass meine Regeln nicht perfekt sind) – einn bisschen mehr Professionalität täte diesem Bereich durchaus gut. Und das sage ich nicht nur, weil ich gerade The Producers wieder in die Ecke gelegt habe.

ciao

peer

 

(*) Japan Brand ist genaugenommen kein Verlag, sondern ein Zusammenschluss von Kleinverlagen, so in etwa mit Spiel direkt vergleichbar.

 

Peer Sylvester
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1 Kommentar

  • Diese Probleme kenne ich nur zu gut… Im Rahmen des Spielepizza-Projekts wurde ich sehr oft um Übersetzungen gebeten. (Meistens nur wenige Wochen vor Essen).
    Ohne Spielmaterial habe ich aber derartige Anfragen fast immer ablehnen müssen – zu oft ergibt sich der Zusammenhang nur durch das konkrete Spielmaterial ) und Testspielen).