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Jenseits vom Tellerrand: Das Baby mit dem Tablet

Ganz richtig: Heute geht es mal nicht um Brettspiele. Sondern um Babys. Und Tablet-PCs. Ravensburger haben mir (und damit irgendwie auch meiner Tochter) „Mein allerersten Tablet“ geschenkt. Es ist jetzt nicht so, dass Spieleverlage, die mir etwas schenken, damit den Inhalt der Spielbar bestimmen aber es hilft das Thema ist interessant. Was viele nicht wissen (Woher auch?): ich habe meine Examensarbeit in Medienpädagogik geschrieben und auch wenn mich das nun wirklich nicht zum Experten oder so macht, fühle ich mich doch einigermaßen berufen, etwas Licht in die Diskussion zu bringen: Muss denn das sein?

Nun wäre es mit diesem Tablet recht einfach sich vor der Verantwortung zu drücken und die implizierte Frage unbeantwortet zu lassen. Denn dieses Tablet ist in etwa so viel „I-Pad“ wie „Mein erster Computer“ ein Computer ist. Es ist vielmehr eine Kreuzung aus Tiptoi und diesen Geräuschekästen, die man Babys ans Bett hängt. Es gibt 6 „Apps“ die man auswählen kann, wobei die erste die „Geräusche-App“ ist. Damit macht das Tier, auf dass das Kind drückt ein passendes Geräusch. Die Alternativen sind „Lerne etwas über das Tier“, „Suche das Tier mit diesem Geräusch“ , „Bestimme wo es blinkt“ und zwei Musikprogramme, die losgelöst vom Bild Pingping machen oder Musik spielen. Dabei darf das Kind nicht irgendwo hindrücken, sondern muss einen kleinen Kreis treffen. Und das schafft kein Kind mit 9 Monaten – Ravensburger hat die Altersangabe (mal wieder muss ich leider sagen) viel zu niedrig angesetzt. Auch das ist ein Grund, warum es einfach wäre, die Frage zu umgehen, ob Babys unter einem Jahr schon mit Tablets spielen sollten – zumindest mit dem allersten Tablet können sie es schlicht nicht! Davon abgesehen liefert das allererste Tablet süße Tierstimmen, schöne (unbewegliche) Bilder, gute Haptik und generell alles, was zumindest meine Kinder erst einmal in die Hand nehmen wollen. Sie spielen damit, sie mögen die Geräusche, ja ich kann sogar mal das Zimmer verlassen, weil die Jüngere das Schwein grunzen lässt oder den Traktor sucht oder das Licht blinken lässt. Bin ich jetzt ein schlechter Vater?

Nein. Und das sage ich nicht nur, weil es bei der rhetorischen Frage um mich ging. Pauschal ist die Frage eh nicht zu beantworten, weil die Antwort von vielen Faktoren abhängt, aber ein paar Eckpfeiler:

Man ist sich in der Pädagogik einigermaßen einig, dass Kinder durchaus so etwas wie Medienkompetenzen erwerben müssen (darunter fällt nicht nur die Bedienung, sondern vor allem solche Dinge, wie „den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Film erkennen“). Umstritten ist nur, wann dies anfangen soll. Beim leidigen Fernsehen ist man so bei 3 Jahren, allerhöchsten 2,5 Jahren, unter dem man nicht mit Fernsehkonsum anfangen sollte. Ein zu junges Einstiegsalter (oder zu hoher Konsum) steht im starken Verdacht ASHS zu erzeugen. Viel später sollte in Maßen (!) aber auch nicht begonnen werden – Ein generelles Fernsehverbot bis zur Vorschule z.B. (wie es in meinem Bekanntenkreis durchaus praktiziert wird) ist kontraproduktiv zur Entwicklung.

Doch Pads und Computer sind eine ganz andere Nummer. Erstens sind diese Geräte aktiv, nicht wie das Fernsehen passiv. Zweitens sind die Bilder i.A. nicht oder nur kaum bewegt und damit fehlt das stressige Verarbeiten der laufenden Bilder und schneller Schnitte, die für die negativen Auswirkungen (Stichwort ADHS) verantwortlich gemacht werden (Wer sich mal Teletubbies anschaut, der stellt fest, dass es dort sehr viel gemächlicher zugeht, dass vieles wiederholt wird und die Folgen mit relativ wenigen Szenenwechseln auskommen). Tatsächlich werden Pads zum Beispiel auch in der Therapie oder Logopädie bereits bei kleineren Kindern eingesetzt – allerdings auch überwiegend ab Zweiehnhalb Jahren und älter.

Insgesamt sind Kinderpads /-computer ab 2,5 Jahren wirklich kein Problem – eher im Gegenteil, sie unterstützen die Medienerziehung eher und die ist tatsächlich in den letzten Jahrzehnten sehr viel wichtiger geworden. Ich würde sogar soweit gehen, dass es „schädlicher“ ist, sein Kind Computer & Fernsehen bis (sagen wir mal) acht Jahren komplett vorzuenthalten, denn als es mit 2,5 Jahren bereits damit zu sozialisieren, da dann die erwähnte Medienkompetenz erst sehr spät entwickelt werden kann (und wir sprechen hier über z.T. relativ fundamentale Dinge). Das gilt natürlich nur, wenn es einigermaßen betreut geschieht, also zusammen mit den Eltern/Großeltern/großen Geschwistern /Erziehern.

Wie ist es jetzt mit Kindern unter Zweieinhalb Jahren? Schwer zu sagen, da das ja weitestgehend noch Neuland ist – die entsprechenden Technologien sind so jung, dass die Kinder, die mit ihnen aufwachsen, noch nicht sehr alt sind und daher fehlt es an Erkenntnissen. Ich denke mal, dass bestimmte Dinge beachtet werden sollten: Keine schnellen Bilder, keine Filmsequenzen etc., denn da greift das Fernsehprinzip. Immer in Maßen und unter Betreuung. Und zudem: Je mehr ein solches Spielzeug (z.B.das Babytablet) dem herkömmlichen Spielzeug ähnlich ist (wie eben das Babytablet, dass im Prinzip nichts anderes ist, als so ein Motorikspielzeug), desto weniger kann passieren. Letztlich ist es aus meiner Sicht ziemlich wuppe, ob das Kind auf einem Kasten rumhaut, der Geräusche macht oder auf einem Babytablet rumdrückt, das Geräusche macht. Nützen tut letzteres sicherlich auch nicht. Aber schaden ebensowenig.

Nächste Woche widmen wir uns aber wir unserem Teller – Versprochen!

ciao

peer

P.S.: Die Regeln zu meinem Knobelspiel „Left & Right“ (war mal bei HiKu im Programm) sind online. Der Nachbau ist leicht, wer also lust hat, ist eingeladen ;-)
Und ich suche immer noch einen Ersatztball von Husarengolf…

Peer Sylvester
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